GESAMTEINDRUCK: „Beautiful Boy“ ist ein bewegendes Drama über einen Vater, der alles daransetzt, seinen drogenabhängigen Sohn vor dem Abgrund zu retten.
DIE STORY: Der Journalist David Sheff (Steve Carell) muss feststellen, dass sein Sohn Nic (Timothée Chalamet) komplett den Halt verloren hat. Der charmante junge Mann, der eigentlich Schriftsteller werden möchte, ist in der Drogenszene gelandet. Von Marijuana bis Crystal Meth – Nic verschmäht nichts. Der Vater bringt ihn in einer Reha-Klinik unter, aus der Nic freilich nach kurzer Zeit abhaut. Und er greift in der Folge zu einem noch härteren Stoff, zum Heroin. David Sheff tut alles, was er kann, für seinen Sohn, doch das scheint nie genug zu sein. Auf abstinente Phasen folgt irgendwann wieder ein Rückfall.
DIE STARS: Steve Carell ist ein führender Komödiant des US-Kinos. Doch er macht, wie jetzt in „Beautiful Boy“, immer wieder vielbeachtete Ausflüge ins ernste Fach – etwa mit Filmen wie „Foxcatcher“, für den er 2015 eine Oscar-Nominierung bekam.
Der 23-jährige New Yorker Timothée Chalamet zählt zu den rasanten Aufsteigern in Hollywood. Die Romanze „Call Me By Your Name“ brachte ihm 2018 eine Oscar-Nominierung ein.
Regisseur Felix Van Groeningen stammt aus dem belgischen Gent und hat sich auf schicksalsschwere Dramen spezialisiert. Seinen Durchbruch hatte er 2009 mit „Die Beschissenheit der Dinge“. Dann folgte 2012 die tragische Romanze „The Golden Circle“, die zum internationalen Arthaus-Hit wurde.
DIE KRITIK: Ein bemerkenswerter Zufall: Nach „Ben Is Back“ ist „Beautiful Boy“ schon der zweite Film innerhalb weniger Wochen, in dem Eltern ihre Söhne aus dem Drogensumpf ziehen wollen. Nach Julia Roberts, der Film-Mutter des süchtigen Ben, ist es nun Steve Carell, der für Film-Soh Nic alles tut, was in seiner Macht steht. Wenngleich er immer wieder an die Grenzen der eigenen Ohnmacht prallt.
Beide Filme entstanden in den USA; beide haben gemeinsam, dass sie sich dem brutalen Thema sehr direkt und ohne Sentimentalität nähern. „Beautiful Boy“ ist sogar noch eine Stufe härter als der Film mit Julia Roberts. Das mag daran liegen, dass hier mit Felix Van Groeningen ein Regisseur am Werk ist, der vom Realismus des europäischen Kinos geprägt wurde.
Ein besonderer Kunstgriff von „Beautiful Boy“ liegt darin, dass Hauptdarsteller Timothée Chalamet wirklich ein ausgeprägt fescher junger Mann ist. Sein Nic wirkt über weite Strecken nicht zerstört wie ein Junkie. Er schafft es immer wieder, mit strahlendem Charme die Abgründe zu verdecken, die in ihm wohnen. In geschickt montierten Rückblenden sieht man dann den hoffnungsvollen Jungen von einst, dessen stolzer Vater von einer großen Zukunft für den Sohn träumte.
Steve Carell legt den Vater David Sheff sehr geradlinig an. Als gut situierten und liberal denkenden Mann, der für seine Familie eine fast schon paradiesische kleine Welt aufgebaut hat. Mit seiner zweiten Frau Karen (Maura Tierney) ist er der Daddy von zwei weiteren kleinen Kindern. Dass der süchtige Nic erbarmungslos an der Fassade dieser Wohlfühl-Oase kratzt, macht ihn fertig. Doch mit grenzenloser Vaterliebe baut David ein enges emotionales Band zu seinem Problemsohn auf.
Seine Solidarität wird ihm allerdings nicht gedankt. Es gehört zu den beeindruckendsten und zugleich bedrückendsten Szenen von „Beautiful Boy“, mitanzusehen, wie der Vater immer wieder am Sohn scheitert. Denn auch wenn Nic nicht wie ein Junkie wirkt – er handelt wie einer: Er macht Versprechungen, die er nicht einhalten wird. Er lügt. Er dreht dem Vater jedes Argument im Mund um. Und, vor allem: Auch, wenn er den Entzug für eine Weile ausgehalten hat: Die Verlockung, mit dem nächsten Trip in die Drogenwelt zurückzukehren, ist stets übergroß.
So schreitet dieses düstere Drama unbarmherzig einem Tragödien-Finale entgegen – dem dann jedoch gottlob die Realität im Wege steht. Denn „Beautiful Boy“ erzählt eine wahre Geschichte. Der echte David Scheff hat über seine Erlebnisse ein Buch geschrieben. Der echte Nic auch.
Woraus folgt: Der Sohn konnte seine existenzielle Krise überwinden. Nic Sheff lebt, mittlerweile 36, nach eigenem Bekunden seit etlichen Jahren drogenfrei.
IDEAL FÜR: Filmfreunde, die ein hartes Drogendrama nicht scheuen.