Kay Pollak , Carin Pollak über ihre Filme „Wie im Himmel“ und „Wie auf Erden“


„Es war, als würden die Filmfiguren bei uns an der Tür klopfen“

01.12.2015
Interview:  Gunther Baumann

Kay und Carin Pollak: „Die Stimmen der Sänger sind wie Fingerabdrücke der Seele“ © Claudia Prieler

Komödie, Chorgesang und Schicksal: Mit dem Musikdrama „Wie im Himmel“ gelang dem schwedischen Regisseur Kay Pollak vor zehn Jahren einer jener Kino-Überraschungs-Hits, die niemand auf der Rechnung hat und die dann ein ganzes Filmjahr mitprägen. „Wie im Himmel“ wurde für den Fremdsprachen-Oscar nominiert und trat eines Siegeszug um die Welt an. Allein in Österreich kamen mehr als 250.000 Besucher. Seither fragten viele Filmfreunde nach einer Fortsetzung der eminent berührenden musikalischen Geschichte aus Schweden, und nun ist es so weit: „Wie auf Erden“, der Nachfolge-Film, läuft an. Regisseur Kay Pollak, übrigens der Sohn eines Wieners, kam mit seiner Co-Autorin, Managerin und Ehefrau Carin Pollak zur Österreich-Premiere ins Wiener Filmcasino. FilmClicks hat Kay & Carin Pollak interviewt.


FilmClicks: Ihr Film „Wie im Himmel“ wurde zum großen internationalen Erfolg. Haben Sie damals mit diesem Siegeszug gerechnet oder waren Sie vollkommen überrascht davon?
Kay Pollak: Wenn man einen Film macht, kann man nie voraussehen, wie er vom Publikum angenommen wird. Aber ich kann sagen, dass ich „Wie im Himmel“ bereits vor der Veröffentlichung sehr mochte. Ich liebte diesen Film. Und ich dachte, vielleicht geht der Film den Menschen direkt ans Herz – was ja dann auch geschah. Doch das Ausmaß des Erfolgs konnte niemand erahnen. In Australien zum Beispiel hatte „Wie im Himmel‘“ mehr Zuschauer als „Titanic“.
 
Haben Sie heute, in der Rückschau, eine Erklärung für diesen Welterfolg?
Kay: Nun, manchmal trifft man mit einer Arbeit genau ins Ziel. Es ist doch so: Die größte Sehnsucht, die wir Menschen haben, ist jene, irgendwo dazuzugehören. Mit anderen Menschen verbunden zu sein. Das trifft auf die Hauptfigur von „Wie im Himmel“, den Dirigenten Daniel Dareus, zu, und das spricht viele Menschen an. Außerdem glaube ich, dass bei diesem Film viele Leute denken, sie könnten auch eine der Figuren auf der Leinwand sein.
 
Wie wichtig ist die Musik in den Filmen? Hätten Sie die Geschichten von „Wie im Himmel“ und „Wie auf Erden“ auch ohne Musik erzählen können?   
Carin Pollak: Nein. Der Chor hat eine symbolische Bedeutung in den Filmen, er repräsentiert die Menschheit.
Kay: Der Chor ist eine Metapher für das das Zusammenstehen und Zusammenhalten. Und die Stimmen der Sänger sind wie Fingerabdrücke der Seelen.

„Wie im Himmel“-Premiere in Wien: Carin & Kay Pollak mit FilmClicks-Redakteur Gunther Baumann © Claudia Prieler

Wann kam Ihnen der Gedanke, eine Fortsetzung von „Wie im Himmel“ zu drehen?
Carin: Da vergingen einige Jahre. Zunächst hatten wir das Gefühl, dass „Wie im Himmel“ eine abgeschlossene Geschichte erzählt, nach der nichts mehr gesagt werden muss. Doch nach fünf Jahren fingen wir an, über die Figuren aus „Wie im Himmel“ zu sprechen: Wie mag es Lena (der Gefährtin des Dirigenten Daniel, Anm.) gehen, was ist aus ihr geworden? Was wurde aus dem Pfarrer? Es war, als würden die Figuren bei uns an die Tür klopfen. Wir sprachen über mögliche Situationen – zum Beispiel, dass der Pfarrer derjenige sein könnte, der Lena bei der Geburt ihres Kindes beisteht. Wir wollten dem Pfarrer eine neue Chance geben: Er ist nicht nur ein Bad Guy, so wie im ersten Film. 
 
Das heißt also, die Idee zu  „Wie auf Erden“ entstand bei Ihnen von innen heraus?
Carin: Ja. Es war nicht so, dass uns ein Produzent bekniete, bitte macht einen neuen Film.
 
