DIE STORY: „Captain Fantastic“ heißt eigentlich Ben (Viggo Mortensen). Der überzeugte Aussteiger lebt mit seiner Familie mitten im Wald. Seine sechs Kinder werden von ihm dort persönlich jeden Tage unterrichtet und erzogen.
Als Bens depressive Frau sich das Leben nimmt, muss Ben mit seinen Kindern in die Zivilisation aufbrechen, um seiner Gattin den letzten Wunsch zu erfüllen. Eine wundersame Reise ins Ungewisse beginnt, bei der Jung und Alt bis zum Ende Überraschungen erleben und dazulernen.
DIE STARS: Einfach phantastisch, wie Viggo Mortensen („Der Herr der Ringe“) diesen Film auf seinen breiten Schultern trägt. Der Familienvater, der einmal die Entscheidung getroffen hat, dem Kommerz der kapitalistischen Welt zu entsagen und mitsamt Familie in die Wildnis zu ziehen, steht ihm extrem gut. Bei so einem Vater wäre man gern aufgewachsen.
An Mortensens Seite als Kinder glänzen junge Schauspieler wie George MacKay, Annalise Bassoa oder Shree Crooks. Und der fabelhafte Frank Langella („Frost/Nixon“) darf im letzten Drittel des Films als Bens extrem kritischer Schwiegervater sein ganzes schauspielerisches Können vorführen.
DIE KRITIK: Der Titel „Captain Fantastic“ mag so klingen wie ein weiteres Kapitel einer nicht enden wollenden Comic-Verfilmungs-Wüste. Aber mitten im öden Blockbuster-Überfluss-Sommer ist dies endlich mal ein richtiger Film mit echten Menschen. Mit Problemen, die weder mit Phasern noch mit Protonen-Kanonen gelöst werden. Ein herrlich geerdeter Film, eine großartige Geschichte noch dazu. Eine, von der man nie weiß, in welche Richtung sie als nächstes gehen könnte. Mit anderen Worten: Ein filmisches Kleinod, das einem ein wenig den Glauben an schlicht erzähltes, an geradliniges Kino ohne Special Effects wieder zurückgibt.
„Fantastic“-Regisseur Matt Ross (sein Debüt „28 Hotel Rooms“ schaffte es nicht in unsere Kinos) ist bisher weder als Schauspieler noch als Filmemacher besonders in Erscheinung getreten. Umso größer ist die Überraschung, wie versiert er hier von der Aussteiger-Familie erzählt, die ihr Glück in den Wäldern der USA nicht weiterleben darf/will.
Zu Beginn wirkt „Captain Fantastic“ ein wenig wie eine Fortsetzung von „Wo die wilden Kerlen wohnen“. Nur dass das Wilde-Kerle-Land dieses Mal nicht nur in der Phantasie eines Kindes existiert. Der Aussteiger Ben (Viggo Mortensen) hat es sich mitten in den Rocky Mountains erreichtet. Wovon viele Menschen hin und wieder träumen – Brücken abbrechen und weggehen von allem, was einen so sehr nervt – Ben hat es wahr gemacht. Mit seinen sechs Kindern und seiner Frau schuf er ein kleines Paradies.
Aus diesem Paradies wird die Familie eines Tages vertrieben. Bens Frau ist in der weit entfernten Stadt gestorben. Ihre Eltern wollen sie christlich bestatten lassen. Aber Ben (was in einer der wundervollsten Szenen der letzten Kinojahre mündet) hatte seiner Liebsten versprochen, ihrem Wunsch zu folgen, nicht in einem Sarg unter die Erde gelegt zu werden. Also bricht die ganze Bande auf. Todtraurig zwar, aber voller Elan. Denn es gilt die Devise: „Mutter retten!“
Auf der Reise zur Familie von Bens Frau ergeben sich hinreißende Momente voller Zivilisationskritik. Warum sind so viele Menschen so fett, fragen die sportgestählten Kinder. Cola haben sie nur als vergiftetes Wasser kennen gelernt. Wieso schauen alle Leute auf kleine elektronische Geräte? Warum weiß keiner etwas über die Natur? Und wieso feiert niemand in dieser fremden Welt den Noam-Chomsky-Tag?
Es krachen Welten aufeinander, wie es nun mal passieren muss, wenn man für Jahre in der Wildnis gelebt hat und nun als total Fremder wieder die Zivilisation betritt. Es gibt Zerwürfnisse zwischen den Aussteigern und der Familie, die nicht ausgespart werden. Jeder muss einsehen, dass man Kompromisse machen muss. Und es gibt diese Gänsehaut-Kino-Momente, in denen Viggo Mortensen zeigen darf, dass er zu den ganz Großen seines Fachs gehört.
IDEAL FÜR: Kinogänger, die Filme mit einem riesengroßen Herzen mögen. Und Geschichten, die neben viel Komik auch reichlich Tragik bieten – „Captain Fantastic“ geht direkt in die Seele!