DIE STORY: Josef Hader spielt in „Wilde Maus“ den gefürchteten Wiener Musikkritiker Georg Endl, der von seinem Chef (Jörg Hartmann) zwecks Gehalts-Einsparung vor die Tür gesetzt wird. Der konsternierte Mann hält den Rausschmiss vor seiner jungen Frau Johanna (Pia Hierzegger), einer Psychotherapeutin, geheim. Seine Tage verbringt er fortan im Prater.
Dort begegnet er seinem Kindheits-Kumpel Erich (Georg Friedrich), der ihn einst in der Schule quälte, heute jedoch Bester-Freund-Qualitäten aufweist. Als Erich vom türkischen Finanz-Unternehmer Mirko (Murathan Muslu) die Leitung der „Wilden Maus“, einer alten Prater-Achterbahn, angeboten bekommt, steigt der ausgebootete Kritiker als Partner in das Projekt ein.
Von nun an verläuft Georg Endls Leben auf drei Ebenen.
In der ehelichen Wohnung verrät er weiterhin kein Wort von seiner Kündigung und bemüht sich zugleich, im Bett seinen Mann zu stehen, um Johanna zur ersehnten Schwangerschaft zu verhelfen.
Im Prater putzt und schraubt er an der „Wilden Maus“ herum, deren Kundschaft er akustisch mit klassischer Musik anlocken will. Zugleich knüpft er ganz zarte Freundschaftsbande zur stillen Rumänin Nicoletta (Crina Semciuc), die mit Erich eine Beziehung fast ohne Worte führt.
Vor allem aber sinnt Endl, den die Entlassung komplett aus der Lebensbahn gewoefen hat, nach Rache. Er will an seinem Ex-Chef Revanche üben. Um seinen Argumenten mehr Nachdruck zu verleihen, investiert er unter anderem Geld in den Erwerb eines Schießeisens des Formats 38er Magnum.
DIE STARS: Der Kabarett-Star Josef Hader ist seit dem Senkrecht-Start mit „Indien“ häufig als Filmschauspieler im Einsatz. Bei den Brenner-Krimis von Wolf Haas und Wolfgang Murnberger war er auch als Co-Autor aktiv. Mit seinem Debüt als Regisseur erklimmt Hader nun in „Wilde Maus“ die nächste Stufe zum Universal-Filmemacher.
Rund um Hader agieren Spitzenkräfte der österreichischen Szene wie Pia Hierzegger, Georg Friedrich, Nora von Waldstätten oder Murathan Muslu. Das Filmland Deutschland ist im Ensemble mit Jörg Hartmann („Tatort“ Dortmund) und Denis Moschitto vertreten. Crina Semciuc sorgt für einen sinnlich-exotischen Touch als Rumänin, die kein Deutsch, aber gelegentlich Italienisch spricht.
DIE KRITIK: Man sagt Männern gern nach, dass sie große Probleme damit haben, große Gefühle zu offenbaren. So gesehen wählt der Musikkritiker Georg Endl, den Josef Hader für „Wilde Maus“ ersonnen und gespielt hat, eine sehr männliche Reaktion auf seine Entlassung.
Endl sagt nix. Er täuscht daheim den normalen Arbeitsalltag vor, obwohl er dann nur auf einer Parkbank sitzt. Er taucht nicht länger im Konzertsaal auf, sondern im Prater ab. Und wenn ihn wer fragt, wie’s ihm geht, dann antwortet er: „gut.“ Dabei geht’s ihm so schlecht wie vermutlich noch nie in seinem Leben.
Aus dieser Konstellation könnte man eine tief traurige Tragödie entwickeln. Der Erzkomödiant Josef Hader beschreitet lieber einen anderen Weg. Jenen zur Groteske. Mit all seiner Routine als Kabarettist füllt er das schwarze Loch des Georg Endl mit Pointen, die mal knallig und mal subtil detonieren.
So bekommt man viel zu lachen in „Wilde Maus“. Da Josef Hader die Situation seines brotlosen Kritikers (und jene aller anderen Menschen, die ihren Job verlieren) aber zugleich sehr ernst nimmt, hat der Witz des Films stets einen humanistisch fundierten Hintergrund.
Die Prater-Achterbahn „Wilde Maus“, in der Hader/Endl durch die Schussfahrten und Kurven rattert, ist natürlich ein herrliches Symbolbild für den ganzen Film. Nicht nur für den Protagonisten Endl geht es mühsam bergauf, aber rasch in die Tiefe. Nicht nur ihn droht es immer wieder aus den Kurven zu schleudern. Nein: Alle Figuren der Komödie sind auf ihren ganz persönlichen Berg- und Talfahrten des Lebens unterwegs, auf denen ihnen der Schauspieler, der Autor und der Regisseur Josef Hader mitfühlend, aber herb zur Seite steht.
Formal besitzt Haders Regie-Debüt einen prächtigen Rhythmus, der zwischen coolen Sprüchen, hintergründigen Dialogen und grotesker Aktion (nicht Action!) spielerisch-konzentriert dahingleitet.
Eine absurde Szene im Tiefschnee, in der Georg Endl seinem Leben ein Ende setzen will, erinnert an den eiskalten Witz des Coen-Brothers-Hits „Fargo“ – nur ohne die Gewalt. Eine vermutlich absichtsvoll dilettantisch angelegte Rauferei zwischen Georg Hader und Jörg Hartmann, mit Denis Moschitto als verschrecktem Sekundant, wirkt wie eine höhnische Karikatur all jener Action-Reißer, in denen einander muskelgestählte Machos die Schädel einschlagen.
Auch in „Wilde Maus“ fließt ein bisschen Blut, aber wirklich zu Schaden kommt niemand. Zumindest körperlich nicht. Und die leidenden Seelen seiner Protagonisten liegen dem Filmemacher Hader so sehr am Herzen, dass er ihnen ein Finale schenkt, welches zwar nicht happy ist, aber auch nicht frei von Hoffnung.
Vielleicht werden Georg und Johanna ja wirklich noch Eltern. Vielleicht wird die mit Klassik bedröhnte Achterbahn im Prater ein Erfolg. Vielleicht wird Georg eines Tages wieder Kritiken schreiben. Wer weiß? Der Film verrät es nicht. Doch er hält alle Möglichkeiten offen.
IDEAL FÜR: alle Fans von Josef Hader und von liebevoll-bizarren Komödien mit viel schwarzem Humor.