Unter Blinden

Ein hellsichtiges Leben ohne Augenlicht


FilmClicks:
Aufwärts: Andy Holzer demonstriert seine Meisterschaft im Bergsteigen © Thimfilm
DIE STORY: Die Doku „Unter Blinden“ wirft, so der Untertitel des Films, einen Blick auf „Das extreme Leben des Andy Holzer“. Der 46-jährige Osttiroler Holzer ist Bergsteiger, Skiläufer, Mountainbiker – und blind.
Wie schafft es so ein Mann, sechs der „Seven Summits“ (das sind die höchsten Berge ihrer Kontinente) zu besteigen und mit dem Rad oder auf Skiern Strecken zu meistern, vor denen sich viele Sehende fürchten würden? Die Antwort auf diese Fragen hat Holzer zum Medien-Profi und Promi gemacht, der zum begehrten Vortragenden und Autor wurde.
Die Film-Doku von Eva Spreitzhofer bittet Holzer ausführlich zu Wort. Man erfährt viel Biografisches – und viel Allgemeingültiges über die Anforderungen, sich ohne Sehkraft ein Bild von der Welt zu machen. Geschärfte Sinne: „Ich glaube, meine Ohren wissen gar nicht, dass ich blind bin“, sagt Andy Holzer.
 
Abwärts: Andy Holzer als Skifahrer im Schnee © Thimfilm

DIE STARS:
Sein Buch „Balanceakt: Blind auf die Gipfel der Welt“ wurde 70.000 Mal verkauft: Andy Holzer hat viel dafür getan, Sehenden einen Eindruck vom Leben ohne Augenlicht zu machen. Mit seinen großen Expeditionen  (in diesem Jahr will er den Mount Everest besteigen) sorgt er immer wieder für Staunen – mit seinen kleinen Kunststücken auch: Im ZDF-Sportstudio (die Szene ist im Film zu sehen) versenkte er einen Ball in der berüchtigten Torwand -  ein Unterfangen, an dem schon viele Weltklasse-Fußballprofis gescheitert sind.
Regisseurin Eva Spreitzhofer ist eine der vielseitigsten Filmkünstlerinnen der österreichischen Szene. Sie begann ihre Laufbahn als talentierte Schauspielerin und nahm dann das Schreiben in ihr Repertoire hinzu. Gleich ihr erstes Drehbuch – „Tigermännchen sucht Tigerweibchen“ - wurde 2001 zum Erfolg. Ihr größter Coup waren die Konzeption und die Drehbücher der ersten vier Folgen der  Krimi-Hitserie „Schnell ermittelt“. Bei der Doku „Unter Blinden“ führte Eva Spreitzhofer nun zum ersten Mal Regie.
 
DIE KRITIK: „Unter Blinden“ beginnt wie ein richtiger Abenteuerfilm. Ein Bergsteiger hängt in einer bedrohlich steilen Felswand. Aufgeregte Musik. Oben wartet der Gipfel, doch auf jedem Schritt lauert die Gefahr.
Vielleicht ist es ein Glück für den Kletterer, dass er nicht sehen kann, wie tief, abgrundtief sozusagen, er bei einem Fehltritt stürzen könnte. Denn der Bergsteiger ist Andy Holzer.
Der Osttiroler, das wird schon in den ersten Minuten der Doku klar, denkt nicht an den Fall. Sein Denken ist nach oben gerichtet: „Je höher ich hinaufkomme, um so freier fühle ich mich“, sagt er.
Das mit dem Hinaufkommen kann man auch symbolisch sehen. Andy Holzer hat es angesichts seines Handycaps ganz schön weit gebracht. Der Film erzählt die Story: Von Geburt an blind, versuchte (und meisterte) er schon in der Kindheit die Aufgabe, von seinen Altersgenossen wie ein Sehender anerkannt zu werden. Bei den Ämtern war’s dann schwieriger: „Korbflechter oder Telefonist“ – solche Jobs, berichtet er, bot man ihm an. Holzer wurde Heilmasseur. Und er begann, sich immer intensiver dem Sport zu widmen.
„Unter Blinden“ ist eine fesselnde Mischung aus einer Biografie und einer Expedition in eine für Sehende schwer ergründbare Welt. Regisseurin Eva Spreitzhofer montiert geschickt Bilder aus heutigen und vergangenen Abenteuern ihres Protagonisten mit Szenen aus Andy Holzers Alltag und nachdenklichen Betrachtungen über den Blick nach draußen, wenn das Augenlicht fehlt.
Dann berichtet Andy Holzer, wie sich ihm „mit Händen und Füßen Bilder ins Hirn projizieren“. Oder er philosophiert: „Ich habe noch nie so viele Blinde getroffen wie unter den Sehenden. Weil sie im Dunkeln tappen. Weil sie nicht wissen, was sie tun.“
In einer der spannendsten Sequenzen des Films debattiert Holzer mit dem gleichfalls blinden Pianisten und Sänger George Nussbaumer, der Österreich 1996 beim Song Contest vertrat. Nussbaumers Position: „Farben haben mich nie interessiert“. Holzers Position: „Farben sind für mich das Wichtigste“.
Holzer wie Nussbaumer haben in ihrer Laufbahn gezeigt, wie man ein schweres Handicap überwinden kann. So wirkt der Film auch für Sehende wie eine Aufmunterung, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und das Leben nicht allzu düster zu malen.
Der Film stellt auch eine Frage, die gewiss viele im Publikum interessiert: Wie wär’s denn, Herr Holzer, wenn Sie plötzlich sehen könnten? „Um Gottes Willen“, sagt er, „dann würde meine ganze Welt zusammenbrechen."
Auch so hat er’s bunt genug. Sehenswert.
 
IDEAL FÜR: Zeitgenossen, die einen Blick auf ein außergewöhnliches Leben führen wollen – und natürlich für die Bewunderer von Andy Holzer.






Trailer
LÄNGE: 90 min
PRODUKTION: Österreich 2015
KINOSTART Ö: 03.04.2015
REGIE:  Eva Spreitzhofer
GENRE: Dokumentation


BESETZUNG
Andy Holzer: er selbst
George Nussbaumer: er selbst

Interview
„Ein Film über den Umgang mit Grenzen“
Eva Spreitzhofer ist erfolgreiche Schauspielerin und Autorin („Schnell ermittelt“). Bei der Doku „Unter Blinden – Das extreme Leben des Andy Holzer“ führt sie erstmals Regie. Im Interview erzählt sie über den Dreh mit dem blinden Bergsteiger Andy Holzer (Bild). Mehr...