Sturm. „Auf diesen Film habe ich mich seit meiner Kindheit vorbereitet“, witzelte „Everest“-Regisseur Baltasar Kormákur in Venedig. „Auf meinem Schulweg in Island marschierte ich oft durch schwere Blizzards, die mich fast von der Straße geweht hätten.“
„Everest“ behandelt eine Berg-Katastrophe, die 1996 Schlagzeilen machte. Damals gab’s am Mount Everest eine Art Mini-Massentourismus. Betuchte Kletterer legten Zehntausende Dollar ab, um sich von erfahrenen Bergführern wie Scott Fischer (im Film gespielt von Jake Gyllenhaal) oder Rob Hall (Jason Clarke) auf den Gipfel lotsen zu lassen.
Schon beim Aufstieg ging im Mai 1996 einiges schief, weil nicht alle Sicherungsseile rechtzeitig gespannt worden waren. Das bedeutete Zeitverlust. Anschließend überzogen einige Kletterer die 14-Uhr-Deadline, zu welcher der Abstieg spätestens beginnen musste, um nicht in die Dunkelheit geraten. Und schließlich zog ein gigantischer Blizzard auf, der den Bergsteigern den Rest gab. Als sich der Sturm verzogen hatte, waren acht der Abenteurer tot.
„Everest“ schildert die wahre Geschichte im Stil eines klassischen Katastrophenfilms. Erst werden, zwangsläufig etwas langatmig, die vielen Figuren vorgestellt. Dann geht’s bergwärts. Wo man mit jedem Höhenmeter und jedem Windhauch mitverfolgen kann, wie eine gutgelaunte Expedition zur tödlichen Falle wird.
Eisig. Regisseur Baltasar Kormákur inszeniert die Klettertour mit viel Gespür für realistische Spannung. Großes Mitgefühl mit den Bergsteigern löst das eisige Drama allerdings nicht unbedingt aus. Das mag damit zusammenhängen, dass man als Zuschauer ja weiß, dass alle Teilnehmer aus Abenteuerlust und auf eigenes Risiko handelten. Selbst eine herzzerreißende und verbürgte Szene wie jene, in welcher der todgeweihte Bergführer Rob Hall per Satellitentelefon von seiner schwangeren Frau (in einer Nebenrolle: Keira Knightley) Abschied nimmt, bleibt seltsam distanziert.
Neben den Stars aus Hollywood spielt natürlich auch ein Star aus Asien eine Hauptrolle: Der Mount Everest selbst. Sein Gipfel kommt oft ins Bild: Mal berauschend schön, mal bedrohlich. Die meisten Kletter-Szenen entstanden allerdings Tausende Kilometer weit entfernt vom Himalaya: Auf dem Hochjochferner im Südtiroler Schnalstal, nahe der österreichischen Grenze.
„Everest“ komplett am Everest zu drehen, wäre zu viel der Belastung gewesen, erzählte Regisseur Kormákur in Venedig: „Natürlich haben wir in Kathmandu begonnen, und dann marschierten wir in Nepal von einem der gefährlichsten Flugplätze der Welt zu einem Basislager. Doch da wurden etliche Leute in der Höhenluft krank. Wir mussten sie mit dem Helikopter ausfliegen lassen."
Hochjochferner. Auch die Szenen am Hochjochferner wurden aber abenteuerlich genug. Kormákur wollte lieber echte Aufnahmen als solche aus dem Trick-Computer: „Je mehr Realität du abbildest, desto mehr Realität bekommst du. Aber es gab eine Menge gefährliche Momente. Auch für unser zweites Team, das mit großen Lawinen konfrontiert wurde.“ Die sind auf der Leinwand übrigens schaurig-prächtig anzuschauen.
Für die Stars bedeutete der Set einen Abschied vom gewohnten Studio-Komfort. Fünf Wochen lang wurde im eisigen Winter 2014 im Schnalstal gedreht. Josh Brolin, der einen der überlebenden Bergsteiger spielt: „Natürlich simulieren wir dieses Abenteuer nur, wir sind nicht selbst geklettert. Aber wir haben uns bemüht, so viel Angst und so viel Unbehagen zu simulieren, wie es nur möglich ist.“