DIE STORY: „Gone Girl“. An seinem fünften Hochzeitstag erlebt Nick (Ben Affleck) eine böse Überraschung. Denn aus seiner liebenden Ehefrau wird ein „Gone Girl“. Amy (Rosamund Pike) ist aus dem gemeinsamen Haus verschwunden. Es deutet viel darauf hin, dass es einen Kampf gegeben hat.
Nick wendet sich an die Medien, um Unterstützung bei der Suche nach seiner Frau zu bekommen. Aber schon bald werden Stimmen laut, dass Nick Amy ermordet haben könnte. Kurz darauf erfährt der Zuschauer, dass Amy noch lebt. Und das ist nur die erste von sehr vielen Wendungen, die den Zuschauer am Ende leicht geschockt und verzweifelt zurücklassen dürften.
DIE STARS: „Gone Girl“ verdankt seinen Glanz einem Dreigespann, das sich hier gefunden hat und das auch gemeinsam gelobt werden muss. Regisseur David Fincher zeigt sich bissig wie in seinem Thriller-Klassiker „Sieben“ und zugleich auf der Höhe seines dramatischen Erzählens: 2 Stunden und 29 Minuten und nicht eine Sekunde zuviel.
Seine Hauptdarsteller hat er mit Bedacht ausgewählt. Ben Affleck als Ehemann, dem brutal der Boden unter den Füßen weggezogen wird, spielt die Hilflosigkeit und später den Zorn und die Wut grandios. Über die Frau an seiner Seite, die hinreißende Rosamund Pike darf man leider – um nicht zu viel zu verraten – nur wenig verraten. Sie spielt eine Frau, die allen Männern zeigt, dass man das angeblich schwache Geschlecht nie unterschätzen sollte – oscarreife Leistung.
DIE KRITIK: Romanverfilmungen haben oft einen großen Makel. Wer das Buch gelesen hat, der hat schon seinen eigenen Film im Kopf. Deshalb kann eigentlich nur Ernüchterung und Enttäuschung einsetzen. Es sei denn, man hat einen Visionär wie David Fincher. Sieben der zehn Filme in seiner bisherigen Laufbahn sind Thriller. Und dennoch alles andere als gewöhnliche Krimis. Es sind stets die ungewöhnlichen Einstiege, die Fincher sucht. Er findet immer eine Ebene jenseits des „Wer war der Täter?“, die ihn interessiert. Bei „Gone Girl“ sind es gleich zwei Ebenen, auf denen sich Fincher austobt: Medienschelte und Ehedrama.
Der Film (nach dem Bestseller von Gillian Flynn) setzt wie das Buch mit einer wunderbaren Szene ein. Eine männliche Stimme beschreibt einen sehr schönen Frauenkopf und fragt, was in ihm wohl vorgeht.
Kurz darauf sind wir beim fünften Hochzeitstag des Ehepaars Dunne. Nick (Ben Affleck) wacht auf, fährt erst einmal in die Bar, die er gemeinsam mit seiner Schwester betreibt. Wieder daheim, findet er das Haus leer vor. Im Wohnzimmer scheint ein Kampf stattgefunden zu haben. Seine Frau Amy (Rosamund Pike) ist verschwunden.
Nick wendet sich an die Polizei. Er bekommt Hilfe von seinen Schwiegereltern. Die Medien werden mit herangezogen. Nichts hilft. Amy bleibt verschwunden. Und Nick gerät mehr und mehr unter Tatverdacht. Es gibt einige Dinge, die er nicht erklären kann. Zumal scheint seine Ehe nicht die glücklichste gewesen zu sein.
Im Buch bleibt der Leser sehr lange im Ungewissen, was es mit Nick und Amy auf sich hat. David Fincher – man nennt ihn nicht umsonst einen Großmeister des Spannungsfilms – denkt sich hier etwas Neues aus. Schon ziemlich zeitig im Film wird klar, dass es einen Mord an Amy nicht gegeben hat.
Nun konzentriert sich Fincher auf das Sezieren der Ehe. Warum gab es Probleme zwischen den Beiden? War die allgegenwärtige Krise schuld, bei der beide ihre Jobs verloren haben? Hat es der Beziehung sehr geschadet, dass Nick und Amy aus New York weggezogen sind, nach Missouri, um sich um Nicks kranke Mutter zu kümmern? Fincher listet etliche Fragen auf und gibt dem Zuschauer Gelegenheit, Mutmaßungen anzustellen.
Doch egal, was man vermutet: Nichts ist von Bestand in diesem meisterhaft gefilmten und grandios erzählten Krimi. Denn kurz darauf ist wieder alles anders. Mal finden die Medien etwas Neues heraus – auch die Mediensatire wird fein auserzählt. Mal hat Nick etwas verschwiegen. Was ist eigentlich mit Amy? Welches Spiel spielt sie oder ist sie nur Spielball? Wer ist Opfer und wer Täter?
Man darf bis zum Ende mitraten. Und dann – vorausgesetzt, man hat das Buch noch nicht gelesen – mit offenem Mund staunen. Denn Fincher traut sich hier richtig was. Das mit Abstand beste Film-Ende des Jahres in einem Werk, das wohl später mal in den Kanon der Krimi-Klassiker aufgenommen wird.
IDEAL FÜR: Jeden Kinogänger, der elegant gefilmte und sehr spannende Unterhaltung mag und den Thriller des Jahres nicht verpassen will.