Festival Cannes

Quentin Tarantino: „Ich hege eine gewisse Sympathie für den Teufel“

27.05.2014
von  Gunther Baumann
Feierten 20 Jahre „Pulp Fiction“ in Cannes: John Travolta, Quentin Tarantino und Uma Thurman © Katharina Sartena
Ein Nachtrag zu Cannes 2014: Quentin Tarantino war, gemeinsam mit seinen Darstellern Uma Thurman und John Travolta, der Glamour-Star des Festival-Finales. Man feierte das 20-jährige Jubiläum der Goldenen Palme für „Pulp Fiction“. Vor dem Gang über den Roten Teppich lud Tarantino zu einem Pressegespräch, bei dem er pointiert über alle möglichen Aspekte des Filmemachens sprach – von der Digital-Technologie über die spannendsten Regisseure der Gegenwart bis zum Italo-Western und seinem eigenen Western-Projekt „Hateful Eight“ (dessen Drehbuch verraten wurde). Hier die besten Sprüche des Kultregisseurs.     
Quentin Tarantino über…
 
…die Goldene Palme:
„Die Goldene Palme, die ich 1994 für ,Pulp Fiction‘ gewann, ist die größte Auszeichnung, die ich je erhalten habe. Das Wichtigste ist das, was die Goldene Palme für dein Prestige tut – sie etabliert dich unter den großen Filmemachern der Welt. Vielleicht möchte ich in Cannes noch einmal gewinnen, bevor mir das Licht abgeschaltet wird.“
 
...die digitale Kino-Technologie:
„Die digitale Filmprojektion ist das Ende des Kinos, wie wir es kannten. Der Kampf um den 35-Millimeter-Film ging verloren. Digitale Projektion im Kino ist wie Fernsehen in der Öffentlichkeit. Momentan erleben wir eine Generation, die den Komfort der Digitaltechnik schätzt. Aber ich hoffe, dass eine neue Generation von Kinobesuchern heranwachsen wird, die den echten Stoff wiederhaben will – den Film auf Celluloid.“
 
…die digitale Kamera-Technologie:
„Die gute Seite der Digitaltechnik ist es, dass ein junger Filmemacher, überspitzt ausgedrückt, mit einer Handy-Kamera einen Film drehen kann, der vielleicht bei Festivals seinen Weg macht. Zu meiner Zeit brauchte man als Anfänger zumindest 16-Millimeter-Filmmaterial – und das war ein Mount Everest, den nur die wenigsten erklimmen konnten. Mir fällt aber kein einziges Argument ein, warum ein etablierter Regisseur mit der Digitalkamera drehen sollte anstatt auf Film.“
 
…seine Privatsammlung an 35-Millimeter-Filmen:
„Ich habe nie gezählt, wie viele Filmkopien ich besitze – es ist eine sehr große Sammlung. Ich schaue mir zu Hause dauernd Filme an.“ 
 
…die Spaghetti-Western von Sergio Leone und den italienischen Film:
„,Für eine Handvoll Dollar‘ von 1964 ist für mich nicht nur die Geburtsstunde des Spaghetti-Western, sondern auch einer neuen Art von Action-Kino, bei der die Musik im Vordergrund steht und der Film zum Rhythmus der Musik geschnitten wird. Man könnte mit einigem Recht sagen, dass Sergio Leone den Stil von MTV beeinflusst hat. Was mich betrifft, kann ich sagen, dass ich mich vom opernhaften Flair, von den cineastischen Arien des italienischen Kinos stets angesprochen fühle. Vielleicht spricht da meine italienische DNA zu mir.“
 
…den Unwillen vieler Regisseure, die eigenen Filme anzuschauen:
„Ich habe meine Filme immer für mich gemacht. Wenn Regisseure sagen, sie würden es nicht ertragen, ihre eigenen Filme zu sehen, empfinde ich Mitleid für diese Leute: Wie kann man sich morgens aus dem Bett erheben, wenn man das Gefühl hat, die eigene Arbeit sei so mies? Ich nutze jede Gelegenheit, meine Filme zu sehen. Wenn einer im Fernsehen läuft, dann schalte ich ein.“
 
…Director’s Cuts:
„Ich habe nie daran gedacht, meine Filme neu zu schneiden. Ich mache keine Director’s Cuts. Der Director’s Cut eines Tarantino-Films läuft in den USA in 3.000 Kinosälen gleichzeitig. Nur eines: Ich besitze 90 Minuten Material zu ,Django Unchained‘, die noch niemand gesehen hat. Ich denke darüber nach, dieses Material in eine vierstündige Version von ,Django Unchained‘ einzubauen, die als vierteilige Mini-Serie im Fernsehen laufen könnte.“       
 
…seine Vorliebe für Schurkenfiguren:
„Wie viele Filmemacher hege ich eine gewisse Sympathie für den Teufel. Ich liebe es, dem Publikum die dunkelsten und gewalttätigsten Seiten einer Figur vorzuführen – und zu wissen, dass ich dennoch Sympathie für diese Charaktere erzeugen werde.“
 
…die Prägung von Filmemachern:
„Die wichtigste Zeit im Leben von Regisseuren sind die zehn Jahre vor ihrem ersten Film – wenn sie noch nicht wissen, ob sie den Durchbruch schaffen werden. Meine zehn Jahre fielen in die Achtziger, und die waren die repressivste Epoche des Kinos seit den Fünfziger Jahren. Es gab damals ein Mantra: Man musste die Hauptfiguren eines Films mögen. Ich hasste das. Zur gleichen Zeit schrieben großartige Thriller-Autoren wie Elmore Leonard Geschichten, in denen es genau andersrum zuging. Seltsame Handlungen, dubiose Motive. Meine Filme der Neunziger Jahre waren eine Bewegung gegen die Repression des Kinos der Achtziger.“
 
…die spannendsten Regisseure von heute:
„Ich machte mit Freunden kürzlich eine Umfrage, wer die aufregendsten Filmemacher der Gegenwart seien, wobei wir aufregend so definierten: Als Erwartung, dass die besten Arbeiten dieser Leute noch vor ihnen liegen. Da wurden natürlich jede Menge Namen genannt, aber zwei Regisseure kamen auf jeder einzelnen Liste vor: David Fincher und Richard Linklater.“

…sein Western-Projekt „Hateful Eight“:
„Der  Messerstich in den Rücken, den ich durch die unautorisierte Veröffentlichung des Drehbuchs erlitt, beginn zu heilen. Ich habe mich beruhigt. Eine Lesung des Skripts, für die wir drei Tage lang probten, hat sehr viel Spaß gemacht – und ich habe dadurch viel für die zweite Fassung des Drehbuchs gelernt. Was ich mit ,Hateful Eight‘ machen werde, weiß ich noch nicht. Viielleicht werde ich die Story verfilmen, vielleicht werde ich sie als Buch herausbringen. Vielleicht mache ich aber auch ein Theaterstück daraus.“
(Anmerkung: Ende Mai - also eine Woche nach dem Festival-Finale in Cannes - wurden in Hollywood Gerüchte kolportiert, Tarantino wolle noch im Herbst 2014 mit dem Dreh von  „Hateful Eight“ beginnen. Diesen Gerüchten zufolge seien Samuel L. Jackson, Kurt Russell und Tim Roth im Cast dabei. Christoph Waltz fehlte bei den kolportierten Namen - was natürlich nicht bedeuten muss, dass er nicht mitspielt).