Berlinale 2018

Schwacher Western - starkes Drama

17.02.2018
von  Gunther Baumann
Gut gelaunt beim Posieren für die Fotografen: Robert Pattinson und Mia Wasikowska © Katharina Sartena
Berlinale 2018: Der Glamour endete gleich hinter dem roten Teppich. Die Topstars Robert Pattinson („Twilight“) und Mia Wasikowska („Alice im Wunderland“) wurden von den Fans  vor dem Berlinale-Palast ordnungsgemäß gefeiert. Die misslungene Western-Komödie  „Damsel“, mit der sie im Wettbewerb um den Goldenen Bären antraten, löste hingegen eher betretenes Schweigen aus. Ganz anders erging es der spanischen Regisseurin Isabel Coixet. Ihre kostbare Film-Miniatur „The Bookshop“ wurde mit kleinen Mitteln zur großen Parabel über das Leben. 
Das ging daneben: Robert Pattinson und Mia Wasikowska in „Damsel“ © Berlinale

Damsel

Genre: Western
Regie: David & Nathan Zellner (USA)
Star-Faktor: Robert Pattinson und Mia Wasikowska zählen zur Hollywood-Spitze
Berlinale-Premiere: im Wettbewerb um den Goldenen Bären

Der flachsinnige Western „Damsel“ zählt zu jenen Filmen, die wohl nur wegen der großen Namen ihrer Hauptdarsteller  den Sprung in einen Festival-Wettbewerb geschafft haben.
Robert Pattinson spielt einen Einfaltspinsel namens Samuel Alabaster, der mit einer Gitarre und einem Zwergpony in die Prärie aufbricht, um seine Angebetete Penelope (Mia Wasikowska) zu freien. Um der Romanze sogleich einen legitimen Anstrich zu verleihen, schleppt er auch einen gut honorierten Gottesmann mit in die Wildnis,  der Samuel und Penelope stantepede verheiraten soll.
Unterwegs beichtet der verliebte Samuel, dass er Penelope erst aus den Fängen eines Entführers befreien muss, bevor die Hochzeit stattfinden kann. Als diese Befreiung für den vermeintlichen Kidnapper tödlich endet, stellt sich heraus, dass Penelope überhaupt keine Lust darauf hat, Samuel zu heiraten. Weil sie von dem Verblichenen gar nicht entführt worden war, sondern mit ihm in trauter Zweisamkeit zusammenlebte.
Die Regie-Brüder David & Nathan Zellner, die bisher noch keinen nachhaltigen Eindruck in der Filmwelt hinterlassen haben, folgen in „Damsel“ stilistisch einem Prinzip des Spaghetti-Westerns: Lange Blicke – wenig Worte. Und wenn die Protagonisten doch einmal den Mund aufmachen, sollen ihre Sprüche möglichst originell wirken.
Dummerweise klingen die Dialoge in „Damsel“ nicht lustig, sondern peinlich. Das macht diesem sonderbaren Western, der schon an seinem schwachen Plot leidet, endgültig den Garaus. Das darbende Genre der Wildwest-Filme erhält von diesem Werk trotz Robert Pattinson und Mia Wasikowska definitiv keine Sauerstoff-Kur.
Kinostart: noch kein Termin
Kinochancen: sehr gering
Gesamteindruck: bemüht originelle Western-Komödie, die trotz Star-Besetzung komplett in den Sand gesetzt wird


Das weckt Begeisterung: Emily Mortimer als Buchhändlerin in „The Bookshop“ © Berlinale

The Bookshop
Genre : Drama
Regie: Isabel Coixet (Spanien)
Star-Faktor: Hochklassiges Ensemble mit Arthaus-Größen wie Emily Mortimer, Bill Nighy und Patricia Clarkson
Berlinale-Premiere: in der Reihe Berlinale Special Gala

Das Drama „The Bookshop“ ist eine kleine, feine Elegie über die Verwirklichung von Träumen. Und über den Neid sowie die Eifersucht von Außenstehenden, die alles daransetzen, um die Träume wieder zerplatzen zu lassen.
Die spanische Regisseurin Isabel Coixet, die 2002 mit dem Krebsdrama „Mein Leben ohne mich“ berühmt wurde, hat ihren neuen Film in der englischen Provinz angesiedelt. Man schreibt das Ende der 1950er Jahre, und die Witwe Florence Green (Emily Mortimer), deren Mann im Weltkrieg fiel, will frische Akzente in ihrem Leben setzen. Sie beschließt, im verschlafenen Küstennest Hardborough  eine Buchhandlung zu gründen.
Dass das Dorf auf einmal mit den neuen Werken von Nabokov oder Ray Bradbury versorgt wird, erfreut nur einen reichen Sonderling, den hochbelesenen Hagestolz Mr. Brundish (Bill Nighy).  Die braven Bürger von Hardborough hingegen, deren Leben um Fischfang, Familie und den neuesten Gossip kreist, fangen mit der Welt der Bücher rein gar nichts an. Und die örtliche Mäzenin Mrs. Gamart (Patricia Clarkson), die eifersüchtig über ihre Sonderstellung in der Gemeinschaft wacht, wird zur offenen Gegnerin der Buchhändlerin.
Mrs. Gamart verfolgt auf einmal mit Vehemenz den Plan, das Haus der Buchhandlung zu einem Kunstzentrum umzuwandeln. Doch in Wahrheit geht es ihr nur darum, die idealistische Bücherfreundin Florence Green aus ihrer Welt herauszukegeln. Dazu schreckt sie vor keiner Intrige zurück.
„The Bookshop“ ist einer jener Filme, die zeigen, dass mit kleinen  Geschichten sehr große Themen abgehandelt werden können. Dass Eigeninitiative und hochfliegende Pläne von einer spießigen Umwelt nicht belohnt, sondern behindert werden,  ist eine Erfahrung, die schon viele Träumer gemacht haben.
Regisseurin Isabel Coixet hat ihren Film freilich zu einer Ode an das Träumen werden lassen. „The Bookshop“ ist eine Verneigung vor dem Lesen, vor den Büchern, vor der Kultur. Der kleingeistige Neid, das zeigt dieser hinreißend gespielte Film, mag in so einem Knflikt durchaus siegreich bleiben. Doch glücklich werden die von Engstirnigkeit und Vorurteilen zerfressenen Sieger nicht.
Kinostart: 10. Mai 2018
Kinochancen: im Arthaus-Bereich sehr gut
Gesamteindruck: humorvoll-melancholische und brillant inszenierte Parabel über den Zauber von Büchern sowie über das Ausleben und Scheitern von Träumen