Feuchtgebiete

Ein großer Film über große Themen


FilmClicks:
"Feuchtgebiete" (mit Carla Juri): Ein Film über die Erkundung des Körpers und den Weg ins Leben © Filmladen
DIE STORY: Helen (Carla Juri), die Hauptfigur von „Feuchtgebiete“, ist 18 Jahre alt und wie jeder Mensch in diesem Alter hat sie keine Ahnung, wohin genau es im Leben geht. Alles, was sie genau weiß: Sie möchte die geschiedenen Eltern wieder zusammenbringen und ihren eigenen Körper so intensiv wie möglich erkunden. Bei einer Intim-Rasur verletzt sie sich am Anus und muss ins Krankenhaus.
DIE STARS: Schön, wenn man wieder mal sagen kann, dass man dabei war, als ein Star geboren wurde. Sicher muss man den Einwand der Schweizer zulassen, dass sie Carla Juri schon länger kennen. Aber wir geben hiermit  zu Protokoll, dass diese junge, unglaublich unerschrocken aufspielende Dame eines Tages ein Weltstar sein wird. Und „Feuchtgebiete“ ist ein formidabler Start. Alle anderen Stars wie Meret Becker, Edgar Selge, Axel Milberg und so weiter umrahmen das Spiel der Juri aufs Feinste.  
KURZKRITIK: „Das hätte gewaltig ins Auge gehen können“. Sagt die Bestseller-Autorin Charlotte Roche selber über diesen Film, der vier Jahre gebraucht hat, um auf die Welt zu kommen. Gut so, denn so konnte sich Produzent Peter Rommel in aller Ruhe umsehen nach dem richtigen Regisseur. Und der richtige Mann für diesen Job – David Wnendt - erschien mit seinem Debüt-Paukenschlag „Kriegerin“ erst im Januar 2012 auf der Filmbühne. Wnendt findet genau die Balance zwischen dem, was man zeigen, und dem, was man weglassen muss. Dieser Film um eine „zeigefreudige“ junge Frau ist nicht das geworden, was viele vorhergesagt hatten, er ist alles andere als voyeuristisch. Dafür ein großes Kompliment. 
IDEAL FÜR: jene, die sich im Kino gern Versuchen aussetzen. Die wissen möchten, wie man ein scheinbar unverfilmbares Buch mit Anstand auf die Leinwand bringt. Nur bitte nicht enttäuscht sein, wenn der angekündigte Skandal ausbleibt.
FilmClicks Kritik. Man konnte es ruhig Angst nennen. Vorfreude wäre das falsche Wort. Jeder, der im tabulosen Buch von Charlotte Roche seit seinem Erscheinen 2008 geblättert hat, dürfte sich die Frage gestellt haben: „Wie soll daraus bitte ein Film werden?“.
 
Beim Erforschen des Körpers wird keine Öffnung ausgelassen. Körperflüssigkeiten spritzten mit einer Natürlichkeit umher, dass es einem den Atem verschlug. Nein, man musste dieses Buch nicht mögen. Ein mutiger Text war es auf jeden Fall. Aber die Reise der Helen (unglaublich gut gespielt von Carla Juri) zu sich selbst und in ihre Körperöffnungen als Film? Darauf hätten wohl viele gern verzichtet.
 
Sei‘s drum. Der Markt stellt die Gesetze auf und Erfolg schreit nach noch mehr Erfolg. Zum Glück wurde für die schwierige Aufgabe der Leinwand-Umsetzung mit David Wnendt jemand verpflichtet, der nicht allzu sehr an Oberflächen interessiert ist. Das war schon sehr gut bei seinem Neonazi-Drama „Kriegerin“ zu sehen. Auch da entdeckte er mit Alina Levshin eine junge Dame, die jetzt  - völlig zurecht -  Shooting Star genannt wird.
 
Wnendt besitzt eine seltene Gabe. Er nimmt uns mit und zeigt uns eine Welt, die wir eigentlich nicht sehen wollen, die uns aber trotzdem irgendwie interessiert. Er schaut natürlich auf die Dinge. Auf die Hakenkreuze und scheußlichen Gesten der Neoanazis genauso wie auf die Körper-Erkundungen der Helen. Aber schnell kommt es zu einem Punkt, an dem das Eklige oder Abschreckende nicht mehr abstoßend wirkt. Der Regisseur findet Wege, den Zuschauer zum Kern der Dinge mitzunehmen.
 
Bei „Feuchtgebiete“ ist es das Verlangen der Helen nach Geborgenheit und Wärme. Als Kind musste sie erleben, wie der Vater die Familie verließ, die Mutter daran beinahe daran zerbrochen wäre. Helen findet ihre Art, darauf zu reagieren. Sie ist angstfrei, wenn es um ihren Körper geht. Sie zeigt ihn ständig her. Aber eigentlich ist es ein Schrei nach Liebe. Sie sucht nach Geborgenheit. Das fängt Wnendt in tollen und sensiblen Bildern ein.

Und was ist mit all den Stellen, über die damals nach Erscheinen des Buches so intensiv diskutiert wurde? Ja, es gibt den Duschkopf und die Analfrisur, die schief geht. Es gibt eine Szene, die so frech inszeniert ist, dass man lachen muss. Vier Pornodarsteller wichsen auf eine große Pizza und dazu erklingt „An der schönen blauen Donau“ (eine sehr schöne Kubrick-Reminiszenz). All das und viel mehr gibt es. Man kann sich immer noch herrlich über die Bilder aufregen. Aber man sollte nicht vergessen, dass hier aus einem kompromisslosen Buch ein großer Film entstanden ist, der große Themen wie das Alleinsein und die Orientierungslosigkeit in der Jugend hervorragend behandelt. Der Rest ist Geschmackssache.
 





Trailer
Interview
„,Feuchtgebiete' ist ein sehr zärtlicher Film ohne jeden Skandal“
„Feuchtgebiete“: Der Roman von Charlotte Roche wurde 2008 zum Bestseller des Jahres. Jetzt kommt die drastische Story über weibliche Sexualität und Körperhygiene als Film heraus. Charlotte Roche spricht im FilmClicks-Interview über die Kinoversion ihres Buches. Mehr...
LÄNGE: 110 min
PRODUKTION: Deutschland 2013
KINOSTART Ö: 23.08.2013
REGIE:  David Wnendt
GENRE: Drama
ALTERSFREIGABE: ab 16


BESETZUNG
Carla Juri: Helen
Meret Becker: Helens Mutter
Edgar Selge: Dr. Notz
Axel Milberg: Helens Vater