Wie entwickelte sich dann die Geschichte, die wir jetzt in „Wie auf Erden“ sehen?
Kay: Wir wussten, dass wir diesmal Lenas Story erzählen wollten. Und wir wollten mit der Geburt ihres Kindes beginnen, das sie mit Daniel gezeugt hatte. Hier wiederum wussten wir bald, dass der Pfarrer Lenas Geburtshelfer werden sollte, ihr großer Gegner aus „Wie im Himmel“. Diesmal sollte er der einzige sein, der ihr beistehen konnte, um das Baby auf die Welt zu bringen. Die Fabel bekommt also einen Paradigmen-Wechsel: Die junge Frau und der alte Mann gehen diesmal Hand in Hand. Und diese Verbindung beginnt in einer dramatischen Szene, denn er ist nicht nur Geburtshelfer – er rettet das Baby, das bei der Geburt auch sterben könnte, weil sich die Nabelschnur verheddert hat.
 
Die Geburts-Szene in „Wie auf Erden“ zählt zu den eindrucksvollsten, die ich je gesehen habe. Wie schwer war es, diese Sequenz, in der auch ein ganz kleines Baby zu sehen ist, zu drehen?
Kay: Oh mein Gott, ich hatte mich schon vor dem Dreh oft gefragt: Wie konnte ich so dumm sein, so eine Szene zu schreiben? (lacht) Für diese Szene brauchten wir eine enorme Logistik. Die Hauptfrage lautete: Wie finden wir an dem Tag, an dem wir die Szene drehen,  ein neugeborenes Baby? Also suchten wir in der Umgebung des Drehorts erst einmal schwangere Frauen, die einen passenden Geburtstermin hatten. Wir traten in Kontakt mit Hebammen und trafen zwei oder drei Frauen, die bereit waren, mit ihrem Baby auf den Set zu kommen.
Carin: Das Baby, das man im Film sieht, kam wenige Tage vor dem Dreh zur Welt. Bei den Aufnahmen waren die Mutter und die Großmutter des Kinds mit im Raum. Sie hielten einander an der Hand und sahen zu, wie gedreht wurde. Das war ein sehr berührendes Erlebnis. Und die Rührung setzte sich für uns auch noch später, beim Filmschnitt, fort. Jedes Mal, wenn die kleine Hand des Babys ins Bild kam und seine kleine Stimme zu hören war…

„Wie auf Erden“: Lena (Frida Hallgren) mit ihrem Baby © Poilyfilm

Spürten Sie nach dem Erfolg von „Wie im Himmel“ beim Schreiben von „Wie auf Erden“ den Druck, die Qualität des ersten Film zu toppen?
Kay: Natürlich  war da ein gewisser Druck. Wir wollten dem Publikum erneut ein Geschenk bereiten. So viele Leute hatten uns nach der Fortsetzung gefragt, oder sie schickten uns Briefe: Wann kommt der nächste Film?  Da gibt es immer einen Druck, das gehört zu einem Künstler dazu. Und das setzt sich beim Dreh fort: Die schwierige Geburts-Szene. Oder eine Szene mit 200 Statisten: Wie kann man das möglichst gut umsetzen?  Und dann existiert auch noch ein anderer, großer Druck: Stets die Kosten im Blick zu behalten.
 
Sie haben seit „Wie im Himmel“ keinen anderen Film gedreht, ließen sich also gut zehn Jahre lang Zeit. Warum die lange Pause?
Kay: Wir begannen zwischenzeitlich damit, einen anderen Film zu schreiben. Diese Geschichte beschäftigt uns nach wie vor, es wird ein enormer Film mit einem großen Ensemble und einer starken Geschichte, in der es wieder um eine junge Frau geht. Aber wir fühlten dann, dass wir noch nicht so weit waren, dieses Projekt zu realisieren. Und weil, wie eingangs erwähnt, die Figuren aus „Wie im Himmel“ wieder bei uns an der Tür klopften, entschieden wir, dass der andere Film warten muss. Es kann gut sein, dass wir den Film als Nächstes in Angriff nehmen. Aber es ist noch nicht entschieden.
 
Könnte es sein, dass Sie „Wie im Himmel“ und „Wie auf Erden“ noch zur Trilogie erweitern?
Kay: Nein. Absolut nicht. Wir haben die Story des Mannes, Daniel, erzählt, und jetzt die weibliche Story von Lena. Damit ist dieses Thema abgeschlossen.



Kritik
Wie auf Erden
Die mitunter leicht  tragisch angehauchte Komödie „Wie auf Erden“ setzt dort fort, wo der berühmte Vorgänger-Film „Wie im Himmel“ aufhörte: Die Bewohner eines Dorfs werden durch die Kraft der Musik und ihre eigene Kreativität zur echten Dorfgemeinschaft. Mehr...