Skin

Ein Neonazi steigt aus


FilmClicks:
Die Aggression ist ihm ins Gesicht geschrieben: Jamie Bell als Neonazi Bryon Widner © 24 Bilder Verleih
GESAMTEINDRUCK: „Skin“ ist ein beinhartes Neonazi-Aussteiger-Drama aus den USA, das im wahrsten Sinn des Wortes unter die Haut geht.
 
DIE STORY: Der Film erzählt, was passiert, als der junge Neonazi Bryon Widner (Jamie Bell) aus der Szene aussteigen will. Auf der einen Seite muss er immer damit rechnen, dass sich seine „Familie“ wieder bei ihm meldet und sich rächt. Auf der anderen Seite will er, von Kopf bis Fuß mit rassistischen Tattoos zugehackt, seine Tätowierungen loswerden. Immer wieder sieht man Bryon mit schmerzverzerrtem Gesicht, wie er eine Sitzung nach der anderen durchsteht. Zwischendurch berichtet der Film davon, wie Bryon Nazi wurde und was ihn dazu brachte, aussteigen zu wollen.

Die Liebe zu Julie (Danielle Macdonald) weckt in Bryon den Wunsch, auszusteigen © 24 Bilder

DIE STARS: Der Ex-Teenager-Star Jamie Bell („Billy Elliott“) war schon vieles in seiner Karriere. Aber so einen extremen Charakter wie in „Skin“ durfte er nicht mal bei Lars von Trier in „Nymphomaniac“ spielen. Und das will schon etwas heißen. Bell porträtiert Bryon Widner, den es wirklich gibt, mit viel Hingabe. Sowohl den Hass gegen alles Andersartige als auch später die Reue und – für diesen Menschen scheinbar völlig neu – das  Gefühl der Liebe bringt Jamie Bell großartig rüber.
Die Australierin Danielle Macdonald ist Julie, die junge dreifache Mutter an seiner Seite, in die sich Widner verliebt. Auch sie spielt hinreißend - zwischen blanker Wut und großer Zärtlichkeit. Vera Farmiga („Up In The Air“) gibt die Mutter der Neonazi-Familie als oberfiese Chefin, bei der zwischen Liebe und Kopfschuss nicht viel mehr als ein Augenzwinkern liegt. 

Schmerzhafte Prozedur: Bryon lässt seine Neonazi-Tattoos entfernen © 24 Bilder

DIE KRITIK: „Skin“ ist ein mutiger Film. Kein Wunder, dass Jamie Bell (siehe Interview) dem israelischen Regisseur Guy Nattiv für diese Rolle zunächst mehrfach abgesagt hat. Denn das Drama versucht etwas, das bei den meisten Filmen scheitert. Nattiv erzählt aus einer Perspektive, die man als objektiv beschreiben könnte. „Skin“ setzt nicht sofort die Hasskappe auf, wenn es darum geht, zu beschreiben, in welche Szene der Neonazi Bryon Widner da geraten ist.
Natürlich sind die Rechtsradikalen der Hammerskins-Gruppe, die der Film zeigt, furchtbar verbohrte Typen. Menschen, die sich nach einem weißen Amerika sehnen. Die alle, die anders sind, am liebsten aus den USA wegschicken würden. Die für ihre Ziele auch bereit sind, zu töten. Aber sie sind eben auch Menschen, die sich um einsame Wesen wie Bryon Widner kümmern. Sie von der Straße holen und ihnen ein Zuhause geben. All das zeigt der Film, ohne auch nur in einem Bild gutzuheißen, was diese Faschisten anrichten.
Der reale Bryon Widner hatte bei diesen Extremisten seine Heimat gefunden und sich als Zeichen seiner Zugehörigkeit Dutzende faschistische und rassistische Tattoos stechen lassen. Aber dann lief ihm eines Tages die Aussteigerin Julie mit ihren drei Kindern über den Weg. Und plötzlich musste Bryon einsehen, dass er doch nicht bis auf den Grund seiner Seele von Hass zerfressen war. Er begann zu überlegen, stellte seine Handlungen in Frage und suchte nach einem Ausweg.
„Skin“ ist ein harter Film, der Film einer Läuterung. Nicht nur, wenn ein ums andere Mal die Prozedur der Tattoo-Beseitigung läuft (600 Stunden hat es gedauert, bis der ganze Dreck entfernt war), tut der Film dem Betrachter richtig weh. Auch die Szenen, die innerhalb der Hammerskins spielen, sind zum Teil wegen ihrer Brutalität nur schwer auszuhalten. Am Ende steht ein Mensch - wieder ohne Tätowierungen. Aber die inneren und äußeren Narben, das macht „Skin“ sehr deutlich, die bleiben für immer.
 
IDEAL FÜR: Menschen, die im Kino gern in menschliche Abgründe schauen
 






Trailer
LÄNGE: 119 min
PRODUKTION: USA 2018
KINOSTART Ö: 04.10.2019
REGIE:  Guy Nattiv
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Vera Farmiga: Shareen
Jamie Bell: Bryon Widner
Danielle Macdonald: Julie Price

Interview
„Warum schauen Skinheads nie in den Spiegel?“
FilmClicks-Interview mit Jamie Bell: Der Star aus England überlegte lange, ob er den Job übernehmen sollte, im Aussteiger-Drama „Skin“ einen Neonazi zu porträtieren. Im Gespräch erklärt er, was ihn dazu bewog, die Rolle zu spielen. Mehr...