Lillian
Genre: Drama/Roadmovie
Regie: Andreas Horvath (Österreich)
Stars: Patrycja Planik
Cannes-Premiere: In der Reihe Quinzaine des Réalisateurs
Es gibt Ideen, die klingen so verrückt, dass sie nur vom Leben selbst erdacht sein können. Zum Beispiel: Einmal von New York nach Alaska laufen, um so nach Russland zu kommen. 1926 oder 1927 hat das eine Frau namens Lillian Alling gemacht. Sie war vermutlich Russin, sprach kein Wort Englisch und hatte kein Geld. Diese Lillian heute reisen zu lassen, hatte der Salzburger Filmemacher Andreas Horvath schon seit 15 Jahren vor. Nun konnte er, er mit der Künstlerin Patrycja Planik (der man sehr gern zuschaut) in der Hauptrolle, dieses Vorhaben umsetzen.
Sein Film „Lillian“ erzählt von einer jungen Russin, deren Träume gescheitert sind, in Amerika Karriere zu machen. Ihr Visum ist schon lange abgelaufen, Geld ist keines mehr da. Selbst ein Porno-Produzent lehnt es ab, sie für sich arbeiten zu lassen. Aber er gibt ihr mit auf den Weg, es doch in Russland zu versuchen. Da wäre momentan das Geld zu Hause.
Also läuft Lillian erst einmal los von New York. Als sie in einem verlassenen Haus übernachtet, entdeckt sie eine Karte der USA und stellt fest, dass Amerika ja an Russland grenzt. Wie weit kann das schon sein?
Es schimmern etliche Vorbilder angenehm bei Horvaths Film durch. Man muss an David Lynch und seinen Rasentraktor-Film „The Straight Story“ denken. Oder an die Werke von Ulrich Seidl, der hier Produzent ist.
Andreas Horvath geht es nicht so sehr um die Geschichte. Er zeigt mit „Lillian“ ein Porträt der USA, das man als Tourist nicht zu Gesicht bekommt. Ein erschreckend normales, oft hässliches. Die Titelheldin Lillian bewegt sich wie ein Geist durch die ländlichen Gebiete der USA. Und wir können - was selten im Kino passiert - einfach mal zuschauen, ohne uns mit der Frage zu beschäftigen, was als nächstes passiert.
Kinostart: in Österreich am 6. September 2019
Publikums-Chancen: genau das Richtige für ein geduldiges Publikum
Gesamteindruck: „Lillian“ ist ein faszinierend langsames Road Movie, bei dem man die USA sieht wie noch nie
The Lighthouse
Genre: Grusel-Drama
Regie: Robert Eggers (USA)
Stars: Willem Dafoe, Robert Pattinson
Cannes-Premiere: In der Reihe Quinzaine des Réalisateurs
Wenn Menschen in Cannes bereit sind, sich bis zu drei Stunden anzustellen, um einen bestimmten Film zu sehen, obwohl das Angebot riesengroß ist und man in der gleichen Zeit viele andere sehen könnte – dann eilt diesem Film schon mal ein Ruf voraus. Zum Beispiel jener, der beste Film des Festivals zu sein. Auch wenn er nicht im prestigeträchtigen Wettbewerb um die Goldene Palme läuft.
Nun, „The Lighthouse“ mag nicht der beste Film des Jahrgangs sein, aber er ist der mit Abstand verstörendste. Der Regisseur Robert Eggers, schon für sein Regiedebüt „The Witch“ gefeiert, liebt das gute, alte Gruselkino. Im Fall von „The Lighthouse“ natürlich in Schwarz-Weiß und nicht auf den billigen Effekt bedacht. Auch das Format überrascht und überzeugt. Denn Eggerts hat in einem fast quadratischen Format gedreht. Das gibt den Bildern von einer steinigen Insel ohne Bäume eine Enge, die man selten im Kino zu sehen bekommt.
Auf der Insel sollen vier Wochen lang Willem Dafoe und Robert Pattinson, die hier herrlich harmonieren, als Leuchtturmwärter Dienst tun. Dafoe spielt den alten herrschsüchtigen Seebären, der immerzu von früher erzählt, während draußen die Gischt meterhoch um den Turm tobt. Pattinson darf den jungen Spund geben, der aber nach und nach aufbegehrt. Als nach den vier Wochen ein Sturm aufzieht, müssen die beiden länger bleiben. Die Nahrung wird knapp. Und langsam schleicht sich der Wahnsinn in ihr Leben.
Für all jene, die den schnellen Schrecken suchen, ist dieser Film nicht das Richtige. Denn Eggers feiert hier seine Kinogötter. Die vor allem Andrej Tarkowski und Bela Tarr heißen. Das heißt, es wird in aller Ruhe ein Netz gesponnen. Der Horror deutet sich meist nur an. Und ist doch allgegenwärtig. „The Lighthouse“ ist ein Film über das, was noch bleibt, wenn man sich selbst verliert.
Kinostart: voraussichtlich Ende 2019
Publikums-Chancen: könnte ein kleiner Hit werden
Gesamteindruck: „The Lighthouse“ ist
die Überraschung von Cannes. Verstörend, rauschhaft schön und sich angenehm im Kopf verhakend
The Bears`Famous Invasion
Genre: Trickfilm
Regie: Lorenzo Mattotti (Italien)
Stars: -
Cannes-Premiere: In der Reihe Un Certain Regard
Der Animationsfilm „The Bears` Famous Invasion“ (in der Kinderbuchvorlage noch mit dem Zusatz „in Sicily“ versehen) hat einen großen Vorteil, der aber auch zugleich Nachteil ist. Er sieht überhaupt nicht so aus, wie wir das aus Studios wie Pixar, Disney oder Lanka kennen. Landschaften gleichen hier geometrischen Figuren. Die Charaktere sind nicht aufs Genaueste gezeichnet. Man staunt im ersten Moment und wundert sich. Aber wenn die zauberhafte Geschichte einsetzt, überwiegt das Staunen.
Regisseur Lorenzo Mattotti erzählt von einer mystischen Begebenheit, die vor langer Zeit stattgefunden haben muss - zumindest in der Märchenwelt dieser Geschichte. Tonio, der Junge des Bärenkönigs, wurde von Menschen gekidnappt. Nach einiger Überlegung und Beratung – hier können Bären natürlich noch sprechen – beschließen die Vierbeiner, nach Sizilien, das vor ihrer Tür liegt, einzufallen. Dort treffen sie auf herrschsüchtige Despoten, auf ihre Urahnen und einen hinterhältigen Magier. Und sie müssen damit umzugehen lernen, wie die Menschen zu leben und sich deren Unarten wie Niedertracht und Machtwille anzueignen.
„The Bears`Famous Invasion“ hat eine sehr schöne Rahmenhandlung. Ein reisender Unterhaltungskünstler stößt in einer kalten Winternacht in einer Höhle auf einen Bären und erzählt dem, um nicht gefressen zu werden, gemeinsam mit seiner Tochter von der Invasion. Wobei der Bär erst geduldig zuhört. Und dann die Version der Geschichte aus Bärensicht zum Besten gibt. Eine schöne kleine Trickfilm-Perle, der es zu wünschen wäre, dass sich ein Verleih dafür findet.
Kinostart: Noch kein Termin
Publikums-Chancen: passabel
Gesamteindruck: „ The Bears` Famous Invasion“ ist schönes - etwas anderes - Animationskino für die ganze Familie.