„Eigentlich wollte ich einen Film über Opern machen“
03.10.2018
Interview:
Peter Beddies
Florian Henckel von Donnersmarck mag die komplizierten Stoffe im Kino. Gleich mit seinem ersten Spielfilm, dem Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“, holte er den Oscar. Danach versuchte er in Hollywood, eine schlichte Geschichte zu erzählen. Das Resultat: „The Tourist“ floppte, trotz Johnny Depp und Angelina Jolie. Und der Filmemacher wusste, dass das nicht seine Welt ist. Nun hat er mehrere Jahre gegrübelt. Und mit „Werk ohne Autor“ einen Drei-Stunden-Film über die Kunst und die deutsche Geschichte vorgelegt, der bei der Weltpremiere vor ein paar Wochen in Venedig gefeiert wurde. FilmClicks hat mit Florian Henckel von Donnersmarck in Berlin gesprochen.
FilmClicks: Wie hat „Werk ohne Autor“, dieser Film über das Wesen der Kunst, für Sie begonnen? Woher nahmen Sie die erste Idee?
Florian Henckel von Donnersmarck: Na ja, eigentlich wollte ich etwas über Opern machen.
Über Opern?
Ich wollte halt gern einen Film über einen Komponisten drehen, der in seiner Kammer sitzt und wie er dann auf die unsterblichen Melodien kommt. Und, so hatte ich mir das vorgestellt, wie er in den Opern die Erfahrungen seines Lebens verarbeitet.
Hat offenbar nicht so ganz geklappt.
Kann man so sagen. Die traurige Wahrheit – musste ich irgendwann erkennen – ist jene, dass zum Beispiel Giuseppe Verdi Schiller liebte und ein Schiller-Stück nach dem anderen in Noten umsetzte. Oder dass irgendein mehr oder weniger begabter Librettist einem großen Komponisten ein Drehbuch, also ein Libretto, schickte, und der schrieb dazu geniale Noten. Es gab da irgendwie nichts!
Wie sind Sie dann auf den großen Maler Gerhard Richter gekommen, an dessen Leben sich Ihr Film lose anlehnt?
Das waren wieder etliche Schritte. Mit Kunst beschäftige ich mich schon lange. Und da war mir die Kunstakademie in Düsseldorf schon vor längerer Zeit mal aufgefallen. Besonders, was die 1960er Jahre angeht.
Was ist dort damals passiert?
Es hat sich eine ganze Gruppe von Künstlern versammelt, die meisten von ihnen heute berühmt. Viele kamen aus dem Osten Deutschlands, wo sie aufgewachsen waren. Und in der Zeit in Düsseldorf haben sie Kunst geschaffen, die man als wahr bezeichnen kann.
Gerhard Richter hat sich auch dort ausbilden lassen.
Ja, aber auf ihn bin auf einem anderen Weg gestoßen. Es gibt ein Buch eines Spiegel-Autors über Gerhard Richter. Als ich das las – dass er in drei politischen Systemen gelebt hat, dass er in der DDR zum Maler wurde, in Dresden die Liebe seines Lebens fand, dass er die DDR irgendwann nicht mehr ertrug, dass seine Kunst tief in seinem Leben verankert ist –, da wusste ich, dass ich meine Geschichte gefunden hatte.
Aber Sie betonen immer wieder, dass „Werk ohne Autor“ keine Gerhard-Richter-Biografie ist.
Völlig richtig. Das war wohl auch der Grund, dass Gerhard Richter mir erlaubt hat, ihn zu besuchen. Er wusste, dass ich mein eigenes Werk drehen würde. Ich konnte vier Wochen lang mit ihm in Köln reden. Durfte unsere Unterhaltungen auch aufnehmen. Dann ist er mit mir nach Dresden an die Orte seiner Kindheit und Jugend gereist. Das war für mich und meinen Film schon eine große Hilfe.
Sie zeigen 30 Jahre deutscher Geschichte mit all dem, was sie so speziell gemacht hat.
Zumindest im 20. Jahrhundert war das so. Wir haben da den ganzen Wahnsinn der Weltgeschichte nachgelebt. Die ganze Welt war zerrissen zwischen Ost- und Westblock. Deutschland auch – Berlin nochmal extra. Viele Extreme passierten da in wenigen Jahren. Und es gibt eben Menschen, auch das wollte ich mit meinem Film zeigen, deren Antennen so fein sind, dass sie Schwingungen aufnehmen und daraus Kunst machen können.
Muss man Gerhard Richter und die anderen Künstler kennen, um Ihren Film verstehen zu können?
Nein, überhaupt nicht. Wer die Künstler kennt, wird vielleicht noch ein bisschen mehr erkennen als die Menschen, die sich da nicht so gut auskennen. Aber es geht in meinem neuen Film ja auch um Verrat in der eigenen Familie. Es geht um Machtstrukturen, um das Verdrängen der Schuld und natürlich auch um die große Liebe. Das versteht wirklich jeder.
Sie inszenieren Filme. Sie schreiben Bücher. Da liegt der Verdacht nahe, dass Sie auch malen können?
Nein, Malen gehört leider nicht zu meinen Talenten
(lacht). Ich schäme mich immer, wenn ich für meine Filme etwas zeichnen und das beim Drehen zeigen muss. Aber die Zeichnungen sind zumindest so klar, dass die Anderen sie verstehen.