Eva Spreitzhofer über ihren Film „Womit haben wir das verdient?“


Ein fröhlicher Disput über den Islam

03.12.2018
Interview:  Gunther Baumann

Eva Spreitzhofer: „Der Film ist für alle lustig - und auch entlarvend“ © Brunner

Lachstürme, blendende Kritiken und rund 10.000 Besucher schon am Start-Wochenende: Mit der Komödie „Womit haben wir das verdient?“ ist ein österreichischer Film im Kino gelandet, der das Zeug zum Publikums-Knüller hat. Hinter der Story über eine Wiener Mutter, deren 16-jährige Tochter plötzlich zum Islam konvertiert, steht die Autorin und Regisseurin Eva Spreitzhofer (sie erfand für den ORF den Serien-Hit „Schnell ermittelt“). Im FilmClicks-Interview erzählt Spreitzhofer, wie sie das Projekt ihrer Culture-Clash-Komödie entwickelte. Warum es ihr wichtig war, Burgtheater-Star Caroline Peters für die Hauptrolle zu gewinnen. Und warum sie sich dafür entschied, das ernste Thema Islam auf fröhliche Weise anzugehen.


FilmClicks: Gab es so etwas wie eine Initialzündung für Ihre Komödie „Womit haben wir das verdient?“
Eva Spreitzhofer: Ja. Ich habe selbst zwei Töchter, die heute 18 und 20 Jahre alt sind. Vor ein paar Jahren saßen wir in einer Runde von Eltern zusammen und überlegten, was während der Pubertät der Kinder wohl Schlimmes auf uns zukommen könnte – Drogen, Schule schwänzen, Schwangerschaft, rechtsradikal werden… Ich sagte damals, das Schlimmste für mich wäre, wenn meine Töchter religiös werden und ein Kopftuch aufsetzen würden. Alle meine Freunde, die mich als Feministin und Atheistin kannten, fanden das ein großartiges Thema. Das war der Beginn für den Weg zum Film, denn wenn einer Protagonistin das schlimmste passiert, was sie sich vorstellen kann, ist das ein guter Ausgangspunkt für eine Komödie. Nach der Flüchtlingswelle von 2015 kamen noch politische Aspekte zu dieser Geschichte hinzu. Da verlor das Kopftuch diesen Ach-Gott-jeder-soll-aufsetzen-was-er-möchte-Charakter. Das Kopftuch wurde als das kenntlich, was es für mich ist: ein patriarchalisches Unterdrückungselement. Gleichzeitig begann die rechte Hetze gegen Muslime, in der das Kopftuch als Symbol für den bösen Islam verwendet wird. Diese Komplexität des Themas fand ich spannend. Ich habe dann intensiv recherchiert, bevor ich damit anfing, das Drehbuch zu schreiben. Mittlerweile bin ich zur Islam-Expertin geworden. Da kann mir niemand etwas erzählen.

Mutter und Tochter: Caroline Peters & Chantal Zitzenbacher in „Womit haben wir das verdient?“ © Luna

Was für ein Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Film?
Ich wollte so etwas wie einen Disney-Film machen, in dem die Kinder über etwas anderes lachen als die Erwachsenen, aber alle miteinander amüsieren sich köstlich. Diesen Effekt habe ich zum Beispiel mit Insider-Witzen für muslimische Menschen erreicht. Aber es gibt auch Witze über den katholischen Pfarrer und über die feministische Protagonistin. Niemand wird vom Humor verschont. Der Film ist für alle lustig – und zugleich auch entlarvend. Was mir besonders  gefällt, ist, dass  „Womit haben wir das verdient?“ auch von Muslima und Muslimen gemocht wird.
 
Warum wählten Sie für das ernste Thema des Aufeinanderprallens von Islam und westlicher Lebensart die Form einer Komödie?
Wir leben in einer Welt, in der viele Problemkreise so komplex sind, dass es keine einfachen Lösungen geben kann. Deshalb kommt man dem Thema meines Films am besten mit einer Komödie bei, weil man so die unterschiedlichen Positionen etwas überspitzen und dadurch klarer herausheben kann. Zugleich braucht man keinen Schurken-Part, weil die Leute ja alle für sich recht haben, wenn man das Thema aus ihrer Warte betrachtet. Wir kommen in dieser Diskussion nicht weiter, wenn wir sagen, das hier sind die Guten und das dort sind die Bösen.  
 
Woran liegt es, dass sich so viele Mädchen in ihrer Teenagerzeit gegen die Mütter auflehnen?
Ich glaube, das gehört einfach zum Leben dazu. Man muss sich ja abgrenzen, man muss seinen eigenen Weg finden. Und wenn die Mütter cool sind, dann wird das für die Töchter noch schwieriger. Ich selbst war als Mutter immer ein Fan davon, den Kindern Grenzen zu setzen, so schwer das auch ist. Als meine Töchter zum Beispiel mit etwa zwölf Jahren damit anfingen, „Germany’s Next Top Model“ zu schauen, da habe ich das Magazin „Emma“ abonniert und ihnen gesagt, sie müssen für jede GNTM-Folge, die sie anschauen, einen „Emma“-Artikel lesen. Sie mussten mir referieren, was da drinstand. In meinem Film ist es so, dass Nina, die Tochter, ihrer feministischen Mutter mit  feministischen Argumenten kontra gibt. Das macht die Sache sehr lustig. Nina sagt zu ihrer Mutter: „Dafür hast du doch demonstriert, dass Frauen selbst über ihren Körper bestimmen können.“ Und dann sagt die Mutter, „Ja, aber nicht dafür, dass Frauen sich verhüllen, damit Männer nicht geil werden. Daran hat ja damals niemand gedacht. Da haben wir die Oberteile der Bikinis verbrannt.“
 
Haben es junge Mädchen heute beim Start ins Berufsleben leichter als in früheren Zeiten?
Meine Mädchen wachsen mit der Selbstverständlichkeit auf, dass sie gleichberechtigt sind und dass sie die gleichen Chancen haben wie die Jungs. Doch das ist ein großer Fehler. Das haben sie nicht. Da gibt es auch heute noch ganz viele Sachen zu erkämpfen.
 
