Charlotte Roche

„,Feuchtgebiete' ist ein sehr zärtlicher Film ohne jeden Skandal“

Interview:  Peter Beddies


2008 war es das Buch, über das alle sprachen. Obwohl es nur die wenigsten ganz gelesen haben dürften: Charlotte Roche brachte ihren Roman „Feuchtgebiete“ heraus, der in sehr drastischer Wortwahl Sexualität und Körperhygiene thematisierte. Das Buch wurde mehr als eine Million Mal verkauft und machte seine Autorin zur reichen Frau. Nun ist aus „Feuchtgebiete“ ein Film geworden. Im FilmClicks-Interview mit Peter Beddies verrät Charlotte Roche, wie ihr der Film gefällt, welche Mühen der Reichtum birgt und welchem absonderlichen Hobby sie neuerdings nachgeht: „Ich repariere gern Toiletten“.


FilmClicks: Wie viel Angst hatten Sie, sich den Film anzusehen?
Charlotte Roche: Sehr, sehr viel Angst. Was zum großen Teil daran liegt, dass ich vier Jahre darauf warten musste, dass daraus ein Film wird. Immer mehr Leute haben mir in der Zwischenzeit gesagt: „Dieses Buch ist unverfilmbar, Charlotte“. Und dann denkt man: „Wirklich? Scheiße!“.
 
Wann haben Sie den Film gesehen?
Ich hatte vor ein paar Wochen meine eigene Kinovorstellung. Sowohl der Regisseur David Wnendt als auch der Produzent Peter Rommel hatten mich mit versteinerten Gesichtern empfangen. Das hatten die sich vorher so ausgemacht. Ich aber dachte: „Was soll ich hier, wenn die selbst ihren Film schlecht finden?“. Doch schon nach drei Minuten wusste ich, die haben so den Vogel abgeschossen. Das geht so geil los. Das kann nicht mehr schlecht werden.
 
Man kennt Sie als Frau der offenen Worte. Wenn Ihnen der Film nicht gefallen hätte...
...dann hätte ich das den Herren nicht sofort gesagt. Aber ich hätte nicht gelogen. Und außerdem säßen wir dann heute nicht hier.
 

Was hätte „Feuchtgebiete“ schlimmstenfalls werden können?
Ein Film, der auf Skandal setzt. Der voll vom Leder zieht. Und genau das ist der Film eben nicht geworden. Es ist ein streckenweise ruhiger und sehr zärtlicher Film geworden. Wenn jetzt jemand schreibt, das wäre der ekelhafte Skandalfilm des Jahres, dann kenne ich das sehr gut. Das ist bei meinen Büchern auch manchmal so. Das sind die Leute, die schreiben, ohne recherchiert zu haben.
 
Im Jahr 2008 hieß es, dieses Buch habe sehr viel geändert. Auf den Buchmärkten oder in der Art, wie wir über Sex reden. Was hat sich in Ihrem Leben verändert?
Alles. Es gibt in meinem Leben eine Zeit vor „Feuchtgebiete“ und eine Zeit danach. Die Art, wie Menschen mich sehen und mich behandeln, hat sich total verändert.

Haben Sie je herausgefunden, warum Sie so offenherzige Bücher schreiben?
Das Problem ist, das die Leute denken, dass ich schamlos bin. Aber ich bin besonders schamhaft. Ich schreibe, weil ich so erzogen wurde, dass viel peinlich ist. Und weil ich mich selber schäme für diese körperlichen Sachen. Das Schreiben hilft mir dabei, mich selbst zu befreien.
 
Wie schlimm ist es, dass Sie wahrscheinlich nie wieder so einen Erfolg haben werden?
Das ist in der Tat schlimm. Aber was hilft es? Ich werde später mal zurückschauen und sagen, dass ich mit 30 meinen größten Erfolg im Leben hatte. Es wäre irre zu hoffen, das noch toppen zu können. Also versuche ich, damit zu leben.
 
Kennen Sie Motivationsprobleme? Sie müssten nie wieder arbeiten.
Stimmt. Und das kann manchmal ein Problem sein. Viele Menschen müssen früh aufstehen, um Geld zu verdienen. Das muss ich nicht. Ich muss weder arbeiten noch kreativ sein. Mit „Feuchtgebiete“ habe ich so viel Geld verdient, dass ich nicht mehr arbeiten muss. Aber wenn man nicht arbeitet, geht es einem sehr schlecht, weil man sich die ganze Zeit mit sich selber beschäftigt.
 
Können Sie gut mit Geld umgehen?
Überhaupt nicht. Das ist auch eine Sache, wo meine Eltern total versagt haben. Früher, als ich kein Geld hatte, war ich massiv verschuldet und habe als VIVA-Moderatorin total viele Kredite aufgenommen. Und heute muss ich das Geld vor mir verstecken, damit es bleibt und auch meine Kinder noch etwas davon haben.

Wie und wo verstecken Sie es?
Es gibt für mich nur eine Variante - als Betongold.

Das heißt, Sie haben wo Wohnungen oder Häuser gekauft?
In Köln, damit ich meine Mieter auch gut betreuen kann.

Wie muss man sich das vorstellen?
Ich habe eine neue Leidenschaft entdeckt. Ich repariere gern Toiletten.
 
Das ist nicht Ihr Ernst?
Doch. Wenn mich jemand anruft und sagt, dass der Spülkasten kaputt ist und ein Handwerker ran muss, schaue ich lieber vorbei und versuche genau zu ergründen, wo der Fehler liegt. Wenn ich den dann habe, fahre ich zum Baumarkt und kaufe - zumeist für wenig Geld - ein Ersatzteil. Das ist momentan eine meiner Beschäftigungen, denen ich sehr gern nachgehe.
 
Und Ihre Mieter denken sicher die ganze Zeit, dass hinter allem die versteckte Kamera steht.
Nein nein, die haben sich schon daran gewöhnt, dass Frau Roche hin und wieder mal vorbeikommt.
 
 

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