„Maps to the Stars“
Genre: Drama/Farce. Cannes-Premiere: Im Wettbewerb um die Goldene Palme. Regie: David Cronenberg (Kanada). Star-Faktor: sehr hoch (mit Julianne Moore, Robert Pattinson, Mia Wasikowska, John Cusack).
Der neue Cronenberg-Film spielt in der Glitzerwelt der Hollywood-Stars. Er steht aber in direkter Verbindung zu Cronenbergs Wiener Freud-Drama „A Dangerous Method“ und er könnte, so meint der Regisseur, auch außerhalb Stadtgrenzen von Los Angeles angesiedelt sein: „Wall Street, Silicon Valley – ganz egal. Solche Geschichten geschehen überall, wo es Gier und Angst gibt.“
Gierig nach Geld, Erfolg, Ruhm und Sex – das sind sie alle, die den Cronenberg-Cosmos in „Maps to the Stars“ bevölkern. Voran die Film-Diva Havana Segrand (Julianne Moore), bei der allerdings schon die Angst vor dem Karriere-Absturz das High Life infiltriert. Die Folge: Ein sensationell neurotisches Dasein, das durch den Einsatz von Alkohol und verbotenen Substanzen noch zusätzlich an Fahrt gewinnt. Höhepunkt: Eine heiße Sex-Szene zwischen Julianne Moore und Robert Pattinson in einem Auto.
Die überwältigend gut spielende Julianne Moore entfacht ein lichterloh brennendes Feuerwerk aus Unsinn und Sinnlichkeit auf der Leinwand – man möchte sie dringend für den Oscar empfehlen. Rund um sie herum entwerfen andere schräge Gestalten ein Hollywood-Sittenbild, das einem staunend den Mund offen stehen lässt.
Doch während man noch glaubt, einer hinreißend komischen, aber auch irgendwie harmlosen Mediensatire zuzuschauen, legt David Cronenberg schon die Fäden für ein Psychodrama aus, an dem Sigmund Freud oder C. G. Jung ihre helle Freude gehabt hätten. Den Protagonisten des Films stehen allerdings keine Seelenklempner dieses Kalibers zur Seite. Für die meisten von ihnen wird das frohe Spiel daher zum Katastrophenfilm.
Erfolgs-Chancen im Kino: Sehr hoch. Gesamteindruck: Brillante Mischung aus Hollywood-Satire und Psychodrama.
„Foxcatcher“
Genre: Drama. Cannes-Premiere: Im Wettbewerb. Regie: Bennett Miller (USA). Star-Faktor: hoch (mit Channing Tatum, Mark Ruffalo, Steve Carell und Sienna Miller).
Der New Yorker Regisseur Bennett Miller bringt auch in seinem dritten Spielfilm nach „Capote“ (Oscar für Philip Seymour Hoffman) und „Moneyball“ (mit Brad Pitt) reale Figuren auf die Leinwand.
„Foxcatcher“ handelt von einer Sportler-Tragödie, die sich 1996 in den USA zutrug. Der Millionenerbe John DuPont, neurotischer Sprössling einer der angesehensten Industriellen-Dynastien des Landes, erschoss den Sportler David Schultz, der 1984 die Olympia-Goldmedaille im Ringen (Freistil) gewonnen hatte.
Bennetts Film erzählt, wie es zu dem Mordfall kam. John DuPont (gespielt von Steve Carell) nahm in den Neunzigern zunächst Kontakt zu David Schultz` Bruder Mark (Channing Tatum) auf. Auch der war ein Weltklasse-Ringer, der1984 eine Goldmedaille gewann. Der Multimillionär DuPont, der heftig unter dem Regiment seiner autoritären Mutter (Vanessa Redgrave) litt, hatte es sich in den Kopf gesetzt, das US-Ringerteam zu neuen Höhen zu führen.
Mark Schultz sollte ihm dabei helfen. Doch in Wahrheit zerstörte der wahnhafte und unberechenbare DuPont das Selbstwertgefühl des übersensiblen Sportlers. Mark wurde zum Verlierer – und DuPont unternahm alle Anstrengungen, um jetzt David Schultz (Mark Ruffalo) in sein Trainingszentrum in der Foxcatcher-Ranch zu holen. Auch David Schultz merkte dann bald, dass sein Auftraggeber nicht ganz dicht im Kopf war. Trotzdem blieb er dem DuPont-Team treu – bis zu jenem Januar-Tag im Jahr 1996, als ihn der Millionär ohne Grund und ohne Motiv plötzlich niederschoss.