Aber Sie haben es Ihren Töchtern doch selbst gezeigt, dass man sich als Frau im Film, einer von Männern dominierten Branche, durchsetzen kann.
In Österreich gibt es jetzt konkrete Zahlen, und aus denen geht hervor, dass der Frauenanteil in der Kino-Herstellungsförderung bei Drehbuch, Regie und Produktion auch heute noch nur bei 20 Prozent liegt. Doch die Dinge beginnen sich zu verändern. Deswegen sage ich auch meinen Mädchen: Ihr dürft jetzt nicht nachlassen. Ihr seid gefordert. Denn alles Erkämpfte steht immer wieder auf dem Prüfstand.
 
Zurück zu „Womit haben wir das verdient?“ Mit Caroline Peters haben Sie für die Rolle der Mutter eine sehr prominente Besetzung. Wie sind Sie auf sie gekommen?
Mir war klar: Ich brauchte für den Part der Mutter die beste Komödiantin, die ich kriegen kann, und das ist derzeit nun einmal Caroline Peters. Jeder, der sie schon einmal auf der Bühne sah, weiß um ihr riesiges Spektrum. Sie hat Kraft, sie hat Witz, sie ist gescheit und schaut super aus – genau diese Kombination wollte ich haben. Ich weiß gar nicht, was ich gemacht hätte, wenn ihr das Buch nicht gefallen hätte. Doch sie hat es gelesen und war sofort begeistert, wie sie mir erzählte. Wir haben uns auf Anhieb bestens verstanden. Die Arbeit mit Caroline war ein Fest.
 
Damit in einer Komödie die Pointen fliegen können, kommt es sehr stark auf den Rhythmus des Spiels an. Schreiben Sie Ihre Dialoge schon rhythmisch oder entsteht das erst beim Dreh?
Ich bin eine Perfektionistin, was meine Drehbücher betrifft, und ich bin auch ganz genau mit den Pointen. Die Figuren baue ich alle so auf, dass sie einen Bogen haben. Zwar habe ich Einiges in den Film einfließen lassen, was beim Casting und bei den Proben entstand, aber ich bin keine große Freundin von Improvisationen beim Dreh. Denn da muss man dann wahnsinnig aufpassen, dass man sich dadurch nicht andere Szenen zusammenhaut. Das ist alles durchkomponiert – beim Schneiden kamen wir drauf, dass wir wenig Möglichkeiten hatten, etwas umzustellen. Es ist so wie bei einem Kartenhaus: Wenn man eine Karte rausnimmt, dann fällt alles zusammen. Das bedeutet: Ich brauche Schauspieler, die viel mitbringen und die das Timing beherrschen.
 
Für Chantal Zitzenbacher, die die 16-jährige Konvertitin Nina spielt, muss das eine große Herausforderung gewesen sein.
Ich brauchte für diese Rolle eine Schauspielerin, die schon Dreh-Erfahrung hat und die mit den komödiantischen Szenen umgehen konnte. Sie musste genauso funktionieren wie alle anderen, und sie hat das sehr gut gemacht.
 
Sie sind ja selbst ausgebildete Schauspielerin. Wie kam es dazu, dass Sie sich auf das Drehbuchschreiben verlegten?
Ich begann zu schreiben, weil meine Töchter sehr knapp hintereinander auf die Welt kamen und ich gerne ein zweites Standbein haben wollte. Bekanntlich werden die guten Rollen für Frauen nicht mehr, wenn sie älter werden. Dann gab es im Jahr 2000 einen Drehbuchwettbewerb im ORF, den ich mit meinem ersten Drehbuch, „Tigermännchen sucht Tigerweibchen“, gewonnen habe. Das Script wurde verfilmt und so ging es los.

Eva Spreitzhofer (M.) am Set: Begeistert vom neuen Job als Regisseurin © Kolm

„Womit haben wir das verdient?“ ist nun Ihre erste Spielfilm-Regie. Wie fühlte sich der Platz auf dem Regie-Sessel an?
Genau richtig. Ich werde in Zukunft ganz sicher kein Buch mehr hergeben und für fremde Leute schreiben. Denn durch das Inszenieren konnte ich genau den Film machen, den ich wollte, und wenn mir Fehler passierten, habe ich sie auf meine Art ausgebessert. Der Film zeigt meine Sicht auf die Dinge – das möchte ich nicht mehr anders machen.



Kritik
Womit haben wir das verdient?
„Womit haben wir das verdient?“ ist eine urkomische und zugleich sehr ernsthafte Komödie über ein junges Mädchen, das eine Wiener Familie in hellen Aufruhr versetzt. Die 16-jährige Nina beschließt unverhofft, zum Islam überzutreten. Mehr...