Ulrich Seidl über die Jagd und seinen Film „Safari“


„Ich kann mir nicht vorstellen, selbst zu jagen“

17.09.2016
Interview:  Gunther Baumann

Ulrich Seidl beim Filmfest Venedig: „Es geht um die Frage, ob man die Jagd noch vertreten kann“ © Katharina Sartena

„Ich möchte, dass meine Filme etwas bewirken, das einen nicht in Ruhe lässt“, sagt der Wiener Regisseur Ulrich Seidl. Mit seiner neuen Doku „Safari“ (jetzt im Kino) ist ihm das voll und ganz gelungen. Die Filmreportage über Jagd-Touristen, die im südlichen Afrika edle Tiere wie ein Zebra oder eine Giraffe töten, befeuert die Diskussion über die gesellschaftliche Akzeptanz der Großwildjagd. Ulrich Seidl ist mit der Debatte zufrieden: „Ich mache keine Filme als reine Unterhaltung“, sagte er beim FilmClicks-Interview nach der (umjubelten) Weltpremiere von „Safari“ beim Filmfest Venedig.


FilmClicks: Herr Seidl, was hat Sie dazu angeregt, mit „Safari“ einen Dokumentarfilm über die Großwildjagd zu drehen?
Ulrich Seidl: Es geht um ein Thema, das wichtige Fragen aufwirft: Warum jagen Menschen? Warum schießen Menschen auf Tiere? Dadurch, dass „Safari“ in Afrika spielt, gewinnt der Film eine zusätzliche Dimension. Es geht um die Verbindung von Jagd und Urlaub. Man fährt nach Afrika und verbringt den Urlaub dort, indem man jagt. Eine weitere Frage ist die Bedeutung der Jagd in unserer heutigen Welt. Der Film geht auch dem Thema nach, wie wir als Menschen und als Menschheit mit Natur und Umwelt umgehen. Ich glaube, da herrscht höchste Gefahr, dass wir uns selber vernichten. Wir beuten die Natur derartig aus, dass wir eines Tages selbst nicht mehr überlebensfähig sein könnten.
 
Was haben Sie selbst für eine Einstellung zur Jagd?
Ich bin kein Jäger und ich habe auch noch nie gejagt. Aber die Jagd ist offensichtlich etwas Menschliches, das in unseren Genen liegt, zumindest bei Männern. Nicht bei allen, aber bei vielen Männern. Gleichzeitig hat die Jagd heute in der medialen Öffentlichkeit ein sehr negatives Image. Man fragt sich offensichtlich, ob die Jagd etwas ist, das man heute noch vertreten kann.
 
Wie lautet Ihre Antwort? Kann man die Jagd heute noch vertreten?
Das lässt sich nicht so einfach sagen. Ich bin kein ausgesprochener Jagdgegner. Die Frage ist immer, unter welchen Voraussetzungen wird gejagt? Mit welchem Zweck und mit welchem Ziel? Jagt man, weil es sozusagen Spaß macht, oder jagt man, weil man Populationen dezimieren will oder noch aus ganz anderen Gründen?

Trophäenjagd in Afrika: „Es war nicht leicht, Jäger für den Film zu finden“ © Stadtkino Verleih

Was war die größte Herausforderung bei der Realisierung von „Safari“?
Es war nicht leicht, Leute zu finden, die bereit sind, das zu zeigen, was sie in Afrika machen. Denn die Jäger wissen ja auch, dass das Jagen in der Öffentlichkeit ein sehr negatives Image hat. Für meine Filme suche ich stets Protagonisten, die zu dem stehen, was sie tun. Ich will niemanden überrumpeln; ich will niemandem sagen, „mach‘ das für meinen Film“. In diesem Film ging es also darum, Menschen zu finden, die sagen, „ja, ich stehe dazu, ich fahre nach Afrika, um zu jagen, und das will ich auch zeigen.“
 
Steht bei einer Doku wie „Safari“ für Sie schon beim Drehstart fest, welche Aussage der Film haben soll?
Nein. Es hätte für mich keinen Sinn, einen Film zu beginnen, wenn ich schon im Vorhinein eine positive oder negative Sicht der Dinge habe. Ich gehe bei der Arbeit dem Thema nach; ich bin selbst neugierig und möchte wissen, was passiert hier. Im Fall von „Safari“: Was passiert, wenn Menschen jagen? So entsteht der Film.
 
Ulrich-Seidl-Filme haben das Markenzeichen, dass sie in der Öffentlichkeit zu  heftigen Debatten führen. Rechnen Sie damit auch im Fall von „Safari“?
Darauf hoffe ich. Ich mache Filme auch deswegen, damit sie Debatten auslösen. Das Gezeigte soll für die Zuschauer Anregung, aber auch Verstörung genug sein, dass man aus dem Kino geht und sich darüber unterhalten möchte. Ich mache keine Filme als reine Unterhaltung – ich möchte, dass sie etwas bewirken. Und zwar etwas, das einen nicht in Ruhe lässt.
 
Was soll „Safari“ bewirken?
Der Film wird ganz sicher die Frage auslösen, ob die Jagd etwas ist, das man tun darf. Der Film ist aber nicht tendenziös, das ist wichtig. „Safari“ zeigt Menschen, die aus Überzeugung und Passion handeln. Der Zuschauer ist dazu aufgerufen, sich selbst Fragen zu stellen: Könnte ich das auch tun? Warum bin ich gegen die Jagd? Oder ist mir das ganze Thema egal?
 
Sie sagen, es gehe Ihnen auch darum, mit Ihren Filmen Verstörung auszulösen. Was ist der verstörendste Moment an „Safari“?
Das möchte ich nicht vorwegnehmen. Die Zuschauer müssen, wenn sie den Film gesehen haben, diese Frage selbst beantworten. Ich bin aber sicher, dass viele Leute aus dem Kino gehen werden, bevor der Film zu Ende ist.
 
Hat der Film Ihre Sicht auf die Großwildjagd verändert?
Nun, ich kannte die Großwildjagd vor „Safari“ gar nicht; ich habe sie durch den Film kennengelernt. Nach wie vor kann ich mir nicht vorstellen, selbst zu jagen.



Kritik
Safari
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