Nymphomaniac
„,Krieg und Frieden‘ - vermischt mit Pornographie“
28.12.2013
von
Peter Beddies
Lars von Triers kunstvoller Sexfilm „Nymphomaniac“ hat das Zeug dazu, eines der meistdiskutierten Kino-Ereignisse des Jahres 2014 zu werden. Er habe „endloses Gerede über das Wesen der Welt“ im Sinn, verbunden mit „viel Sex, beim dem nichts versteckt wird“: So erklärte der exzentrische Regisseur seine Absichten. Ob das eine publikumstaugliche Mischung ist, wird man bald wissen. Die Berlinale zeigte im Februar die Langfassung des ersten Teils. Am 20. Februar läuft „Nymphomaniac - Teil 1“ im Kino an. In ausgewählten Kinos gibt es an diesem Tag Doppelvorstellungen mit „Teil 2“. Der ist regulär dann ab 3. April zu sehen.
Rückblick. Damals vor langer, langer Zeit - so erscheint es heute, dabei sind noch nicht einmal drei Jahre ins Land gegangen. Damals jedenfalls, als Lars von Trier noch mit Journalisten sprach und doch schon wusste, dass er lange Zeit nichts mehr sagen würde, da hatte er bereits genaue Vorstellungen davon, wie „Nymphomaniac“, sein nächster Film, aussehen sollte.
In einem seiner letzten Interviews beim Festival Cannes 2011 sagte er: „Der Film soll ,Krieg und Frieden‘ mit Pornographie mischen. Endloses Gerede über das Wesen der Welt und dann viel Sex, beim dem nichts versteckt wird“. Und auch zu den Gründen für den Film äußerte er sich dezidiert: „Ich will verstören. Beiden Gruppen das verweigern, was sie sehen wollen. Porno gibt es erst, wenn man sich die Dialoge angehört hat. Und wer eher auf die Gedanken steht, muss auch die Pornografie in Kauf nehmen“.
Story. Die Geschichte ist simpel: Der alte Seligman (gespielt von Stellan Skarsgard) findet in einem Hinterhof die schwer verletzte Joe (Charlotte Gainsbourg) und bietet ihr an, sie mit einer Tasse Tee zu unterstützen (Hilfe von Polizei und Krankenwagen lehnt sie ab). In seiner kleinen Wohnung angekommen, berichtet sie ihm - erst widerwillig, dann begeistert – in mehreren Kapiteln aus ihrem Leben.
Wie sie entdeckte, dass sie sexsüchtig ist, welche Freuden und Leiden das mit sich brachte und bringt. Immer wieder kehrt die Geschichte in das Zimmer zurück und die beiden machen das, was von Trier schon ankündigte. Es wird sehr anhaltend über Religion und Moral, Schicksal und Verbrechen, Edgar Allen Poe und Johann Sebastian Bach gesprochen.
Sehr schnell wird das klar, was sowohl Skarsgard als auch Gainsbourg bei den Interviews in Kopenhagen bestätigten: „Lars ist ich und ich bin Lars“. All das, was den genialen und doch innerlich so tief zerrissenen Filmemacher in den letzten Jahren umgetrieben hat, findet Eingang in den Film.
Meinungsfreiheit. Dazu gehört auch ein Dialog zur Rede- und Meinungsfreiheit. Darin reflektiert von Trier, ohne darauf konkret einzugehen, die Geschehnisse vom Mai 2011 in Cannes. Als ihm bei der Pressekonferenz zu „Melancholia“ sein eigener Drang, die Pressemeute unterhalten zu wollen, so verhängnisvoll zum Schicksal wurde: „Ich bin ein Nazi“, plauderte der exzentrische Däne ohne Not (und wohl auch, ohne das ernst zu meinen) dahin. Zwei Tage später wurde er vom Festival zur unerwünschten Person erklärt.
Auf dieser Pressekonferenz hatte von Trier „Nymphomaniac“ zum ersten Mal angekündigt. Viele hielten es damals für einen Scherz, erinnert sich Charlotte Gainsbourg: „Ich bekam ein paar Wochen später von ihm einen Anruf, ob ich denn dabei wäre. Da er schon einen Korb von Kirsten Dunst bekommen hatte, wollte ich ihm nicht auch noch einen geben.“
Sex. Frau Gainsbourg wird nach diesem Film ziemlich viel zu erklären haben, denn man sieht, wie sie im zweiten Teil (im ersten Teil wird sie als junge Joe von Stacy Martin gespielt) ständig Sex hat, wie sie sich auspeitschen lässt und vielerlei Dinge mehr: „Es gibt noch mehr Sachen, die teilweise drastisch aussehen. Aber ich kann nur sagen, dass am Computer sagenhafte Sachen möglich sind. Alle Sexszenen wurden von einer Pornodarstellerin gespielt. Aber wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich auch sagen, dass ich in diesem Film zum Beispiel Sex mit zwei schwarzen Männern habe, gleichzeitig.“
Bliebe noch zu klären, was es mit den Varianten des Films auf sich hat. Lars von Trier, so seine Produzentin, Louise Vesth vor ein paar Tagen in Kopenhagen, merkte im Sommer 2012, dass er doch mehr zu sagen haben würde, als in einen Film passt: „Lars war mittlerweile bei einer Filmdauer von mehr als fünf Stunden angelangt. Er macht ja immer lange Filme, aber das wäre zu lang gewesen. Also haben wir uns entschlossen, den Film in zwei Teilen heraus zu bringen. Aber dann meldeten sich etliche Verleiher und meinten, ob man nicht eine entschärfte Variante anbieten könnte“.
Versionen. An der Stelle stieg Lars von Trier nach Aussage von Louise Vesth aus und legte seine Fassung vor, die um die fünfeinhalb Stunden lang sein soll. In den kommenden Monaten kommt erst einmal die von seinem Team (ohne seine Mithilfe) um fast 90 Minuten gekürzte Version in die Kinos.