Pop-Zitate. Im Vorjahr hatten Sebastian Höglinger, 33, und Peter Schernhuber, 29, die neuen Intendanten der Diagonale, ihre Antrittsrede mit einem Pop-Zitat von Tocotronic begonnen: „Im Zweifel für den Zweifel – und für die Pubertät“.
Dieses Jahr machten Höglinger & Schernhuber schon eine kleine Tradition daraus, wenngleich das Zitat kürzer und zugleich ernster ausfiel als 2016. Die beiden hielten das Cover einer legendären LP des Austro-Rockers Hansi Lang in die Höhe: „Keine Angst“.
Keine Angst? Das Leben sei rauer geworden, konstatierten die Diagonale-Boys in ihrer Festrede zum Festivalstart. Das gelte fürs Kino: „So wie es ist, wird es nicht bleiben.“ Und für die ganze Welt: „Humanismus und Antifaschismus oder das Friedensprojekt Europa – all das sind heute keine Selbstverständlichkeiten mehr. Das Jahr 2016 hat gelehrt, dass sich Konflikte nicht wegmauern lassen.“
Wie reagieren? Was die Kunst und ganz speziell den Film betrifft, starteten Höglinger & Schernhuber „ein Plädoyer für die Neugierde – der Jungen an den Alten und umgekehrt. 2017 ist es kein Unding mehr, bis ins hohe Alter Teil einer Jugendbewegung zu sein. Doch ermöglichen wir auch den Jungen den neugierigen Blick. Das ist ein Schlüssel zu Mündigkeit, Enthusiasmus und Empathie.“
Applaus und Reime. Rauschender Applaus. Und Personalwechsel auf der Bühne: Moderator Michael Ostrowski versuchte seinem Vorjahres-Vorgänger Christoph Grissemann nachzueifern, der den Bundespräsidenten damals mit einem markanten Zweizeiler begrüßt hatte: „Fischer Heinz – die Nummer eins.“
Ostrowski bewies jetzt, dass man auch auf Van der Bellen einen Reim finden kann, wenngleich bei seinem Gedicht das Metrum lahmte: „Zeit, die Uhren neu zu stellen – unser Präsident heißt Van der Bellen.“ Der neue HBP VdB blickte über die holprige Lyrik gnädig hinweg und berichtete von seiner lebenslangen Filmleidenschaft.
Van der Bellen: „Mein Verhältnis zum Film ist sehr eng, auch wenn es von Kindheitsbeschwerden begleitet war. Ich war immer zu jung für die Filme, die gerade interessant waren. Wir, die Tiroler Jugend, wollten nicht geschützt werden, aber wir wurden geschützt, von Polizisten vor dem Eingang der Kinos.“ Nachsatz: „Ein Vorteil des Alters: Jetzt fragt mich niemand mehr, ob ich schon alt genug bin für einen Film.“
Schauspielpreis. Johannes Krisch, langjähriger Star des Burgtheaters und vieler Filme, von Götz Spielmanns „Revanche“ bis Elisabeth Scharangs „Jack“, nahm den Großen Diagonale Schauspielpreis entgegen. „Ich bedanke mich von ganzem Herzen für diesen Preis“, sagte er. „Es ist kein Preis, sondern eine Auszeichnung."
Krisch schlug in seiner Dankesrede einen Bogen von Kollegen wie Götz Spielmann, Peter Patzak, Andreas Prochaska und „Klaus Maria, der du mir einen Tritt in den Arsch verpasst hast zum richtigen Zeitpunkt“ bis hin zum 2008 verstorbenen Rocker Hansi Lang: „Weil Hansi Lang zitiert wurde, einer meiner Herzensbrüder, mit dem Lied ,Keine Angst‘: Ich sage darauf, ,Ich spiele Leben, und ich hab‘ genug davon‘“!
Eröffnungsfilm. Dann kam Monika Willi auf die Bühne, die brillante Cutterin der Filme von Michael Glawogger, Michael Haneke oder Josef Hader, die bei „Untitled“ durch den Tod von Glawogger nolens volens zur Co-Regisseurin geworden ist. Gemeinsam mit dem Produktionsteam stellte sie „Untitled“ vor - den Diagonale-Eröffnungsfilm, den (nicht nur) die Festival-Chefs Höglinger & Schernhuber in höchsten Tönen loben: „,Untitled‘ ist ein wagemutiger und bildgewaltiger Gegenentwurf zur Konfektionsware. Er lässt lebenshungrige Neugier explodieren, und er ist ein Aufruf zum Weltbürgertum.“
Diagonale 2017. Graz, bis 2. April. Info & Tickets: www.diagonale.at