Happy End
Genre: Familiendrama mit Thriller-Elementen
Regie: Michael Haneke (Österreich)
Starfaktor: hoch (mit Jean-Louis Trintignant, Isabelle Huppert und Mathieu Kassovitz sind drei Topstars des französischen Films im Einsatz)
Cannes-Premiere: im Wettbewerb um die Goldene Palme
Die ersten zwei Sequenzen von „Happy End“ sind mit einer Handy-Kamera gedreht. Ein Kind filmt erst heimlich seine Mutter und dann seinen Hamster, wobei die Mutter mit hämischen Kommentaren und der Hamster mit Psychopharmaka gefüttert wird. Bald liegt das Tier tot im Käfig.
Die dritte Szene wechselt optisch ins Kino-Format. Michael Haneke zeigt den Aushub einer Großbaustelle in Calais. Die Kamera (Christian Berger) bleibt lange unbewegt, doch in der Baugrube tut sich plötzlich was. Eine riesige Wand stürzt ein.
Diese drei kleinen Sequenzen reichen Michael Haneke, um die Grundstimmung seines neuen Films zu definieren. Man weiß noch nicht recht, was da abgeht, doch man ahnt bereits: Auf ein Happy End im üblichen Sinne scheint „Happy End“ nicht zuzulaufen.
Willkommen bei der Familie Laurent: Jean Louis Trintignant spielt Georges, den Vater, und Isabelle Huppert ist Anne, seine Tochter. Die beiden traten unter gleichen Namen schon in Hanekes mit Goldener Palme und Oscar gewürdigtem Film „Amour“ auf, und für einen kurzen Moment könnte man zwischendurch einmal glauben, „Happy End“ seine eine Fortsetzung - „Amour 2“ sozusagen.
Dieser Eindruck ist aber wohl nur eine der vielen kleinen Pointen, die Haneke in das Drama gepackt hat. Von Amour, von Liebe, ist im Lauf der Handlung zwar viel die Rede, doch zu spüren ist sie fast nie. Der Regisseur, der „Happy End“ einen filmischen Schnappschuss nennt, liefert in gewohnt kühl-analytischer Manier das Porträt einer Familie, bei der fast nichts so ist, wie es scheint.
Da geht’s um offene finanzielle Gier und heimliche sexuelle Gelüste; um Lebensüberdruss und schwere Neurosen. Die Sippe der Laurents scheint von der 13-jährigen Eve (Fantine Harduin) bis zum 85-jährigen Georges (Trintignant) nur eines gemeinsam zu haben: Die Unfähigkeit, positive Gefühle zu zeigen und auszuleben.
Der Wiener Michael Haneke zeigt bei seinem neuen filmischen Frankreich-Besuch einmal mehr seinen messerscharfen Blick für die Realitäten der Gesellschaft. Er überlässt es gern den Zuschauern, eine angedeutete Szene zu Ende zu denken; er lässt Männer und Frauen aufeinanderprallen, aber auch Arm und Reich. In einer kurzen, jedoch höchst einprägsamen Szene platzen notleidende Migranten in ein elegantes Fest der Elite. Da denkt man dann unwillkürlich: Vielleicht ist es ja nicht nur die Familie Laurent – vielleicht ist es das ganze Haus Europa, das Risse bekommt.
Kinochancen: potenzieller Arthaus-Hit
Gesamteindruck: Ein harter, analytischer und zugleich unterhaltsamer Film im typischen Haneke-Stil