„Foxcatcher“ ist nicht gerade ein Film, den man sich für einen entspannten Samstagabend aussuchen würde. In seiner genauen Personenführung und seinem famosen Spiel ist das Drama allerdings hochinteressant. Es macht Spaß, die Mainstream-Stars Carell, Tatum und Ruffalo einmal in einer puristischen Arthaus-Produktion zu sehen.
Erfolgs-Chancen im Kino: mittel. Gesamteindruck: Ein karges, brillant umgesetztes Sport- und Kriminal-Trauerspiel.
„The Disappearance of Eleanor Rigby“
Genre: Romanze/Drama. Cannes-Premiere: In der Reihe „Un Certain Regard“. Regie: Ned Benson (USA). Star-Faktor: hoch (mit Jessica Chastain, James McAvoy, William Hurt, Isabelle Huppert, Viola Davis).
„The Disappearance of Eleanor Rigby“ ist das Drama einer großen Liebe, die mit einer Trennung endet. Das Werk hatte schon beim Filmfest Toronto 2013 Weltpremiere und kam jetzt in einer gänzlich neu geschnittenen Fassung nach Cannes. Der Grund: Produzent Harvey Weinstein war mit der ersten Version ganz und gar nicht einverstanden.
In Toronto bestand der Film noch aus zwei Teilen. Wie in einem Double Feature aus alter Zeit wurde die Geschichte der Trennung einmal aus der Sichtweise von Eleanor (Jessica Chastain) und einmal aus jener ihres Partners Conor (James McAvoy) erzählt.
Jetzt sind beide Perspektiven in einer Story vereint, was die Länge des Films von 190 auf 119 Minuten eindampfte. Operation gelungen: Filmisch wirkt die Tragödie wie aus einem Guss.
Inhaltlich bietet „The Disappearance of Eleanor Rigby“ großes, berührendes, romantisches, aber auch sehr melancholisches Kino. Es ist eine Story, wie sie immer wieder das Leben schreibt: Zwei Menschen, die miteinander glücklich sind und ein ideales Paar zu sein scheinen, entdecken, dass sich Bruchlinien zwischen ihren öffnen, die irgendwann nicht mehr zu schließen sind.
Schauspielerisch ist diese traurige Großstadt-Romanze aus New York brillant. Jessica Chastain agiert so sensibel und so zerbrechlich, dass man kaum glauben mag, dass sie auch in „Zero Dark Thirty“ am Werk war – als die Frau, die Osama Bin Laden jagte. James McAvoy gibt einen sympathischen urbanen Charakter, dem jedes Stadtneurotikertum fremd ist.
Die Nebenrollen sind ebenfalls großartig besetzt. William Hurt und Isabelle Huppert (als Ehepaar Rigby, das der Tochter einst aus Leidenschaft für die Beatles den Vornamen Eleanor gab) machen jede ihrer Szenen zum Fest – genauso wie Viola Davis, die eine hinreißend sarkastische Professorin mit großem Herzen spielt.
Erfolgs-Chancen im Kino: hoch. Gesamteindruck: Brillant gespielte Elegie einer endenden großen Liebe.
„Saint Laurent“
Genre: Biografie. Cannes-Premiere: Im Wettbewerb. Regie: Bertrand Bonello (Frankreich). Star-Faktor: mittel (mit Gaspard Ulliel, Léa Seydoux, Helmut Berger).
Eine Filmbiografie über den Modezaren Yves Saint Laurent: Das hatten wir doch heuer schon einmal. Der junge Pierre Niney begeisterte in der Titelrolle eines Bio-Pic, das bei der Berlinale Premiere hatte und dann mit mäßigem Erfolg im Kino lief.
„Yves Saint Laurent“ machte aber bedeutend mehr Spaß als der neue Film, der das „Yves“ im Titel und auch sonst so manches auslässt, was in der ersten Produktion wichtig war. Regisseur Bertrand Bonello konzentriert sich auf die Jahre von 1967 bis 1976 und zeigt den Modemann YSL (gespielt von Gaspard Ulliel) weniger als genialen Couturier denn als Drogenfreund und Lüstling, der seinen Lebenspartner Pierre Bergé gern mal mit anderen Jungs betrügt.
Das ergibt einen ziemlich uninteressanten, mit 150 Minuten aber viel zu langen Film, der nur in einem Teilaspekt Vergnügen bereitet. Helmut Berger hat als gealterter Saint Laurent einen hochseriösen Kurzauftritt – meilenweit entfernt vom Skandalnudel-Image, das er sonst in den Klatschspalten pflegt.
Erfolgs-Chancen im Kino: gering. Gesamteindruck: Lange und langweilige Film-Biografie.