Berlinale

George Clooney und „Monuments Men“ : Verirrt im selbst gebauten Labyrinth

08.02.2014
von  Gunther Baumann
Wo sind die Kunstschätze? Die Monuments Men John Goodman, George Clooney und Matt Damon (Mi., v. li © CentFox
Oops, das ging daneben. George Clooneys Raubkunst-Thriller „Monuments Men“ entpuppte sich bei der Berlinale-Europapremiere am Samstag als herbe Enttäuschung. Zwar wurde der Star von den Fans gewohnt enthusiastisch umjubelt, und auch beim Pressegespräch verbreitete er blendende Stimmung. Aber, um eine Fußball-Weisheit abzuwandeln: Die Wahrheit ist auf der Leinwand. Und da zeigt „Monuments Men“ schwere Probleme. Die atemraubende Story um sieben Kunst-Spezialisten, die während des Zweiten Weltkriegs die von den Nazis gestohlenen Meisterwerke retten wollen, schwankt zwischen Militär-Klamotte und Schnulze.
Notfall. Die Pressevorführung von „Monuments Men“ lief am Samstagmittag noch keine Stunde, als sie nach aufgeregten Rufen aus dem vollbesetzten Berlinale-Palast unterbrochen wurde. Ein medizinischer Notfall. Der Arzt musste her. Erst nach einer Viertelstunde Pause ging es weiter. Da dämmerte vielen Beobachtern bereits, dass sich der ganze Film als eine Art Notfall herausstellen könnte.
 
Das Positive zuerst: George Clooney hat als erster Regisseur die Kunst-Raubzüge der Nazis als Hollywood-Thema entdeckt. „Monuments Men“ (Kinostart: 20.Februar) erzählt die auf Fakten beruhende Geschichte einer sonderbaren Mini-Einheit der Allierten. Mutige Museumsdirektoren, Kunsthistoriker und Architekten zogen als Kunst-Soldaten ab 1944 in den Krieg, um die gestohlenen Meisterwerke – von Michelangelo bis Rembrandt – entweder wiederzufinden oder sie vor der Zerstörung zu bewahren.
 
Eindrucksvolle Star-Besetzung: Matt Damon und Cate Blanchett © CentFox

Für diesen nicht nur politisch, sondern auch filmmäßig eindrucksvollen Plot holte Clooney einen All-Star-Cast vor die Kamera. Er selbst spielt den Anführer der Truppe; Matt Damon, Bill Murray, John Goodman oder Jean Dujardin sind als Soldaten dabei. Cate Blanchett glänzt als kunstsinnige und mutige Aktivistin der Résistance in Paris, die den Monuments Men wichtige Tipps gibt.
 
Verzettelt. Warum geht der Film dann trotzdem schief? Regisseur Clooney, der gemeinsam mit Grant Heslov auch das Drehbuch schrieb, verzettelt sich heillos in der Fülle des Materials und findet aus dem selbst errichteten Labyrinth nicht mehr heraus.
 
Der Film beginnt als eine Art Militärkomödie, die ziemlich komisch wirkt, wenn etwa der dicke John Goodman als Rekrut durch die Botanik robbt. Dazu gibt’s optimistische Hurra-ein-Krieg!-Musik, die angesichts des Dramas des Zweiten Weltkriegs eher seltsam anmutet.
 
Nach der Landung in der Normandie im Juli 1944 wird der kleine Trupp (sieben Monuments Men und ein Dolmetscher) dann auf verschiedene Einsatzorte verteilt. Dadurch verliert der Film, dramaturgisch gesehen, komplett den Fokus. Man bekommt eine Folge nur lose zusammenhängender Szenen vorgesetzt, die obendrein darunter leiden, dass Clooney verschiedene Stile ausprobiert.
 
Mal fühlt man sich wie in Urgroßvaters Hollywood-Kino der Vierziger Jahre. Mal wie in einer Anti-Nazi-Farce nach dem Vorbild von Tarantinos „Inglourious Basterds“ (Tarantino ist besser). Und dann wieder wie in einer Militär-Schnulze, in der das Schmalz meterdick aufgetragen wird. Zwischendurch gibt’s erbauliche Lehrsätze über Moral und Kunst wie aus einem Volkshochschul-Kurs.
 
Erst zum Finale hin, wenn die kleine Truppe in den letzten Kriegstagen Kurs auf das Salzbergwerk in Altaussee nimmt (dort hatten die Nazis unermesslich wertvolle Schätze versteckt, die im gottlob nie gebauten „Führer-Museum“ in Linz landen sollten), gewinnt der Film wieder an Fahrt. Clooney lässt lobend erwähnen, dass es die Bergwerks-Belegschaft aus dem Salzkammergut war, die die von den Nazis befohlene Zerstörung der Meisterwerke verhinderte. Doch wie es seine Monuments Men anstellen, die Kunstschätze in letzter Sekunde zu bergen, hat viel mit Kino-Illusion und wenig mit Realismus zu tun.
 
Fazit: Aus einer sehr gut gemeinten Idee entstand leider kein guter Film.
 
Pressegespräch. Beim Pressegespräch vor der Samstag-Premiere zeigte sich Clooney gleichwohl bestens gelaunt. „Dies ist eine ungewöhnliche Geschichte über die Leistung einzigartiger Männer, über die man im Kino noch nie etwas gehört hat“, sagte er über seine Beweggründe, „Monuments Men“ zu drehen.
 
Es gab einige Fragen zum Film, doch ansonsten nahm das Gespräch den für Clooney-Pressekonferenzen üblichen Verlauf. Eine aufgewühlte Journalistin konnte nicht verhehlen, dass sie im Angesicht Clooneys von „erotischen Phantasien“ heimgesucht werde (seine kühle Antwort: „Ich dachte, Sie hätten eine Frage“). Andere Reporter sprachen den Polit-Aktivisten Clooney an.  
 
Der Star antwortete bereitwillig. Zur Entwicklung im Südsudan: „Das ist jetzt der jüngste Staat der Welt und durchläuft alle Probleme, die junge Staaten haben. Ich bin jedoch sehr optimistisch.“ Zur Lage in der Ukraine: „Die Klitschko-Brüder sind Freunde. Ich glaube, dass die Menschen in der Ukraine viel Unterstützung gebrauchen können.“

Akropolis. Als aber eine griechische Journalistin einen historischen Fall von Raubkunst ansprach (den Parthenon-Fries der Akropolis, der 1801 von Athen nach England entführt wurde), musste Clooney lachen: „Ich denke, es ist nur fair, wenn Griechenland diese Stücke zurückhaben will.“