Ron Howard über seinen Thriller „Inferno“ und das Blockbuster-Kino


„Hollywood vertraut mir“

12.10.2016
Interview:  Peter Beddies

Ron Howard: „Ich will Geswchichten mit echten Charakteren erzählen“ © Sony

Regie-Star Ron Howard gehört zu den Erfolgsgaranten in Hollywood. Seine Filme kosten nie mehr als veranschlagt. Er liefert eher zu früh als zu spät. Die Werke haben durchweg einen hohen Unterhaltungswert. Und seit „A Beautiful Mind“ (2001) darf er sich auch Oscar-Preisträger nennen. Seine letzten beiden großen Hollywood-Blockbuster waren die Dan-Brown-Thriller „Sakrileg“ (2006) und „Illuminati“ (2009). Danach nahm er eine Auszeit vom Studio-System, in der er kleine Meisterwerke wie das Niki-Lauda-Drama „Rush“ drehte. Nun ist Howard mit „Inferno“ wieder zu einem Dan-Brown-Thriller, zu seinem Star Tom Hanks und zum Blockbuster-Kino zurückkehrt. FilmClicks sprach mit ihm bei der Deutschland-Premiere in Berlin.


Ron Howard mit Tom Hanks, Felicity Jones, Omar Sy und Dan Brown (v. re.) © Sony

FilmClicks: Nach Ihrem Riesen-Hit „Illuminati“ hätte man vor ein paar Jahren denken können, dass Sie einen großen Film nach dem anderen für das Studiosystem in Hollywood realisieren. Doch dem war nicht so. Gab es keine guten Angebote?

Ron Howard: Oh doch, da war schon einiges dabei. Aber ich brauchte erst einmal ein bisschen Ruhe. Also habe ich kleinere Filme wie „Rush“ gemacht.
 
Haben Sie wirklich gerade kleinere gesagt? Für Europa war „Rush“ mit Daniel Brühl und Chris Hemsworth ein Riesending.
Das kann man so sehen, und der Film war auch ein großer Erfolg, ohne Frage. Aber er entstand außerhalb des Studiosystems. Der Druck dort ist viel kleiner. Die Gelder, um die es geht, sind nicht so astronomisch. Dafür hat man größere Freiheiten. Das habe ich bei „Rush“ und anderen Filmen sehr genossen.
 
Was hat Sie bei den großen Blockbustern für die Studios genervt?
Es gibt diese Tendenz heutzutage, dass alles im größer sein muss und dass Unterhaltung an erster Stelle steht. Das finde ich meistens völlig in Ordnung. Schließlich sollen diese Filme ihr Publikum erreichen und Geld einspielen. Aber was mich oft stört, ist, dass es nicht mehr um echte Charaktere geht. Doch solche Geschichten will ich eigentlich erzählen. Und wenn das im System der Studios nicht geht, dann nehme ich mir meine Auszeiten.
 
Wie hat Hollywood nun reagiert, als Sie zurückgekommen sind? Waren Sie plötzlich der Außenseiter?
Hollywood denkt anders. Hollywood vertraut mir. Man weiß, welche Stoffe ich wie umsetzen kann und es auch tue. Das ist ein schönes Gefühl für beide Seiten.
 
„Inferno“ ist der vierte Robert-Langdon-Thriller von Dan Brown. Davor schrieb er noch  „The Lost Symbol“. Wieso wurde dieser Roman nicht zuerst verfilmt?
Als „The Lost Symbol“ 2009 erschien, gab es natürlich Gespräche darüber, ob wir einen Film daraus machen sollten. Aber egal, welchen Ansatz wir auch wählten, es ergab  keinen Sinn. Als Buch funktioniert „The Lost Symbol“ sehr gut. Doch die Story hat viele phantastische Elemente, von denen wir nicht wussten, wie wir sie in einem Film unterbringen sollten. Irgendwann wird jemand dieses Buch sicher verfilmen. Ob ich es bin, kann ich nicht sagen.
 
Haben Sie bei beim Projekt „Inferno“ sofort zugesagt?
Ja, das war eigenartig. Schon kurz nach dem Erscheinen des Buches reichten ein paar Mails und Anrufe aus und wir waren uns sofort einig, dass dieser Roman danach schreit, verfilmt zu werden.

Tom Hanks als Robert Langdon: Held mit Köpfchen statt mit Knarre © Sony

Was mögen Sie an der Figur des Symbologen  Robert Langdon, den Sie nun im Kino schon zum dritten Mal die Welt retten lassen?
Es gibt heutzutage viele Superhelden, die mit übergroßen Knarren losziehen, um das Böse zu bekämpfen. Robert Langdon braucht das nicht. Außerdem wird er von Tom Hanks gespielt, mit dem ich unglaublich gern arbeite.
 
