DIE STORY: „Ich und Kaminski“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Daniel Kehlmann. Daniel Brühl spielt den „Ich“, einen leicht schmierigen Reporter namens Sebastian Zöllner. Der hat es sich in den Kopf gesetzt, die Biografie des berühmten Künstlers Manuel Kaminski (Jesper Christensen) zu schreiben.
Dieser Kaminski ist natürlich eine von Kehlmann erfundene Figur - ein weltberühmter Maler, einst Protégé von Matisse und Picasso, der seit langem vorgibt, blind zu sein. Ob der große alte Mann wirklich mit Blindheit geschlagen ist oder ob er, aus Marketing-Gründen, nur so tut, bleibt offen.
In gewisser Weise blind sind aber beide Protagonisten dieser kunstvollen Kunstgroteske: Der Reporter Zöllner für die Einschätzung seiner (bescheidenen) Fähigkeiten und der Maler Kaminski, der sich allzu lange vom eitlen Kunstbetrieb tragen ließ, für die Realitäten des Lebens. So drehen sich die Wortkaskaden der beiden ungleichen Partner im Kreis. Und mit der Biografie wird es letztlich auch nichts.
DIE STARS: Der Film führt ein altes Erfolgsgespann wieder zusammen: Regisseur Wolfgang Becker und sein Hauptdarsteller Daniel Brühl drehten zusammen den Mega-Hit „Good Bye, Lenin!“. Während Becker seither lange Pausen einlegte, wurde Brühl zum internationalen Star - etwa in der „Bourne“-Trilogie oder als Niki Lauda im Formel–1-Drama „Rush“.
Der 67-jährige Jesper Christensen, für die Kaminski-Rolle künstlich gealtert, ist einer der führenden Schauspieler Dänemarks. Zwischendurch macht er immer wieder Ausflüge zum großen Kino: In den Bond-Thrillern „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“ etwa spielte er die Figur des Mr. White.
Geraldine Chaplin (sie verkörpert Kaminskis einstige große Liebe Therese) ist die Tochter von Charlie Chaplin.
An der Verfilmung des österreichischen Star-Literaten Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“ erreichte auf Deutsch eine Auflage von 2,3 Millionen Exemplaren) sind auch Schauspieler aus Österreich beteiligt. Josef Hader hat eine kleine und feine Gastrolle als Zugbegleiter. Karl Markovics sieht man gelegentlich doppelt: Er spielt ein Komponisten-Zwillingspaar.
DIE KRITIK: Die Eröffnungs-Sequenz von „Ich und Kaminski“ ist schlechthin überwältigend. Regisseur Wolfgang Becker hat eine Collage aus echten und falschen Bildern, aus realen Großkünstlern und der Fantasiefigur Kaminski montiert, die zeigen soll, was für ein toller Hecht dieser Kaminski in der Welt der schönen Künste war und ist.
Hinreißend! Das macht Lust auf mehr. Auch der folgende Auftritt von Daniel Brühl als Journalist Sebastian Zöllner ist famos.
Dieser Möchtegern-Wortschmied ist geradezu erschlagen von der eigenen Großartigkeit (zu dumm, dass sie außer ihm niemand bemerkt). Er verteilt das Fell des Bären, bevor der Bär erlegt ist (statt über Kaminski zu schreiben, denkt er lieber über die Vermarktung nach). Er schiebt sich bei den ersten Begegnungen mit dem knorrigen alten Mann derart in den Vordergrund, dass Kaminski kaum zu Wort kommt.
Kurzum: Das Wirken des Herrn Zöllner wirkt wie eine Anleitung dafür, wie man ein Biografie-Projekt auf keinen Fall angehen sollte.
Der alte Kaminski, nach einer Jahrzehnte langen Karriere mit allen Wassern gewaschen, verfolgt seine eigene Agenda. Er lässt den Reporter erst mal gewähren. Kaminski stichelt herum, manchmal quält er seinen Biografen ein bisschen, und sonderlich ernst scheint er ihn nicht zu nehmen. Was der Journalist in seiner Egomanie natürlich gar nicht bemerkt.
Und sonst? Kaminskis Bilder sind gut, keine Frage. Ob er auch ein guter Mensch ist, steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich eher nicht.
Für einen kurzen Moment, eine groteske Reise, verzahnen sich die Wege des Malers und des Schreibers. Die Herren reden über die Kunst und das Leben, doch vor allem reden sie aneinander vorbei. Das Wesen der Kunst, um das es bei einer Künstlerbiografie doch gehen sollte, bleibt außen vor. Und genau das hatte Autor Michael Kehlmann bei dieser Komödie der Eitelkeiten wohl im Sinn.
IDEAL FÜR: Kunstliebhaber, Kehlmann-Leser und Fans des Film-Gespanns Wolfgang Becker & Daniel Brühl.