Filmfest Venedig 2017

Helle Begeisterung über einen Thriller voller Melancholie, Witz und Action

04.09.2017
von  Gunther Baumann
Frances McDormand im Thriller „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ © 2017 20th CenturyFox
Der Titel ist sperrig, doch der Film explodiert nur so vor Melancholie, Witz und greller Action. Das Thriller-Drama „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ versetzte am 4. September das Filmfest Venedig in kollektive Ekstase. Der irische Star-Dramatiker und Filmemacher Martin McDonagh („Brügge sehen… und sterben?“)  entfaltet auf der Leinwand eine wilde Mörderjagd. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ startet Ende Januar bei uns im Kino. Zuvor läuft der Film bei der Viennale (19. 10. – 2. 11.), die sich die Wien-Premiere längst gesichert hat.
Der Plot. „Mein Film handelt von einer zornigen Mutter, die keine Gefangenen macht“, sagt Regisseur Martin McDonagh.  Die Mutter heißt Mildred, sie wird verkörpert durch Oscar-Preisträgerin Frances McDormand, und ihr ist das schlimmste passiert, was einer Mutter widerfahren kann. Ihre Teenager-Tochter wurde vergewaltigt und anschließend ermordet.
 
Wenn „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ beginnt, sind sieben Monate seit der Tat vergangen. Die Polizei hat zwar ermittelt, aber keine Ahnung, wer der Täter sein könnte.  Da wird es der trauernden und resoluten Mildred zu bunt. Sie mietet drei große Plakattafeln am Ortsrand, die sie mit einer Attacke gegen die Cops bekleben lässt: „Noch immer keine Festnahmen? Wie kann das sein, Chief Willoughby?“   


 
Affront. Die Plakataktion löst im verschlafenen Provinznest Ebbing helle Aufregung aus: Man habe zwar Mitleid  mit Mildred, aber so ein Affront gehe denn doch zu weit. Der einzige, der voll Gelassenheit auf die Plakate blickt, ist der angesprochene Chief Willoughby  (Woody Harrelson) selbst.
 
Der Vater zweier Töchter hat Verständnis für den Gram der Frau. Aber der Fall sei nun mal eine jener Ermittlungen gewesen, bei denen sich alle Spuren in Luft auflösen. Und weil er glaubt, dass Mildred auch nach den Plakaten keine Ruhe geben wird, wähnt er sich von nun an mit der Frau im Krieg.

Kontrahenten,die einander achten: Woody Harrelson und Frances McDormand © Centfox

Bald fliegen nicht nur die (stets brillanten und schwarzhumorigen) Pointen, sondern auch die Fäuste. Es gibt eine sehr bohrende Szene bei einem Zahnarzt, einen Fenstersturz und eine brennende Polizeistation. Nur der Mörder von Mildreds Tochter scheint weiterhin wie vom Erdboden verschluckt.
 
Humanität. „Ich habe einen Film geschrieben, der mit Zorn, Zerstörung und Liebe beginnt – und der mit Hoffnung und Liebe endet“, erläuterte Martin McDonagh in Venedig sein Werk. „Mildred ist eine Heldin und Antiheldin zugleich. Auch der Polizist hat von seinem Standpunkt aus durchaus Recht. Mir geht es beim Schreiben darum, das Humane in allen Figuren zu finden.“
 
„Three Billboards“ lebt nicht nur von seinem meisterhaften Drehbuch, sondern auch von den brillanten Darstellern. Woody Harrelson etwa ist zum Niederknien gut als smarter, cooler und zugleich liebevoller Polizeikommandant, der auch ein tragisches Geheimnis in sich trägt. „Komödie entsteht aus dramatischen Situationen“, kommentierte Harrelson im Pressegespräch. „Wenn das Drama nicht gut ist,  ist es schwer, die Komödie zu finden“. In diesem Film funktioniert beides perfekt.
 
Harrelson über das Spiel mit Frances McDormand: „Wenn man mit ihr in den Ring steigt, trifft man auf jemanden, der hart zuschlagen kann.“ Letzteres ist irgendwie kein Wunder, wenn man hört, wen sich McDormand für ihre Rolle zum Vorbild nahm: „Ich  fand keine weiblichen  Figuren, an denen ich mich orientieren konnte. Nur Männer, und da besonders John Wayne. Ich versuchte, in seinen Fußspuren zu wandeln. Er hatte Schuhgröße 45.“
 
Fargo. Eine Frauenrolle gibt es aber doch, zu der Frances McDormand als Mildred Parallelen fand. Jene der schwangeren Polizistin Marge Gunderson im Kultfilm „Fargo“, für den sie, genauso wie ihr Ehemann und Regisseur Joel Coen, den Oscar gewann. McDormand: „Marge wird mich bis ins Grab begleiten. Mildred, die ich jetzt spiele, ist eine erwachsene Ausgabe von Marge.“