Charlotte Gainsbourg


„Die Essenz von ,Nymphomaniac‘? Auf keinen Fall der Sex!“

01.04.2014
Interview:  Peter Beddies

Charlotte Gainsbourg: „Früher dachte ich, Nymphomanínnen hätten jede Menge Spaß" © Filmladen

Wie jeder große Filmemacher hat auch Lars von Trier seine Lieblingsschauspielerinnen. Wenn sie denn lange genug bleiben, um zu solchen zu werden. Björk verließ ihn schon nach einem Film. Nicole Kidman und Kirsten Dunst gingen ebenfalls. Aber Charlotte Gainsbourg ist geblieben. „Nymphomaniac“ ist nach „Antichrist“ und „Melancholia“ schon ihr dritter gemeinsamer Film.




FilmClicks: Ihre Reise zu „Nymphomaniac“ begann an dem Tag der skandalösen Pressekonferenz von Lars von Trier in Cannes vor drei Jahren, oder?

Charlotte Gainsbourg: Ja, das stimmt. Bei der Pressekonferenz hörte ich Lars sagen, dass er als nächstes einen Porno mit  Kirsten Dunst und mir drehen würde. Als die ganze Aufregung um seine Äußerungen vorbei war, habe ich ihn dann mal gefragt. Und er war ganz erstaunt, dass wir noch nicht darüber gesprochen hatten. So ist das mit ihm jedes Mal. Immer überraschend. Und jedes Mal denke ich, dass er mich nie wieder fragen wird.
 
Wieso?
Kann ich nicht so genau sagen. Aber schon bei unserem ersten Film dachte ich, dass er mich überhaupt nicht interessant finden würde. Das stellte sich dann als ein Trugschluss heraus.
 
Müssen Sie einen Preis dafür bezahlen, zu Lars von Triers Lieblingsschauspielerinnen zu gehören?
Möglicherweise werde ich dafür eines Tages bezahlen müssen, keine Ahnung. Ich weiß auch, dass es andere Kolleginnen mit ihm nicht so lange ausgehalten haben. Vielleicht mag ich es auch, ständig herausgefordert zu werden und über Grenzen zu gehen. Das erlebe ich immer wieder mit Lars. Aber es stört mich keineswegs.   
 
Bei „Antichrist“ hatten wir Zuschauer alle mit Ihnen gelitten. Es war eine unglaubliche Reise, auf die Sie da geschickt wurden. War es bei „Nymphomaniac“ einfacher?
Einfacher? Auf keinen Fall! Ich kannte ihn dieses Mal besser, das ist wahr. Aber hier gab es verschiedene Herausforderungen, die es ebenso spannend gemacht haben. Der Film war physisch anstrengend. Aber es gibt auch diese unglaublich langen Dialogszenen. Stellan Skarsgard und ich haben allein zwei Wochen nur diese Unterhaltungen zwischen Joe und Seligman gedreht. Das hat sich wie in der Schule angefühlt.
 
Was ist für Sie die Essenz des „Nymphomaniac“-Films, der aufgrund seiner Länge in zwei Teilen zu sehen ist?
Die Essenz? Auf keinen Fall der Sex! Eher der Hunger nach Leben. Oder der Drang zum Zerstören, selbst wenn es das eigene Leben ist. Und ja, es wird viel Fleisch gezeigt und viel Sex. Aber nicht verherrlichend, sondern sehr brutal und ehrlich. Es ist ein Film, der von einer Frau erzählt, aber eigentlich die Schmerzen seines Schöpfers Lars von Trier zeigt.
 
Sie spielen eine Frau, die alle möglichen sexuellen Spielarten auslebt. Warum ist sie dann so verdammt traurig? Sex ist doch etwas Schönes!
Genau das habe ich auch gedacht, als ich begonnen habe, mich mit Nymphomaninnen zu beschäftigen. Ich dachte, die hätten jede Menge Spaß. Aber das stimmt eben nicht. Diese Leidenschaft kann nur in den seltensten Fällen erfüllt werden. Und das führt zu Frust und Depression.
 
Lars bereitet seine Filme immer sehr genau vor. Hat er mit Ihnen Pornofilme geschaut?
Oh, als ich 16 Jahre oder so war, da habe ich Pornos geschaut. Aber warum sollte ich das jetzt mit Lars gemacht haben? „Nymphomaniac“ ist kein Porno und wer versucht, den Film zur Erregung zu schauen, wird schnell feststellen, dass es eher nicht um Lust geht.
 
Wie geht es Ihnen jetzt, wenn Sie sich selbst in den sehr freizügigen Szenen sehen?
Ich bin sehr froh, dass wir Verträge gemacht haben, in denen genau steht, dass wir nie komplett nackt am Set waren und dass diese Szenen später von Porno-Darstellern gespielt wurden. Um ehrlich zu sein, würde ich es nicht glauben, wenn ich nicht selbst mitgespielt hätte. Die Szene mit den beiden schwarzen Männern zum Beispiel. Ich kann verstehen, dass es Zuschauer gibt, die denken, ich hätte wirklich mit denen Sex gehabt. Wie das Material am Computer miteinander verschmolzen wurde, das ist bewundernswert, macht einem aber auch ein bisschen Angst.   



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