DIE STORY: „Am Sonntag bist du tot“, erfährt der irische Priester James Lavelle (Brendan Gleeson), als er in der Dorfkirche die Beichte abnimmt. Ein anonymer Beichtling erzählt, er sei als Kind von einem katholischen Geistlichen regelmäßig missbraucht worden. Dafür wolle er sich nun rächen – durch die Ermordung eines anderen, unschuldigen Pfarrers, nämlich Vater Lavelle.
Der knorrige und hünenhafte Geistliche, der bis dahin glaubte, nichts Menschliches sei ihm fremd, steht vor einer verzwickten Aufgabe. Wegen des Beichtgeheimnisses kann er den Fall nicht der Polizei melden. Also muss er sich in der möglicherweise letzten Woche seines Lebens selbst auf die Suche nach dem Verdächtigen begeben. Zwar hat er eine Ahnung, wer der potenzielle Mörder sein könnte. Aber auf einmal sind alle im Dorf verdächtig.
Autor/Regisseur John Michael McDonagh („The Guard“) lässt die Zuschauer mitraten, wer im Ort Mordgelüste hegen könnte. Und noch eine zweite Frage sorgt für Spannung: Wird sich Pfarrer Lavelle der Situation stellen? Oder wird er diese Chronik eines angekündigten Todes einfach dadurch beenden, dass er vor dem Attentäter flüchtet?
DIE STARS: Brendan Gleeson, der 2008 für seine Rolle im Kult-Thriller „Brügge sehen… und sterben?“ eine Golden-Globe-Nominierung erhielt, zählt zu den besten und populärsten Schauspielern Irlands. Mit „Sonntag“-Regisseur John Michael McDonagh arbeitete Gleeson schon 2011 bei „The Guard“ zusammen. Für diesen Film wurde er ebenfalls für den Golden Globe nominiert.
Kelly Reilly („Beziehungsweise New York“) spielt Fiona, die Tochter des Pfarrers, der erst als Spätberufener zum Priester-Amt kam. Chris O’Dowd („Brautalarm“) macht sich allein schon dadurch verdächtig, dass er als Dorf-Metzger weiß, wie man mit Messern umgeht. Isaach de Bankolé, der erst Mathematik studierte, bevor er Schauspieler wurde, gewann in Jim-Jarmusch-Hits wie „Night On Earth“ oder „Ghost Dog“ große Popularität.
DIE KRITIK: Der „Whodunit“, der „Wer war’s“-Film, ist die beliebteste Form im Krimi-Genre. Regisseur John Michael McDonagh führt jetzt eine neue Kategorie ein: „Am Sonntag bist du tot“ ist ein „Wer könnte zum Mörder werden“-Thriller.
Der Film, Originaltitel: „Calvary“, will aber weit mehr sein als nur ein Krimi mit einer ungewöhnlichen Story. Die Geschichte zwischen dem Priester und seinem potenziellen Mörder berührt eines der Grundthemen Irlands, den Katholizismus. Das kleine Land bringt immer wieder große Filme heraus, die sich sehr kritisch mit der Rolle der Amtskirche beschäftigen. Zuletzt etwa das grandiose und erschütternde Kindsraub-Drama
„Philomena“ mit Judi Dench.
Auch in „Am Sonntag bist du tot“ steht eine Straftat eines Kirchenmannes am Beginn des Dramas: Der Missbrauch des Beichtenden durch einen Priester. Dass dafür nun ein Unbeteiligter büßen soll, geht freilich gar nicht. Also liegen die Sympathien des Zuschauers von Beginn an bei Pfarrer Lavelle, den Brendan Gleeson mit raumfüllender, herber Grandezza als liberalen und herzlichen Gottesmann porträtiert.
Der Zweifel, die Sorge und die Angst kommen dann als weitere Charaktereigenschaften hinzu. Gleeson/Lavelle legt sich mit einem anderen Kirchenmann an. Er erörtert seinen Fall mit einem Bischof, ohne auf eine Lösung für das Dilemma zu kommen. Und beim Zug durch die Gemeinde wird sein Blick immer kritischer. Zwar pflegen die Dorfbewohner nach irischer Art ein Nahverhältnis zur Kirche, doch hinter frommen Fassaden verstecken sich Betrug, Gier und Ehebruch.
So stehen in diesem klugen, spannenden Film christliche Moral und christliche Doppelmoral im Scheinwerferlicht. Auf der einen Seite agiert der gute Mensch Lavalle, der Gutes tun will – auf der anderen Seite die Amtskirche und ihre Schäfchen, die auch schwere Verbrechen zu decken bereit sind, wenn der schöne Schein gewahrt bleibt. Für mindestens eine Figur des Spiels ist das zu viel: Irgendwann brennt die Dorfkirche, in der Vater Lavelle sonst zur Messe ruft.
Wird sich Lavelle seinem Attentäter stellen oder das Weite suchen? Wird der potenzielle Mörder gar zur Besinnung kommen und von seinem Plan ablassen? Die Spannung bleibt – trotz kleiner Durchhänger im Mittelteil - bis zum Finale des Films ungebrochen. Ein starkes Stück Kino, das zum Nachdenken und Debattieren anregt.
IDEAL FÜR: Zeitgenossen, die es interessant finden, die Doppelzüngigkeit der katholischen Amtskirche in Form eines fesselnden Thrillers vorgeführt zu bekommen.