GESAMTEINDRUCK: „Styx“ ist ein brillant inszeniertes und spannungsgeladenes Hochsee-Drama über die Flüchtlingskrise, das viele harte Fragen stellt.
DIE STORY: Die Kölner Notärztin Rike (Susanne Wolff) beginnt in Gibralter ganz allein und mit einer perfekt ausgerüsteten Yacht einen Segeltörn, der sie zur weit entfernten Atlantik-Insel Ascension bringen soll. Ihr einsames Idyll endet, als sie eines Tages in der Ferne ein überladenes und manövrierunfähiges Flüchtlings-Schiff erblickt. Der Instinkt sagt Rike, sofort auf das Boot zuzusteuern und die Flüchtlinge an Bord zu nehmen. Doch die Küstenwache, mit der die Frau per Funk Kontakt aufnimmt, rät ihr dringend von der Hilfeleistung ab: Eine Rettungsmission sei unterwegs. Aber stimmt das?
DIE STARS: Die deutsch-österreichische Produktion „Styx“ ist der erste Spielfilm des in Amstetten geborenen Filmemachers Wolfgang Fischer, der seit 1999 als TV-Regisseur beim WDR und bei Phoenix in Deutschland arbeitet.
Hauptdarstellerin Susanne Wolff hat viel Theater-Erfahrung. Sie war von 1988 bis 2009 Ensemble-Mitglied am Thalia Theater Hamburg, spielte aber auch große Rollen in Wien (die Alma in Paulus Mankers Inszenierung von „Alma – A Show Biz ans Ende“) und Salzburg (die Titelrolle in Kleists „Penthesilea“ bei den Festspielen). Im Kino sah man sie zuletzt in Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“
DIE KRITIK: In der griechischen Mythologie steht der Fluss Styx für die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und jener der Toten.
Das Thema von „Styx“, dem Film, ist damit präzise umrissen. Die Seglerin Rike ist mit ihrer feinen Yacht in der Welt der Lebenden unterwegs, gerät aber unversehens an die Grenze zum Totenreich. Denn die schiffbrüchigen Reisenden auf dem Flüchtlingsboot, das sie auf dem Atlantik entdeckt, wären ohne Hilfe vom Tode bedroht.
Was tun in so einer Situation? Die Ärztin will spontan helfen. Die Küstenwache warnt jedoch per Funk, die Übernahme der Flüchtlinge auf ihre kleine Yacht könnte auch sie in ernste Gefahr bringen.
Also entscheidet sich Rike erst einmal für einen Kompromiss. Sie fischt unter Aufbietung all ihrer Kräfte einen Jungen (Gedion Oduor Wekesa) aus dem Meer, der vom Kutter der Flüchtlinge fortgeschwommen ist. Sie verarztet den verletzten Knaben; sie päppelt ihn wieder auf. Doch zugleich muss sie erkennen, dass sie nicht alle Schiffbrüchigen retten kann. Wo bleibt die versprochene Hilfsmission?
Der österreichische Regisseur Wolfgang Fischer drehte mit „Styx“ einen ungemein packenden Film über die Flüchtlingskrise, der ganz bewusst viele Fragen aufwirft, doch keine einfachen Antworten bereithält. „Styx“ segelt an einer scharf gezogenen Grenzlinie dahin: Die Opfer ihrem Schicksal zu überlassen, scheint denkunmöglich zu sein. Sie alle zu retten, aber auch.
So entlässt diese Ozean-Odyssee das Publikum sehr nachdenklich aus dem Kino. Der Konflikt zwischen Humanismus und Egoismus, dem sich die Seglerin stellen muss, bewegt einen auch im weichen Kinosessel. Die Antworten, zu denen man selbst kommt, müssen nicht unbedingt angenehm sein.
Ganz abgesehen vom starken Grundkonflikt ist „Styx“ auch filmisch eine ausgesprochen starke Produktion. So lange etwa die Ärztin Rike auf ihrem Boot allein ist, füllt Susanne Wolff mühelos die Leinwand – ihr Ansprechpartner ist die bewegte See. Die Schönheiten, aber auch die Gefahren des Segelns werden so eindrucksvoll ins Bild gerückt (Kamera: Benedict Neuenfels, Schnitt: Monika Willi), wie man es im Kino kaum jemals erlebt.
So ist „Styx“ ein bewegender und bewegter Film über eines der großen Themen unserer Zeit geworden – ein Drama, das den Zuschauer lange nicht mehr loslässt. Großes Kompliment.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die einen herausragenden Beitrag über die Debatte zur Migrations-Problematik sehen wollen.