GESAMTEINDRUCK: Das Historien-Drama „Und der Zukunft zugewandt“ schildert packend, wie menschenverachtend der Sozialismus in der DDR sein konnte.
DIE STORY: Die junge Kommunistin Antonia Berger (Alexandra Maria Lara) kommt im Jahr 1952 in die DDR. Sie darf niemandem erzählen, wo und wie sie die letzten Jahre verbrachte. Sie war für viele Jahre in Russland in Lagern eingesperrt. Völlig unschuldig, wie sich jetzt herausstellt. Aber darüber, das lassen sich die Offiziellen gleich schriftlich geben, darf sie kein Wort verlieren. Antonia versucht, gemeinsam mit ihrem Kind, sich in der DDR einzuleben. Sie verliebt sich bald in den Arzt Konrad (Robert Stadlober). Der jedoch möchte so schnell es geht in den Westen. Wird Antonia ihm folgen oder, trotz all ihrer Erfahrungen, im Osten Deutschlands bleiben?
DIE STARS: Alexandra Maria Lara („Control“) in der Hauptrolle ist einfach umwerfend. Eine Leistung, die man mit Preisen würdigen sollte. Sie zeichnet diese Antonia mit wenigen Strichen, mit stillen Gesten. So gut war sie bisher in keinem ihrer Filme.
Nichts in diesem Film ist dick aufgetragen. Auch nicht der Parteifunktionär Silberstein – von Stefan Kurt („Vier Minuten“) grandios gespielt. Ein ums andere Mal vertröstet er Antonia, dass man irgendwann über ihr schreckliches Schicksal reden werde. Nur eben nicht jetzt. In kleineren Rollen glänzen Robert Stadlober („Sonnenallee“) als Arzt und Karoline Eichhorn („Dark“) als Mitgefangene in der Sowjetunion.
DIE KRITIK: „Und der Zukunft zugewandt“ war eine Textzeile, die für ein paar Jahrzehnte jeder Bürger des sozialistischen Experiments auf deutschem Boden namens DDR kannte. Denn es war die zweite Zeile der Nationalhymne gleich nach „Auferstanden aus Ruinen“. Der legendäre Komponist Hanns Eisler und der Texter (und spätere Kulturminister) Johannes R. Becher kreierten die Hymne im Jahr 1949. Da im Text aber auch von „Deutschland einig Vaterland“ die Rede war, wurde sie ab 1972 nicht mehr gesungen. Und so ist der Text heute kaum noch bekannt.
Der Film „Und der Zukunft zugewandt“ widmet sich einem Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte, das heute (leider) ebenfalls so gut wie in Vergessen geraten ist. Es geht um Tausende junge Menschen (niemand weiß wie viele wirklich waren), die in den 1930er Jahren links eingestellt waren und in die Sowjetunion übersiedelten, weil ihnen das Land mit seinem damals noch neuen System des Sozialismus einfach sympathisch erschien.
Kaum waren sie dort, gerieten sie (Mitte bis Ende der 1930er Jahre) in den roten Terror, der damals wütete. Jeder und jede (und Ausländer ganz besonders!) hätten Feinde des Sozialismus sein können und wurden – zum großen Teil ohne jede Begründung – auf Weisung der Parteispitze um Stalin für viele Jahre in Lager gesperrt.
Der große Vorteil des neuen Films von Bernd Böhlich („Du bist nicht allein“) ist, dass der Regisseur auf jeden Ansatz von Sensation verzichtet. Das Schicksal der Menschen, die damals in der Sowjetunion leiden mussten, ist so ungeheuerlich, dass es nur weniger Erwähnungen und Schilderungen braucht, um ein Bild vor dem inneren Auge entstehen zu lassen.
Böhlich legt mehr Wert auf den Skandal aus ostdeutscher Sicht: Dass es verboten wurde, über die Gräuel zu reden. Und auch die Parteitypen, die hier gezeigt werden, sind keine Monster oder Schablone. Es fühlt sich echt und sauber recherchiert an, wie der Filmemacher über dieses frühe Kapitel DDR berichtet.
Sicher, es wird Menschen geben, die meinen, dass Filme wie „Das Leben der Anderen“ weitaus unterhaltsamer von der DDR erzählen. Richtig. Aber diese Dramen haben den großen Nachteil, dass sie mit dem realen Leben in der DDR nichts zu tun haben. Wie schon der vielfach ausgezeichnete
„Gundermann“ ist auch „Und der Zukunft zugewandt“ ein realistischer Blick zurück in einen Staat, der sich mal vorgenommen hatte, Gutes zu wollen. Und der in Wahrheit Schlimmes zuließ.
IDEAL FÜR: Kinogänger mit Interesse für geschichtliche Themen abseits der bekannten Felder.