DIE STORY: Das Musikdrama „Born To Be Blue“ porträtiert den weltberühmten Trompeter Chet Baker (1929 – 1988), der einst als „James Dean des Jazz“ gefeiert wurde, seine Karriere jedoch durch seine Drogensucht selbst schwer ramponierte.
Der Film konzentriert sich auf eine Phase im Leben Bakers im Jahr 1966. Zwölf Jahre zuvor, so erfährt man in einer brillanten Schwarz-Weiß-Einspielung, war der junge Trompeter bereits auf der Höhe seines Ruhms: Im legendären New Yorker Jazzclub „Birdland“ jubelten ihm die Fans zu; Stars (und Konkurrenten) wie Miles Davis und Dizzy Gillespie saßen im Auditorium.
Doch nun, 1966, ist von der einstigen Größe nichts mehr zu spüren. Chet Baker, bereits gezeichnet vom Heroin, liegt im Sinne des Wortes am Boden. Nur zu gern folgt er da dem Angebot, sich in einem Film über sein Leben selbst zu spielen. Und er beginnt einen Flirt mit seiner Filmpartnerin Jane (Carmen Ejogo).
Doch bevor die beiden noch zueinander finden können, ist der Hoffnungsschimmer schon wieder erloschen. Baker wird von Drogenhändlern, denen er Geld schuldet, schlimm zusammengeschlagen.
Er verliert dabei seine Vorderzähne (für einen Trompeter eine Katastrophe). Das Filmprojekt wird abgesagt. Jane allerdings entschließt sich, bei dem zärtlichen, genialischen und zugleich unberechenbaren Musiker zu bleiben.
In der Partnerschaft mit Jane findet Baker neuen Halt. Er wird clean. Er lernt das Trompetenspiel trotz des Zahn-Handicaps quasi von vorn. Er arbeitet sich langsam wieder an die Jazz-Weltklasse heran.
Der Lohn: Eine neue Einladung ins „Birdland“ nach New York. Wieder sitzen die Giganten Miles Davis und Dizzy Gillespie im Publikum. Chet Baker zerbricht fast am Lampenfieber. Soll er einfach hinausgehen und spielen? Oder wird er sich kreativer und leichter fühlen, wenn er erstmals seit langer Zeit wieder zum Heroin greift?
DIE STARS: Ethan Hawke, der Lieblings-Schauspieler von Richard Linklater, mit dem er Arthaus-Klassiker wie die Wiener Love Story „Before Sunrise“ oder das Zwölf-Jahre-Projekt „Boyhood“ drehte, zählt zu den vielseitigsten Darstellern des US-Kinos. „Born To Be Blue“ markiert einen neuen Höhepunkt in seiner Karriere. So sensibel, zerbrechlich und zugleich unzähmbar wie als Chet Baker sah man ihn noch nie.
Die Britin Carmen Ejogo machte sich durch ihre Rolle als Coretta Scott King im Bürgerrechts-Drama „Selma“ einen Namen. Derzeit ist sie auch in Ridley Scottes „Alien: Covenant“ zu sehen.
DIE KRITIK: Es beginnt mit dem Hit „Let’s Get Lost“ und es endet mit der Titelmelodie „Born To Be Blue“. Der Film über den Jazz-Star Chet Baker ist zunächst einmal eine begeisternde Musikstunde.
Regisseur Robert Budreau schafft es fast magisch, die Seele des Jazz für Auge und Ohr des Betrachters einzufangen. „Born To Be Blue“ ist eine große Liebeserklärung an den Jazz; diese wunderbare swingende Musik, die schon so oft totgesagt wurde, doch einfach nicht sterben mag.
Darüber hinaus liefert der Film spannungsgeladene Einblicke in die Musikszene der 1960er Jahre. Er erzählt eine Love Story voller Höhen und Tiefen. Und, vor allem, er kommt dem Menschen Chet Baker ungemein nahe, der nicht nur ein großer Musiker war, sondern auch ein Charmeur und ein Geschichtenerzähler – und ein Junkie, dem in seinen tiefen Momenten nichts und niemand helfen konnte.
Interessanterweise erreicht der Film diese Authentizität dadurch, dass er sich von seinem Objekt wegbewegt. „Born To Be Blue“ ist keine ausschließlich an Fakten orientierte Biografie. Die Story nimmt sich etliche Freiheiten. Die weibliche Hauptfigur der Jane zum Beispiel hat es nicht gegeben; sie wurde aus den Eigenschaften von einigen Frauen in Chet Bakers Leben komponiert. Ein mutiges Konzept, das komplett aufgeht.
Bleibt die Frage, warum ein begnadeter Musiker und Star wie Chet Baker die Droge Heroin brauchte, um auf der Bühne alles geben zu können. Baker stand damit nicht allein; Heroin war in der Jazzszene der Nachkriegs-Jahrzehnte weit verbreitet.
Die Frage nach dem Warum bleibt im Film freilich unbeantwortet. Der Wiener Jazz-Weltstar, Drogen-Verächter und Slibowitz-Liebhaber Joe Zawinul stellte aber einmal eine interessante These auf: „Es gab in New York damals Tausende arbeitslose Musiker. Der Konkurrenzkampf war erbarmungslos. Es gab für die Musiker Situationen, in denen sie unheimlich nervös waren, und Heroin hat ja eine sehr beruhigende Wirkung. Wenn jemand nervös ist, kann er überhaupt nichts leisten, das steht einem wie ein Felsen im Weg.“
IDEAL FÜR: Alle Jazz-Fans und jene, die es werden wollen. Und für alle Chet-Baker-Fans.