Motherless Brooklyn

Viele großartige Details, doch kein großartiger Film


FilmClicks:
Erbitterte Gegner: Moses Randolph (Alec Baldwin) und Lionel Essrog (Edward Norton) © Warner Bros.
GESAMTEINDRUCK: „Motherless Broklyn“ ist ein visuell und darstellerisch eindrucksvolles Thriller-Drama, in dem Edward Norton als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller allerdings daran scheitert, große Emotionen und Spannung zu wecken.
 
DIE STORY: New York in den 1950er Jahren. Der Privatdetektiv Lionel Essrog (Edward Norton) kann es nicht verhindern, dass sein Boss Frank Minna (Bruce Willis) bei einem geheimnisvollen Termin von Unbekannten umgebracht wird. Von nun an setzt der Sonderling Essrog – er leidet unter dem Tourette-Syndrom, besitzt aber ein fotografisches Gedächtnis – alles daran, um herauszufinden, wer Frank Minna ermordet hat. Die Spur führt zu einem mächtigen Mann: Zum Stadtplanungs-Chef Moses Randolph (Alec Baldwin). Der ist nicht nur Mitglied der Stadtregierung, sondern auch ein Immobilien-Hai.

Starkes Spiel: Gugu Mbatha-Raw und Edward Norton © Warner

DIE STARS: Der dreifache Oscar Nominee Edward Norton, der mit Filmen wie „American History X“ oder „Fight Club“ frühen Ruhm erwarb, zählt zu den eigenwilligsten Topstars des US-Kinos. Er wählt seine (mittlerweile seltenen) Rollen sehr sorgsam aus, verfolgt aber mit großem Nachdruck eigene Projekte. „Motherless Brooklyn“ ist ein gutes Beispiel dafür: Norton arbeitete 20 Jahre daran, den gleichnamigen Buch-Bestseller von Jonathan Lethem auf die Leinwand zu bringen.
Wie hoch der Stellenwert Nortons in der US-Szene ist, erkennt man an seinem Ensemble: Mit Alec Baldwin, Willem Dafoe und Gugu Mbatha-Raw für die Hauptrollen und Bruce Willis sowie Leslie Mann für wichtige kleine Rollen stellte er ein erlesenes Team zusammen.

Stimmungsvolle Bilder: Edward Norton und Willem Dafoe © Warner

DIE KRITIK: „Macht ist das Wissen, dass Sie tun können, was Sie wollen, und dass niemand Sie davon abhalten kann“: So lautet einer der Schlüsselsätze aus „Motherless Brooklyn“. Alec Baldwin legt ihn seiner Figur in den Mund, dem manchmal wie ein früher Donald Trump wirkenden Profitmaximierer Moses Randolph. Allein dieser Spruch würde Stoff genug geben für ein Drama, das einen ganzen Film ausfüllt.
„Motherless Brooklyn“ ist aber noch mehr: Ein klassischer Whodunit-Thriller mit vielen Anklängen an den Film Noir, in dem ein entschlossener Ermittler unerbittlich einen Mörder jagt. Zudem ein realistisches Drama über Immobilien-Spekulation. Und obendrein zeigt der Film ein Panoptikum menschlicher Befindlichkeiten.
Der Detektiv Lionel Essrog, die Zentralfigur, ist mit dem Tourette Syndrom geplagt, das sich bei ihm in unwillkürlichen Zuckungen äußert und in unwillkürlichen Äußerungen sehr markanter Worte, oftmals von ordinärer Natur.
Auch die anderen Charaktere gehen mit ganz persönlichen Problemen durchs Leben, die sich manchmal in Gewalt-Ausbrüchen offenbaren und manchmal in der scheuen Sehnsucht nach Nähe.
Der Drehbuchautor Edward Norton hat dem Regisseur Edward Norton also ein schillerndes Bukett an Themen überreicht. Doch das Merkwürdige an „Motherless Brooklyn“ ist, dass der Funke zum Publikum nicht überspringen will. Die pralle Story kommt sehr spröde über die Leinwand. Man beobachtet das aufwühlende Geschehen aus großer Distanz und ohne innere Anteilnahme.
Vielleicht hat Edward Norton einfach zu kühl inszeniert und zu viel Wert auf die Details gelegt statt auf die großen Spannungsbögen. Das ergibt in Summe einen Film, der keine Begeisterung auslöst, obwohl er reich ist an kleinen begeisternden Momenten.
Die Straßenszenen im New York der 1950er Jahre etwa sind so originalgetreu (und möglicherweise in Anwesenheit aller verfügbaren Auto-Oldtimer) bebildert, dass man der Production Designerin Beth Mickle einen Oscar wünschen möchte.
Ähnliches gilt für die bis zum winzigsten Nadelstich stimmigen Kostüme von Amy Roth. Kameramann Dick Pope sorgt für schwelgerisch schöne Einstellungen, und fürs Ohr gibt’s nicht nur den Soundtrack von Daniel Pemberton (Golden-Globe-Nominierung), sondern auch höllisch swingenden, live gespielten Jazz aus der Bebop-Ära.
Die Schauspieler leisten ebenfalls ganze Arbeit. Edward Norton gibt dem Tourette-Syndrom-Detektiv Lionel Essrog eine starke Aura zwischen Zwanghaftigkeit und Coolness. Bruce Willis wirkt derart souverän in seinem Kurzauftritt, dass man allein wegen seines hochklassigen Spiels bedauert, ihn bald aus der Story ausscheiden zu sehen (er gibt ja das Mordopfer).
Gugu Mbatha-Raw ist eine patente Bürgerrechtlerin. Und Alec Baldwin und Willem Dafoe porträtieren in aller Virtuosität ein abgründiges Brüderpaar.
Kurzum: Es gibt viel Schönes in diesem mal grausamen und mal eleganten Film. Dass die Summe der gelungenen Einzelteile im Fall von „Motherless Brooklyn“ trotzdem kein großartiges Gesamtbild entstehen lässt, ist sonderbar. Aber auch so kann Kino sein.
 
IDEAL FÜR: Freunde cool erzählter Großstadt-Kriminal-Geschichten.  
 






Trailer
LÄNGE: 145 min
PRODUKTION: USA 2019
KINOSTART Ö: 12.12.2019
REGIE:  Edward Norton
GENRE: Drama|Thriller
ALTERSFREIGABE: ab 14


BESETZUNG
Edward Norton: Lionel Essrog
Bruce Willis: Frank Minna
Leslie Mann: Julia Minna
Alec Baldwin: Moses Randolph
Willem Dafoe: Paul Randolph
Gugu Mbatha-Raw: Laura Rose
Bobby Cannavale: Tony Vermonte
Cherry Jones: Gabby Horowitz