Festival Cannes 2017

„Top Of The Lake“: Das Filmfest verbeugte sich vor einer TV-Serie

30.05.2017
von  Peter Beddies
Elisabeth Moss spielt in „Top Of The Lake: China Girl“ wieder die Ermittlerin Robin Griffin © Festival Cannes
Ein Nachtrag zu Cannes. Am Rande des Festivals wurde Jane Campions „Top Of The Lake: China Girl“ gezeigt – kein Kinofilm, sondern die zweite Staffel einer international gepriesenen Fernsehserie. Auch David Lynch kam nach Cannes, um die neuen Folgen seiner Kultserie „Twin Peaks“ zu zeigen. Die Ankunft von TV-Formaten markiert einen Stilwandel in Cannes, das sich stets als Forum für die besten Kinofilme der Welt verstand. Auch im Wettbewerb klopfte das Fernsehen schon an. Wie berichtet, gab es Diskussionen um die Netflix-Filme „Okja“ und „The Meyerowitz Stories“, die nie im Kino zu sehen sein werden. Die Jury hielt sich dann an das Wort ihres Vorsitzenden Pedro Almodóvar, den Netflix-Filmen keine Preise zu geben. Doch zurück zu „Top Of The Lake“: Wir haben einen ersten Blick auf die Serie geworfen, die ab Herbst 2017 ausgestrahlt werden soll, und sprachen mit Hauptdarstellerin Elisabeth Moss.   


TV-Ereignis.
„Top Of The Lake“ war vor vier Jahren eines der TV-Ereignisse schlechthin. Die Ermittlerin Robin Griffin musste in der malerischen Landschaft Neuseelands einen Fall um einen kriminellen Pädophilenring aufklären. Hauptdarstellerin Elisabeth Moss erinnert sich noch gut daran: „Ich hatte zuvor ja schon TV-Erfahrungen mit ,Mad Men‘ gemacht“, erzählte sie im Interview mit Filmclicks in Cannes. „Das war schon eine große und auf mehrere Staffeln angelegte Serie. Aber ,Top of the Lake‘ war nochmal etwas ganz anderes.“
 
Die erste Staffel definierte den Begriff der Miniserie neu. Hier ging es nicht darum, in jeder Folge Spannung zu erzeugen und diese per Cliffhanger-Finale in die nächste Folge zu retten. Elisabeth Moss: „Die Serie war anders angelegt. Wie in einem herrlich dicken Schmöker wurden verschiedene Handlungsstränge begonnen, die sich mal entfernten und dann wieder annäherten.“
 
Dieses Prinzip hat Regisseurin Jane Campion („Das Piano“) in der zweiten Staffel beibehalten. Das titelgebende „China Girl“ ist ein Opfer – man sieht gleich in der ersten Szene, wie es, in einem Koffer verpackt, von einer Klippe ins Meer geworfen wird.
 
Dann wird über knapp 60 Minuten ausführlich das Personal vorgestellt. Voran die Hauptfigur Robin Griffin (Elisabeth Moss), die von Neuseeland ins australische Sydney zurückkehrt. Und die dort ihre Tochter kennenlernen möchte, die sie einst zur Adoption freigab.

Hollywood-Star mit grauem Kräuselhaar: Nicole Kidman © Festival Cannes

Die Tochter wiederum lebt mittlerweile im Haushalt von Julia (Nicole Kidman ist hinreißend mit grauem Kräuselhaar).  Julia wiederum hat gerade ihr lesbisches Coming Out gehabt und zieht zu ihrer Freundin. Dazu kommen noch Probleme im Kommissariat mit Robins neuer Kollegin (Gwendoline Christie). Und dann gibt es noch einen undurchsichtigen ostdeutschen Intellektuellen, der ein Bordell betreibt.
 
Story. Elisabeth Moss war sich zu Beginn des Projekts nicht sicher, ob eine zweite Staffel von „Top Of The Lake“ Sinn machen würde. „Ich sagte zu Jane Campion, dass es nicht nur irgendeine neue Geschichte geben sollte. Viel dunkler und abgründiger müsste sie werden. Während die erste Staffel die Wildnis der neuseeländischen Landschaft gezeigt hat, soll es nun um menschliche Abgründe gehen”.“
 
Dieses Vorhaben ist auf ganzer Linie geglückt. „Top Of The Lake: China Girl“ gehört zu den Serien, die man atemlos schaut und die immer wieder neue Entwicklungen der Charaktere bieten. Eine Serie, die man in diesem Jahr gesehen haben muss!

TV und Kino. Und machen solche Serien nun das Kino kaputt? Elisabeth Moss schüttelt energisch den Kopf: „Es gab immer wieder Phasen, in denen das TV das Kino beeinflusst hat oder umgekehrt. Die Filmstudios sollten aber die Augen aufmachen und erkennen, dass die Kino-Zuschauer nicht unbedingt den zehnten Aufguss eines Blockbusters wollen. Die wünschen sich originell erzählte Geschichten.”
 
Und wenn die Stories so faszinierend vorgetragen werden wie in „Top Of The Lake“, dann darf so ein Werk gern auch sechs Stunden lang dauern. Aber das geht natürlich nur im Fernsehen.