Daniel Glattauer
über die Verfilmung seines Bestsellers „Gut gegen Nordwind“
„Viele haben das Gefühl, dass ich ihre Geschichte erzähle“
11.09.2019
Interview:
Gunther Baumann
Der Wind hat ihm Glück gebracht. Der Wiener Autor Daniel Glattauer – damals noch Journalist beim „Standard“ – schrieb 2006 mit dem E-Mail-Roman „Gut gegen Nordwind“ einen Bestseller, der ein Millionenpublikum erreichte. Jetzt übersiedelt der literarische Online-Flirt ins Kino: Nora Tschirner und Alexander Fehling spielen in der Filmversion von „Gut gegen Nordwind“ die Hauptfiguren Emmi und Leo, die im virtuellen Raum eine intensive Beziehung beginnen, ohne sich je persönlich zu begegnen. FilmClicks traf Daniel Glattauer vor der Wiener Filmpremiere zum Gespräch über virtuelle Romanzen sowie über die Verfilmung und den phänomenalen Erfolg seines Romans.
FilmClicks: Herr Glattauer, Sie haben Ihren E-Mail-Roman „Gut gegen Nordwind“ vor 13 Jahren veröffentlicht. Haben Sie damals schon das WhatsApp-Zeitalter von heute vorausgeahnt, in dem viele Menschen lieber schriftlich als persönlich miteinander kommunizieren?
Daniel Glattauer: Nun, auch 2006 war es nichts Außergewöhnliches, zu mailen und dadurch vielleicht Menschen kennenzulernen. Bei „Gut gegen Nordwind“ wollte ich zunächst nur den Einstieg in Mail-Form schreiben und anschließend zu einer herkömmlich erzählten Geschichte wechseln. Doch dann entschied ich mich dazu, bei dieser Machart zu bleiben, sodass das Buch ein reiner E-Mail-Roman wurde. Das war aber nichts Revolutionäres – das war ein Versuch. Wobei ich öfter die Frage gestellt bekam: „Ein E-Mail-Roman, was soll denn das sein?“ Aber das Konzept ist aufgegangen.
Steht „Gut gegen Nordwind“ formal in der Tradition klassischer Briefromane?
Beim Schreiben habe ich an diese Parallelen gar nicht gedacht. Erst im Nachhinein fiel mir auf, dass mein Buch die Briefromane auf moderne Art weiterführt: Man schreibt einander, es entwickeln sich Gefühle… Im Briefroman mussten die Protagonisten natürlich ewig warten, bis eine Antwort kam. Beim E-Mail-Roman kann es hingehen Schlag auf Schlag gehen, mit großer Spontaneität. Man kann gut mit Nähe und Distanz arbeiten.
Warum treffen Ihre Hauptfiguren Emmi und Leo einander nie?
Ich hatte irgendwann die Idee, dass das Buch vielleicht noch spannender würde, wenn es eine rein virtuelle Liebesgeschichte erzählt, bei der es zu keinem Treffen kommt. Danach haben mir aber die Leserinnen und Leser den Computer vollgeschrieben, dass das so nicht geht
(lacht). Das hat für ein großes Ärgernis gesorgt. Drum hab‘ ich mir letztendlich überlegt, wenn die Begegnung von Emmi und Leo so ein großer Wunsch ist, dann probiere ich für mich selber, ob man das nicht fortsetzen kann. Daraus entstand der Roman „Alle sieben Wellen“, in dem die beiden einander treffen. Das ist auch interessant: Sie begegnen sich, doch es ist nicht so, dass es gleich funkt, sondern sie müssen erst einmal zurück zum Start.
Was ist das Geheimnis des gewaltigen Erfolges von „Gut gegen Nordwind“, dessen Gesamtauflage mittlerweile ja mit drei Millionen Exemplaren beziffert wird?
