Hans Zimmer
über seine Karriere als Hollywood-Komponist
„Filmmusik war mein großer Traum“
27.03.2016
Interview:
Peter Beddies
Sein Name klingt nicht spektakulär – seine Filmmusik aber sehr wohl: Hans Zimmer. Der gebürtige Frankfurter, 58, dessen internationale Karriere in London begann, hat im Lauf der Jahre um die 170 Filme musikalisch unterlegt. Für „Rain Man“, seinen ersten Hollywood-Soundtrack, bekam er 1989 gleich die erste von bisher neun Nominierungen für den Oscar, den er 1994 mit „Der König der Löwen“ gewann. Derzeit ziert ein Zimmer-Soundtrack den Action-Blockbuster „Batman v Superman“. Ein prima Anlass, um ein FilmClicks-Interview mit Hans Zimmer zu veröffentlichen, das wir vor einiger Zeit in seiner Wahlheimat London führten.
FilmClicks: Herr Zimmer, können Sie uns mal ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit mitnehmen? Da sehen wir Sie 1979 als den jungen Musiker, der gerade für seine Band The Buggles den Riesenhit „Video Killed The Radiostar“ geschrieben hat.
Hans Zimmer: Falsch, das stimmt nicht. Trevor Horn, von dem ich sehr viel gelernt habe, der hat den Song geschrieben. Ich stand nur am Synthesizer und habe gespielt.
Den Song hatte damals jeder im Ohr. Warum ist aus Ihnen kein Popstar geworden?
Weil unsere Band, The Buggles, den normalen Weg junger Gruppen gegangen ist. Wir hatten nur den einen Hit, aber alle wollten mehr von uns. Dann gab es Streit. Man ist so ungestüm, wenn man jung ist. Es fehlt an Geduld, es fehlt an Geld. Aber es ist gut, dass ich das Metier gewechselt habe.
Warum?
Schauen Sie sich an, was ich alles an Filmmusiken geschrieben habe. Das wollte ich ja schon immer machen. Filmmusik war mein großer Traum. Ich konnte musikalisch in so viele unterschiedlich klingende Welten hineinhören. Popmusik wäre irgendwann langweilig geworden.
Haben Sie „Video Killed The Radiostar“ jemals wieder live gespielt?
Nein, aber ich war mal bei einem Auftritt der Buggles. Trevor Horn wusste nicht, dass ich im Publikum saß und er hat auf der Bühne ein wenig über die damalige Zeit geplaudert. Das war schon sehr lustig.
Nach Ihrer Zeit mit den Buggles hätten Sie wieder nach Deutschland gehen können. Aber Sie sind in London geblieben. Und wie genau sind Sie von Hollywood entdeckt worden?
Wie man sich das halt so vorstellt. Es ist 23 Uhr und der Regisseur Barry Levinson klopft an meine Tür und fragt, ob ich nicht Lust hätte, mit nach Hollywood zu kommen und dort Musik für seinen Film „Rain Man“ zu machen.
Das klingt jetzt, ehrlich gesagt, ein wenig wie ausgedacht.
Ist aber genauso passiert. Barrys Frau hatte die Musik zu einem kleinen Film, „A World Apart“, die ich in London geschrieben hatte, gehört und mit nach Hause genommen. Sie und ihr Mann fanden sie so gut, dass sie meinten, ich könnte die Musik zu „Rain Man“ schreiben. Also versuchte Barry, mich zu finden. Da er nur die Adresse meines Studios in London kannte, kam er einfach vorbei. Und so begann meine Karriere in Hollywood – schon verrückt, oder?
Wie viele Filmmusiken haben Sie bis heute insgesamt komponiert?
Ich weiß es nicht und will es auch nicht wissen. Es sind sehr viele, und die große Zahl macht mir schon Angst. Treibt mich aber auch irgendwie an.
Man hört das häufiger, dass Angst eine Triebfeder der Kreativität sein kann.
Ja, die Angst ist eigentlich jeden Tag da. Hört sich vielleicht ein wenig irre an. Aber ich frage mich ständig: „Wann werden die mich als Betrüger entlarven? Wann werden die merken, dass ich nichts kann und mich nach Deutschland zurückschicken?“
Der „Brokeback Mountain“-Komponist Gustavo Santaolalla hat mal erzählt, dass er auf der Suche nach Sounds durch Städte streift. In Berlin fand er es interessant, dass die Straßenlaternen nachts summen.
Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Generell gehe ich immer gern von Stille aus. In meinen Studios muss es immer ganz leise sein. Und irgendwann entdeckt man dann in sich den Sound, nach dem man gerade eben gesucht hat. Das ist oft etwas, das ich zuvor irgendwo schon mal gehört habe. Also Teile davon.
Warum ähnelt Musik von Soundtrack-Komponisten sich oft ziemlich? Einen Zimmer hört man doch raus.
Das hat mit der Prägung zu tun, die man irgendwann bekommen hat. Oftmals geht das auf die Musik zurück, die man als Kind gehört hat. Und ja, es gibt die Gefahr, dass man sich wiederholt. Das lässt sich nicht vermeiden.
So gewaltig, wie Ihre Musik oft klingt, könnten Sie in Ihrer Kindheit viel Richard Wagner gehört haben.
Oh, ganz falsch. Wagner habe ich spät entdeckt. Und zwar in einem Film. Das war in „Excalibur“ von John Boorman. Die Musik hat mich umgehauen. Zu Hause bin ich mit Mozart und Bach aufgewachsen. Wagner, das weiß ich noch, war als Kitsch verpönt. Später wusste ich es besser. Wagner war der erste Filmmusik-Komponist. Stellen Sie sich vor, was er noch so alles angestellt hätte, wenn er eine Kamera zur Verfügung gehabt hätte.
„Der Ring des Nibelungen“ als Action-3D-Oper?
Gut möglich. Aber wenn, dann hätte es auch einen Produzenten und ein Studio gegeben. Und der „Ring" wäre wesentlich kürzer ausgefallen.
Wie deutsch ist Ihre Musik noch, die Sie Jahr für Jahr schreiben?
Deutsch? Das weiß ich nicht. Ich bin auf jeden Fall pünktlich, wenn das zählt. Was ich mir über all die Jahre erhalten habe, dass ich Fremder bin. Zuerst war ich es nur in den USA. Mittlerweile bin ich es überall auf der Welt. Auch wenn ich nach Deutschland komme, bin ich dort fremd.
Klingt traurig.
Vielleicht ist das der Preis, den ich zahlen muss. Auf jeden Fall ist dieses Fremdsein eine interessante Perspektive, um Musik zu schreiben. Nehmen Sie „Man of Steel“, als ich Zack Snyder kennenlernte. Er bot mir den Film an und ich lehnte natürlich sofort ab.
Warum?
Weil die originale Filmmusik zu „Superman“ von John Williams einfach zu gut war. Mit der bin ich aufgewachsen. Aber dann kam Zack vorbei und erzählte mir, worum es in seinen „Superman“-Filmen gehen sollte. Um einen Fremden, der sich in einer ihm fremden Welt behaupten muss.
Und das war Ihr Anknüpfungspunkt.
Exakt. Das hatte ich auch schon erlebt. Und ich glaube, das verbindet auch all meine Kompositionen in Hollywood. Auf der einen Seite schwingt immer ein bisschen Wehmut nach der Heimat mit und auf der anderen Seite kann ich mit meiner Musik hin und wieder den Spiegel vorhalten. Denn ein Fremder blickt anders auf ein Land als der, der dort geboren wurde.