Diane Kruger
über ihren Film „Die Agentin“ und ihr Training beim Mossad
„Das Herz klopfte mir bis zum Hals“
27.08.2019
Interview:
Peter Beddies
Diane Kruger geht in ihrem neuen Film „Die Agentin“ voll ins Risiko. Als Spionin für den israelischen Mossad wird sie in geheimer Mission nach Teheran abkommandiert. Das Training für die Rolle war fast aufregender als der Dreh: Die Star-Schauspielerin aus Deutschland absolvierte einen Crash-Kurs bei den realen Spezialisten vom Mossad. Im FilmClicks-Interview erzählt Diane Kruger, wie sie sich als Spionage-Praktikantin fühlte. Und dann schwenkt sie über zu einem kommenden Großprojekt: Mit dem Hamburger Regisseur Fatih Akin will sie eine Serie über Marlene Dietrich realisieren.
FilmClicks: Frau Kruger, hin und wieder hört man den Vergleich, dass der Beruf des Schauspielers und der des Agenten etwas gemeinsam habe.
Diane Kruger: Ich habe das auch mal gedacht. Immerhin ist es unser Job, Menschen zu beobachten und in andere Identitäten zu schlüpfen. Aber wirkliche Agententätigkeit, das geht dann doch noch ein Stück weiter. Das habe ich bei meinem Fünf-Tage-Training beim Mossad gesehen.
Klingt spannend. Was macht man da als Praktikantin bei einem der besten Geheimdienste der Welt?
In den ersten zwei Tagen habe ich Menschen vom Mossad kennengelernt und durfte Fragen stellen.
Die sicher nicht alle beantwortet wurden.
Genau. Aber über das, was ich wissen wollte, hat man mir viel erzählt. Ich wollte zum Beispiel wissen, wie das ist, wenn man als Agent ins Ausland geht und dort lebt, eine Familie gründet, daheim aber verheiratet ist. Wie geht so etwas, über Jahre hinweg? Oder wie ist das, wenn man sich im Einsatz plötzlich verliebt? Solche menschlichen Dinge haben mich interessiert. Tja – und dann kam das eigentliche Training.
Wie muss man sich das vorstellen?
Also, zum einen bekam ich einen falschen Pass und musste versuchen, damit auf dem Flughafen von Tel Aviv einzureisen.
Einer der bestbewachten Flughäfen der Welt.
Klar wusste ich, dass man mich, wenn das schiefgehen sollte, aus dem Gefängnis holt. Aber trotzdem: Wenn man da in der Schlange steht und wartet, das ist ein eigenartiges Gefühl. Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Mir hat das sehr geholfen, die Rolle der Agentin Rachel zu spielen. Die muss mit falschen Papieren ja in den Iran einreisen. Wenn ich mir das vorstelle… Da hat mir das Training in Tel Aviv schon gereicht.
Und sind Sie durch die Kontrollen gelangt?
Ja, aber ich habe bis zur letzten Sekunde, bis zum letzten Schritt geglaubt, dass man mich anhält
(lacht).
War dies das aufregendste Erlebnis Ihres Trainings?
Na ja, es gab noch eine andere Situation. Da bin ich mit zwei Mossad-Agenten durch Tel Aviv gelaufen und die zeigen plötzlich auf ein Mietshaus und sagen mir: „Da oben im vierten Stock, dieser eine Balkon, da stehst Du in zehn Minuten. Egal, was Du den Leuten erzählst, wie Du es machst. Erst wenn wir Dich auf dem Balkon sehen, ist die Mission geglückt“. Ich dachte mir: „Da wo ich wohne, in New York, wenn Du dort so etwas versuchen würdest, wären die Chancen groß, dass man Dich erschießt.“ Also solche Sachen würde man als Schauspieler sonst sicher nicht ausprobieren.
Haben Sie den unbedingten Einsatzwillen verstehen können, mit dem israelische Agenten unterwegs sind? Wie sehr sie ihr Land lieben? Das ist ja schon extrem.
