DIE STORY: Regie-As Tim Burton erzählt in „Big Eyes“ die wahre Geschichte eines millionenschweren Kunst-Betrugs in den Sechziger Jahren, der mit einem großen Ehedrama verbunden war.
Amy Adams spielt Margaret, eine junge Kalifornierin, die als Malerin nur ein Motiv kannte: Kinder mit großen, traurigen Augen - Big Eyes eben. Niemand wollte ihre naiven Porträts kaufen. Das änderte sich, als Margaret den Charmeur und Kunstliebhaber Walter Keane (Christoph Waltz) kennenlernte. Die beiden heirateten und er kümmerte sich um die Vermarktung ihrer Porträts.
Die „Big Eyes“-Bilder wurden zum weltweiten Erfolg. Als Originale, als Drucke und Postkarten. Allerdings: Walter Keane gab sich als Maler der Bilder aus – Margaret schaute mit großen, traurigen Augen zu. Bis ihre Ehe mit Keane, einem Jekyll & Hyde-Charakter, scheiterte. Beim Scheidungsprozess kam die Wahrheit ans Tageslicht.
DIE STARS: Der Kalifornier Tim Burton (zwei Oscar-Nominierungen) ist mit Meisterwerken wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Sweeney Todd“ oder „Alice im Wunderland“ einer der stilprägendsten Regisseure unserer Zeit.
Die in Italien geborene Amerikanerin Amy Adams (fünf Oscar-Nominierungen) beweist immer wieder gloriose Vielseitigkeit – mit Rollen zwischen naiven Märchen („Enchanted“), rauen Dramen („The Fighter“) und kecken Komödien („American Hustle“). Der Wiener Christoph Waltz (zwei Oscars) wurde dank Quentin Tarantino zum Hollywood-Star und kann sich seither seine Rollen aussuchen.
DIE KRITIK: „Die Fünfziger Jahre waren eine tolle Zeit - für Männer“, hört man zu Beginn von „Big Eyes“. Regisseur Tim Burton rückt das Nachkriegs-Kalifornien mit all seiner visuellen Meisterschaft ins Bild, und er umreißt das biedere Lebensgefühl dieser Zeit mit markanten kleinen Szenen.
„Ein Espresso? Was ist das? So etwas wie Marihuana?“ fragt da die unbedarfte Ehefrau Margaret (Amy Adams), als man ihr einen speziellen Kaffee anbietet. Genussmittel sind allerdings ihre geringste Sorge. Sie will sich von ihrem ersten Mann scheiden lassen (unerhört in jenen Tagen) und wird ihrerseits mit Fragen wie diesen konfrontiert wird: „Ist Ihr Mann einverstanden, dass sie arbeiten?“ Später wird ihr neuer Gemahl, Walter Keane (Christoph Waltz), feststellen: „Frauenkunst verkauft sich nicht.“
Was für ein Irrtum! „Big Eyes“ erzählt davon, dass Frauenkunst zum millionenschweren Massenphänomen werden kann - in diesem Fall, wenn sich ein Mann drum kümmert.
Denn hätte der geniale Verkäufer Keane nicht behauptet, er sei der Schöpfer der Kinderporträts mit den großen Augen, dann hätten die Bilder vermutlich nie das Atelier der scheuen Margaret verlassen.
So aber prägten die naiven bunten Blätter (die
New York Times: „Scheußlichkeiten von vollkommener Belanglosigkeit“) den Kunstmarkt. Andy Warhol erklärte später, der Erfolg von Walter Keane habe ihn auf die Idee gebracht, seine Arbeiten auch als Nachdrucke in Großauflage unters Volk zu bringen.
Worum geht’s also in der Kunst? Um das kreative Werk oder um seine kreative Vermarktung? Das ist eine Fragen, die der große Filmkünstler Tim Burton in „Big Eyes“ anreißt. Darüber hinaus ist der Film ein spannendes Psychodrama über das Lügen und eine große Liebe, die voll Heiterkeit beginnt und zur Tragödie wird.
Christoph Waltz spielt den zwiespältigen Walter Keane mit der von ihm gewohnten Mischung aus verführerischem Charme und gut verhüllter Bösartigkeit. Er porträtiert einen begnadeten Menschenfänger, der, frei von jeglichen Skrupeln, sinistre Ziele hinter seinem Dauerlächeln verbirgt. In den eigenen vier Wänden lässt sein Keane die freundliche Fassade aber gern einmal fallen. Wie er dann in der Sekunde zum monströsen Wüterich mutieren kann, ist eindrucksvoll.
Amy Adams, die für ihre Rolle den Golden Globe gewann, legt die Margaret als Mischung aus einer selbstständigen und einer unterwürfigen Frau an. Einerseits löst sie sich von ihrem ersten Mann und geht, mit ihrer kleinen Tochter an der Hand, ihren eigenen Weg. Andererseits akzeptiert sie aber, dass ihr zweiter Mann daheim das Sagen hat und sie nimmt sogar die ungeheuerliche Zumutung hin, dass dieser Mann den Ruhm genießt, der ihr zustehen würde. Während sie anonym im abgeschiedenen Atelier für Nachschub an neuen Bildern sorgt.
Doch irgendwann ist für Margaret das Maß voll, und so wird „Big Eyes“ im Finale zum Trennungsdrama, bei dem es nicht nur um die Scheiding von Tisch und Bett geht, sondern auch um die korrekte Zuschreibung der Bilder.
Unterm Strich ist „Big Eyes“ ein sehr ansehnlicher Film geworden, der gut unterhält, aber auch viel Anreize zur Diskussion bietet. Die echte Margaret Keane, bald 90 Jahre alt, malt übrigens bis heute. Auch wenn der Hype um ihre Porträts längst erloschen ist.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die sich für ein ungewöhnliches Drama über Liebe, Lüge und Kunst erwärmen können - umso mehr, wenn Tim Burton Regie führt und Amy Adams sowie Christoph Waltz die Hauptrollen spielen.