Wie könnte man „Inferno“ mit einem Satz am besten ankündigen? Jason Bourne trifft auf Indiana Jones?
Nicht schlecht. Ich würde noch eine Prise Sherlock Holmes hinzufügen. Robert Langdon tritt den Schurken dieser Welt nicht mit einer 45er, sondern mit seinem Intellekt entgegen.
 
Sie haben das Ende von „Inferno“ für den Film komplett neu gestaltet. Warum?
Weil das Ende des Buches genau dort Sinn macht – im Buch. Aber im Film hat es nicht hingehauen. Wir sprechen in der Story von einer weltweiten Krise. Einer Krise, die uns im Normalfall alle bedrohen könnte. Deshalb sollte der Film schneller erzählt werden, moderner aussehen. Er sollte bedrohlicher wirken. Und auch die Musik von Hans Zimmer, die wesentlich elektronischer klingt, sollte in diese Richtung gehen.

Dan Brown: Pragmatischer Bestseller-Fabrikant © Sony

Wie reagiert Dan Brown, wenn man mit einschneidenden Veränderungen um die Ecke kommt? Schließlich ist er einer der großen Star-Autoren momentan.
Damit hat er keine Probleme. Zum einen weiß er ja, wie das Geschäft läuft. Er hat keinen Einfluss auf das, was wir letztendlich machen. Aber er ist einer der ausführenden Produzenten des Films. Wenn wir ihm gesagt haben, dass Dieses und Jenes aus bestimmten Gründen nicht geht, dann mag er nicht jedes Mal einverstanden gewesen sein. Aber es läutete garantiert nach spätestens 45 Minuten das Telefon und Dan hatte jede Menge Ideen, was Robert Langdon stattdessen tun könnte. Jedenfalls haben wir das Ende neu gestaltet und plötzlich ergab alles einen Sinn. Wir haben uns darauf verständigt, dass der Film eine Version davon ist, wie das Buch auch hätte ausgehen können.
 
Man kann in „Inferno“ wieder ordentlich viel lernen. Zum Beispiel über den großen Dichter Dante Alighieri (1265 – 1321). War das auch für Sie eine Neu- oder Wiederentdeckung?
Wenn, dann eine Wiederentdeckung. Ich habe Dante in der Schule gelesen, aber ganz sicher nicht verstanden. Mich faszinieren zum Thema Dante zwei Dinge. Zum einen, dass wir heute noch – nach so vielen Hunderten von Jahren – an das Konzept der Hölle glauben, das er damals erfunden hat. Und zum zweiten ist er mit seinen Darstellungen der Höllen-Gräuel nichts Geringeres als der Urvater des Horror-Genres.
                    
In „Inferno“ geht es um einen tödlichen Virus. Wie stellt man so einen Virus filmisch dar? Jeder weiß, dass in dem Behälter nichts Tödliches sein kann. Aber trotzdem muss es so aussehen.
Da haben Sie völlig Recht. Ich kann Ihnen auf jeden Fall sagen, dass es scheußlich schmeckt (lacht). Aber es sieht natürlich furchterregend aus. Viel Wasser und Öl. Es hat großen Spaß gemacht, daran so lange herumzuwerkeln, bis alle zufrieden waren. Es wurde generell viel gelacht bei diesem Film. Tom ist stets gut gelaunt und hat einen sehr trockenen Humor. Omar Sys dröhnendes Lachen hörte man häufiger über den gesamten Set hinweg – sehr schöne Stimmung.
 
Vor Ihrer Regie-Karriere waren Sie selbst Schauspieler und ein Kinderstar. Können Sie sich an Ihr erstes Kinoerlebnis erinnern?
Bei meinem ersten Film war ich zwei Jahre alt. Ich habe sogar selbst mitgespielt. Ich bin als Baby zu sehen, das in den Armen seiner Mutter – übrigens meiner wirklichen – liegt. Mein Vater hat damals einen der Schurken gespielt. Es war ein Low-Budget-Western namens „Todespfeil am Mississippi“. Drei Jahre später hatte ich dann meinen ersten richtigen Auftritt in einem Film. Der hieß „Die Reise“; mit Yul Brunner und Deborah Kerr. Es ging um den Aufstand 1956 in Ungarn. Gedreht wurde in Wien. Meine Eltern hatten aus einem einfachen Grund nichts dagegen, dass ich das mitmache. Sie meinten, es wäre die einzige Möglichkeit für unsere Familie, sich einen Ausflug nach Europa leisten zu können. Nach dem Dreh in Wien sind wir im Anschluss noch nach Paris, Venedig und London gefahren.
 



Kritik
Inferno
„Inferno“ ist die dritte Verfilmung eines Dan-Brown-Thrillers mit Tom Hanks als Professor Langdon und Ron Howard als Regisseur. Wie immer geht’s um die Rettung der Welt: Ein obskurer Milliardär will eine tödliche Seuche über die Menschheit streuen, um die Überbevölkerung der Erde zu verhindern. Mehr...