DIE STORY: Woody Allen schickt in seiner schwarzen Komödie „Irrational Man“ den depressiven Philosophie-Professor Abe Lucas (Joaquin Phoenix) auf die Suche nach dem Sinn. Den kann der kluge Mann in seiner Wissenschaft nicht mehr finden, und im Alltagsleben auch nicht. Nicht einmal die Avancen zweier schöner Frauen – er wird von der Professorin Rita (Parker Posey) und der Studentin Jill (Emma Stone) umschwärmt - können ihn aufrichten. Er ist impotent.
Abe findet erst zu neuer Kraft (und zu sexueller Lust mit seiner Studentin) zurück, als ein sehr abseitiger Gedanke in ihm reift. In einem Café hört er zufällig mit, wie eine ihm unbekannte Frau darüber klagt, dass sie bei der bevorstehenden Scheidung wohl das Sorgerecht für ihre Kinder verliert. Weil ein korrupter Richter das Urteil nach den Wünschen ihres Noch-Ehemanns zurechtbiegen wird.
Abe spürt auf einmal Mitgefühl, das er in eine Straftat umsetzen will: Er fasst den Plan, den (ihm ebenfalls unbekannten) Richter zu vergiften. Abe versucht sich am perfekten Mord.
DIE STARS: Woody Allen, dessen Werksliste als Regisseur mittlerweile 45 Titel umfasst, feiert am 1. Dezember seinen 80. Geburtstag - eine runde Zahl, die man dem alterslos agilen Komödianten kaum glauben mag.
In „Irrational Man“ spielt er zwar nicht mit, doch er hat wie stets große Stars um sich versammelt. Emma Stone („Birdman“) adelte schon Woodys letzten Film „Magic In The Moonlight“. Der dreifach für den Oscar nominierte Joaquin Phoenix („Walk The Line“) glänzte zuletzt in „Her“ von Spike Jonze.
DIE KRITIK: Wenn sich ein Philosophie-Professor mal die Sinn-Frage stellt, dann ist Alarm angesagt. Denn das Arbeitsfeld des Philosophen ist ja mehr die Antwort als die Frage. Und wenn er selbst nicht weiterweiß, dann gibt es Bücher sonder Zahl, in denen nachzulesen ist, was andere gelehrte Köpfe über das Leben und dessen tiefere Bedeutung gesagt haben.
Bei Abe Lucas allerdings ist der Ofen aus. Die Beschäftigung mit Kant, Heidegger und anderen Denkern hat in dem Professor eine deprimierende Vermutung reifen lassen: „Philosophie ist Masturbation!“ Das lebt Abe nun vor und das strahlt er auch aus.
Ob dieser Abe ein Verwandter im Geiste seines Schöpfers Woody Allen ist? Der Filmemacher klagt ja auch gerne über die „Sinnlosigkeit unseres Lebens, in dem jeder stirbt und alles verschwindet.“
Da zeugt es vom schwarzen Humor des Regisseurs, wenn er seinem Protagonisten dadurch neuen Sinn verschafft, dass der einen anderen Mann gewaltsam zu Tode bringt. Wobei er die Spuren seiner Täterschaft aber verschwinden lässt. Oder verschwinden lassen möchte.
Hier große Gedanken, dort niedrige, mörderische Triebe: Die Konstruktion von „Irrational Man“ ist ungewöhnlich, der Film jedoch macht Freude. Woody Allen jongliert mit Zitaten aus der Philosophie und aus der Filmgeschichte (auch seiner eigenen). Zugleich baut er sorgsam einen Thriller-Plot auf, der dem Film stellenweise echte Spannung verleiht.
Das Ensemble setzt die Intentionen des Regisseurs prächtig um. Joaquin Phoenix hat für die Rolle des Abe ein paar Kilo zugelegt; er motzt und schmollt hingebungsvoll durch seine tristen Tage. Bis er sein mörderisches neues Hobby entdeckt.
Parker Posey schenkt der Professorin Rita, die an der Beziehung zu Abe scheitert, weil er am Bett-Abenteuer mit ihr scheitert, einen attraktiven Hauch resoluter Melancholie.
Und Emma Stone irrlichtert als smarte flotte Biene über die Leinwand, bei der man nicht weiß, ob sie sich mit Abe einlässt, weil der ein toller Mann ist, oder weil das ihrer akademischen Laufbahn nützen könnte.
Emma Stones Figur, die Studentin Jill, wird jedenfalls kräftig in den Kriminalfall hineingezogen. Irgendwann beschleicht sie die Ahnung, ihr Lover Abe könnte hinter dem Tod des Richters stecken. Wenn sie dann Aufklärung begehrt, wird’s aufregend.
Unterm Strich ist „Irrational Man“ ein unterhaltsamer Film; einer der besseren aus Woody Allens Spätwerk. Was als Männerphantasie beginnt (Ein Mann! Zwei Frauen!), mutiert bald von der dunklen zur rabenschwarzen Komödie mit vielen gescheiten Dialogen.
Darüber hinaus ist „Irrational Man“ ein Film, an den man sich definitiv erinnern wird, bevor man das nächste Mal einen Lift besteigt.
IDEAL FÜR: Woody-Allen-Fans.