„Da“ – dieses kleine Wort mit den zwei Buchstaben ist in den nächsten Minuten, ja fast Stunden das Entscheidende. Ein klitzekleiner Ausdruck von Freude, ein freudig erregtes Aufstöhnen einer Pinienzapfendame und – genau – meine Stimme. In den Synchronstudios der FFS, der „Film- & Fernsehsynchron GmbH“ in Berlin wird der Film „Epic“ synchronisiert – und was Amanda Seyfried und Co. können, kann ich schon lange. Das Studio im Herzen von Westberlin ist ein absolutes High-Tech-Arsenal. Hier wurde schon „Der Hobbit“ auf Deutsch vertont, Ben Afflecks Oscargewinner „Argo“ und Ang Lees „Life of Pi“. Im Atelier nebenan arbeitet gerade Bettina Weiß, Synchronstimme von Sandra Bullock.
Ich stehe nun also mutterseelenallein in einem akustisch perfekt klingenden Raum. Vor mir ein vom TÜV und vor allem von Disney geprüftes Pult für die Drehbuchseiten, zwei Mikrofone und an der Wand ein überdimensional großer Fernseher. Auf den werden die zu synchronisierenden Filmausschnitte gespielt. Unterteilt in einzelne Takes, selten länger als 20 oder 30 Sekunden. Synchronisieren ist eine ganz schön einsame Arbeit, denn jeder Sprecher spricht seinen Text alleine ein. Erst hinterher in der Mischung werden alle Rollen zu einem großen Ganzen zusammengefügt.
Hinter einer Glasscheibe sitzt der Synchronregisseur Axel Malzacher, von Hause aus auch Schauspieler, Dialogbuchschreiber und Synchronstimme – unter anderem von Brad Pitt in „Interview mit einem Vampir“. Er spricht mit mir über Kopfhörer. Brad Pitt im Ohr – wie soll man sich da bitte konzentrieren!
Mein Filmauftritt dauert nicht länger als ein paar Millisekunden. Ungefähr bei Filmminute 20, als die Königin Tara – im englischen Original gesprochen von keiner geringeren als Beyoncé - ihren Landeanflug zur Nachfolgerinnenwahl ansetzt, jubele ich ihr als Pinienzapfendame entgegen. Ein kleiner Moment, den man im Film verpasst, wenn man gerade in den Popcorneimer greift oder auch nur blinzelt. Egal. „Da“-Sagen will gelernt sein, das merke ich schnell.
Zuerst gucken Axel und ich uns den Filmausschnitt auf Englisch an. Für ein besseres Gefühl für meinen Einsatz. Dann einmal ohne Ton. Vor dem eigentlichen Ausschnitt – der noch ziemlich verpixelt aussieht – läuft ein Countdown: Vier, Drei, Zwei und Go. Was an den Start eines Formel-Eins-Rennens erinnert, ist auch mein Signal. Nach der Zwei kommt normalerweise die Eins. Aber nicht hier. Denn wenn die Eins eigentlich kommen sollte, kommt schon der Filmausschnitt und ich muss mein euphorisches „Da“ von mir geben. Und das lippensynchron.
Weil meine Pinienzapfendame dezent im Hintergrund steht, kann ich die Lippen natürlich nicht erkennen und hauche zuerst ein unbestimmtes „Da“ Richtung Mikro. Viel zu spät natürlich. Viel zu leise und viel zu emotionslos. Über Kopfhörer beschwert sich Axel Malzacher und gibt in einem Synchronkauderwelsch Anweisungen.
Ein zweiter, dritter und vierter Versuch. Für mich unterscheiden sich die „Da's“ nicht wirklich, aber nach drei Wiederholungen und Anweisungen über Kopfhörer á la „Hände aus den Hosentaschen, Körperspannung aufbauen, ruhig mit den Händen fuchteln. Nicht nur die Stimmbänder müssen schwingen, der ganze Körper“ ist Axel zufrieden, mein Take ist im Kasten, die Pinienkerndame hat eine Stimme. Und zwar meine. Im Kino habe ich meinen eigenen Einsatz übrigens verpasst. Meine 3D-Brille war runtergerutscht. Als sie wieder saß, war meine Szene schon vorbei. Künstlerpech.