Auf jeden Fall. Das hatte ich auch unterschätzt. Wie die Rachel, meine Filmfigur, auch. Ich bin zwar Deutsche. Aber seit meiner Jugend bin ich ja eher so ein Drifter. Ich lebe hin und wieder in Frankreich, bin aber keine Französin. Deutsche eigentlich auch nicht mehr so richtig. Amerikanerin auch nicht. Bin ja seit mehr als 25 Jahren unterwegs. Aber mit Menschen aus Israel ist das irgendwie noch etwas anderes. Egal, wo sie auf der Welt Landsleute treffen, fühlen sie sich verbunden. Da gibt es dieses jüdische Verbundensein. Auf der anderen Seite geht jeder und jede von ihnen für zwei Jahre zur Armee. Die Leute vom Mossad, mit denen ich gesprochen habe, die reden mit großem Stolz von ihrer Arbeit.
In der Gesellschaft wird Vieles weiblicher heutzutage. Männerbastionen stürzen. Nur die Spione sind meist immer noch männlich. Ist der Film „Die Agentin“ Ihre Bewerbung als Bond, Jane Bond?
(lacht) Nein, auf keinen Fall. Ich bin nicht so der Martial-Arts-Typ. Das war auch einer der Gründe für mich, „Die Agentin“ auf jeden Fall spielen zu wollen. Dieser Film ist das krasse Gegenteil der Action-Spionage-Blockbuster. Und hier ist mal eine Frau in der Spionage zu sehen, fand ich toll.
2017 drehten Sie mit Regisseur Fatih Akin das Terror-Drama „Aus dem Nichts“ – und erhielten die Silberne Palme von Cannes als beste Schauspielerin. Stimmt es, dass Ihre Arbeit mit Fatih Akin bald weitergeht? Sie hatten wohl die Idee zu einem Marlene-Dietrich-Projekt.
Ja, das stimmt. Mit Fatih arbeite ich gern wieder zusammen, weil der auf gut Deutsch – wie soll ich es sagen – als Filmemacher Eier hat. Er hat eine Vision und die setzt er um. Als Schauspielerin suche ich solche Regisseure, die konsequent sind. Das neue Projekt soll eine Serie werden. Momentan schreiben Fatih und ich am Drehbuch.
In welche Richtung soll es gehen?
Die Produktion soll auf jeden Fall zeigen, wie modern Marlene Dietrich auch heute noch ist. Deshalb passt Fatih ja als Regisseur so gut. Er ist für mich auch ein sehr moderner Filmemacher. Die Serie soll vom größten deutschen Star erzählen, den es jemals gab. Dass sie in Deutschland verpönt war eine ganze Zeit, gerade auch nach dem Krieg. Und dann soll es um den Widerspruch gehen zwischen dem Star Marlene und ihr als Mensch, als Tochter, als Mutter und so weiter. Ihre ganze Geschichte finde ich unglaublich faszinierend. Marlene ist für mich eine außergewöhnliche Frau, die es verdient, dass man ihre Geschichte erzählt. So wie sie war, mit ihren Schwächen und Stärken.
Welche Zeitspanne soll die Serie umfassen?
Das ist noch nicht so ganz klar. Aber es wird wohl ein Familienbild werden mit ihr in der Mitte. Fatih ist wohl eher daran interessiert, wie Marlene Dietrich so privat war.
Begibt man sich mit so etwas nicht aufs Glatteis? Von Legenden zu erzählen, ist meist schwierig.
Ja. Aber ich bin so fasziniert von ihr. Und keiner weiß, wie sie wirklich war. Man weiß natürlich, wie sie aussah. Und wenn ich mich dann in Marlene verwandeln werde, hat das natürlich viel mit Kostüm und Maske zu tun. Aber wir wollen diese Person Marlene Dietrich als Puzzle zusammenstecken. Und so etwas ist immer subjektiv. Jeder stellt sie sich anders vor. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die perfekte Marlene Dietrich bin. Aber das ist auch nicht das Ziel. Uns geht es darum, dem Publikum ein Angebot zu machen, wie wir Marlene sehen. Und das kann gefallen oder auch nicht. Wir werden sehen.