Filmfest Venedig

Wüsten-Drama „Tracks“: Die abenteuerliche Reise der „Camel Lady“

29.08.2013
von  Gunther Baumann
Eine Frau und vier Kamele in der Wüste Australiens: Mia Wasikowska in "Tracks" © LaBiennale
Starke Frauen am Lido. Am Mittwoch suchte Sandra Bullock in „Gravity“ als (raum-)schiffbrüchige Astronautin einen Weg zurück zur Erde. Am Donnerstag sah man, wie Mia Kasikowska („Alice im Wunderland“) durch die Wüste Australiens stapft. Das abenteuerliche Dokudrama „Tracks“ von Regisseur John Curran, erste Produktion im Wettbewerb um den Goldenen Löwen von Venedig, ist für mich jetzt schon einer der schönsten Filme des Jahres 2013. Der Plot: Eine Frau marschiert mit vier Kamelen und einem Hund 2.700 Kilometer durch das Outback.
Bilder. Immer wieder erstaunlich, wie sehr Bilder täuschen können. Gerade hatte man Mia Kasikowska in „Tracks“ als wilde Weltenbummlerin gesehen. Als löwenmähniges, kühnes Mädchen, das unerschrocken alle Gefahren einer viermonatigen einsamen Wüsten-Wanderung auf sich nahm.
 
Und dann, zwei Stunden später?  Da erschien Australiens jüngster Hollywood-Star mit adretter Jungmädchenfrisur zur Pressekonferenz am Lido - so sanft und brav, als wüsste sie gar nicht, wie man das Wort Abenteuer buchstabiert. Neben ihr saß eine Dame mit feurigen Augen und ein paar attraktiven Falten im schönen Gesicht, der man schon eher zutrauen würde, alle Gefahren dieser Welt auf sich zu nehmen.
 
Und so ist’s denn auch: Die Australierin  Robyn Davidson brach 1977 als 27-Jährige  zu jenem Marsch auf, von dem der Film erzählt. Damals nannte man sie „Camel Lady“ und hielt sie wohl für ein wenig lebensmüde und/oder verrückt.

Mia Wasikowska spielt in "Tracks" die Wüsten-Wanderung von Robyn Davidson (re.) nach © Sartena

Lange Zeit nach der langen Zeit der Einsamkeit schrieb Robyn Davidson ein Buch über ihre Expedition, das zum Bestseller wurde. Sie begegnete berühmten Autoren wie Bruce Chatwyn (den sie möglicherweise zu seinem Australien-Bestseller „Traumpfade“ anregte) und Salman Rushdie (mit dem sie zwei Jahre liiert war). Und jetzt ist sie, durch „Tracks“, den Film, zurück im Rampenlicht.    
 
Zeitgeist. Die „Camel Lady“ im Rückblick: „Ich unternahm meine Wanderung in einer Ära, als junge Menschen außergewöhnliche Dinge tun wollten. Das entsprach dem Zeitgeist. Natürlich hat mich diese Zeit der Einsamkeit in einer faszinierenden Landschaft geprägt. Ich wurde eine neue Person, mit einem veränderten Bewusstsein.“
 
Die Einsamkeit der Weltenbummlerin ist auch ein Kennzeichen von John Currans Kino-Produktion. Das Tolle an „Tracks“, filmmäßig gesprochen: Die Reduktion auf eine Person funktioniert. Mia Kasikowska hat die Kraft, den Film zu tragen. Sie spielt ihre Emotionen voll aus. Sie spielt mit den Tieren („Kamele sind die angenehmsten Film-Tiere die man sich vorstellen kann. Sie machen alles, was man von ihnen verlangt“). Und obendrein spielt Wasikowska auch mit der Wüstenlandschaft, die wie eine attraktive Begleiterin wirkt, welche in jeder Sekunde lebensbedrohlich werden kann.
 
Ob diese Art von Ein-Personen-Kino zum neuen Trend wird? In Cannes hatte heuer das Segler-Drama „All Is Lost“ Weltpremiere, in dem Robert Redford als einziger Darsteller mit dem Ozean kämpft. Venedig begann jetzt mit George Clooney, Sandra Bullock und dem Zwei-Personen-SciFi-Kammerspiel „Gravity“. Und „Tracks“ ist eine One-Woman-Show (auch wenn etliche Darsteller in kleinen Episodenrollen mitspielen).

William Friedkin erhielt den Golden Löwen für sein Lebenswerk © Sartena

Ehren-Löwe. Zurück aus der Wüste zum Glanz und Glamour des Festivals am Lido: Am Donnerstag wurde in Venedig der erste große Preis verliehen. William Friedkin nahm den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk in Empfang. Der 77-jährige Regisseur gehört seit mehr als 40 Jahren zu den Spitzenkräften des Hollywood-Kinos: Filme wie „Brennpunkt Brooklyn“ oder „Der Exorzist“ machten ihn weltberühmt.