Ich weiß es nicht. Ich glaube, der Roman liegt sehr nah am Puls der Zeit – und es haben offenbar viele Leserinnen und Leser das Gefühl, dass ich ihre Geschichte erzähle. Da hat etwas geschlummert. Außerdem ist es ein Buch, in das man wahnsinnig viel Phantasie hineinstecken kann. Jeder malt sich seine Figuren so aus wie er es will. Diese Phantasie ist jetzt beim Film natürlich weg – der muss anders funktionieren.
Wie gefiel Ihnen denn die Idee, aus dem Roman einen Film zu machen?
Es hat zehn Jahre lang ständig Angebote für eine Verfilmung gegeben, aber die kamen von Produktionsfirmen, die einfach nur den Bestseller haben wollten, jedoch kein Konzept für den Film geboten haben. Darauf antwortete ich stets, das kommt überhaupt nicht in Frage, das machen wir nicht. Als ich schon gar nicht mehr daran dachte, dass eine Verfilmung eine Möglichkeit wäre, kamen Regisseurin Vanessa Jopp und die Produktionsfirma Komplizen Film („Toni Erdmann“, Anm.) zu mir. Sie legten ein Konzept vor, das interessant klang. Und es bedeutete, dass der Film in Frauenhänden liegen würde, das fand ich sehr gut. Ich finde den Film nicht kitschig – zumindest nicht kitschiger als das Buch –, und ich kann mich in die Personen sehr gut hineinversetzen.
Was war denn das Besondere am Filmkonzept von Vanessa Jopp und Komplizen Film?
Der Film sollte auf mehreren Ebenen ablaufen. Auf der realen Ebene, auf der virtuellen Ebene, und dann gibt es noch eine magische Ebene, wenn Leo und Emmi nebeneinander im Bett liegen, wobei man weiß, dass das nur eine Phantasie ist. Sie wollten auch viel von meinen Dialogen verwenden, so weit das halt möglich ist bei der Kürze eines Films.
Entsprechen die Hauptdarsteller Nora Tschirner und Alexander Fehling den Figuren, die Sie beim Schreiben von „Gut gegen Nordwind“ vor Augen hatten?
Nora Tschirner war für mich sofort die Emmi. Sie ist für mich ein Prototyp meiner Romanfigur. Weil sie so quirlig ist und so einen Schmäh hat. Den Leo habe ich mir beim Schreiben vom Typ her ein bisschen anders vorgestellt als Alexander Fehling. Etwas älter, ein bissl schüchterner – anders halt. Aber ich habe mich an Alexander gewöhnt und ich finde, er spielt hervorragend. Er macht seine Sache sehr gut. Das ist nämlich sehr schwer. Diesen Film zu spielen, ist sauschwer. Weil so wenig passiert und weil die Darsteller glaubhaft rüberbringen müssen, dass ihnen ein paar Zeilen sehr viel bedeuten. Es ist sehr viel Nachdenken und Nachfühlen gefordert – das ist natürlich nicht sehr actionreich.
Ein Schlüsselsatz aus dem Film lautet: „Emmi schreiben ist wie Emmi küssen.“
Das ist kein Originalzitat von mir. Bei mir heißt es „Schreiben ist wie Küssen ohne Lippen, Schreiben ist Küssen mit dem Kopf“, oder so ähnlich. Im Film hört man also eine vereinfachte Version, aber so etwas ist notwendig, ich bin darüber gar nicht böse.
Der Filmsatz klingt aber wie ein Spruch für die WhatsApp-Generation, die zu einem gewissen Grad persönliche Kontakte scheut.
Natürlich. Es sind ja viele Jahre vergangen, seit der Roman erschien, und die Filmemacher haben die Geschichte von der reinen E-Mail erweitert zu allen anderen technischen Möglichkeiten, die es heute auch noch gibt. Der Film bedient das Handy zeitgemäß, so wie das heute ist. Drum ist es für mich eine sehr passende, moderne Liebesgeschichte geworden.
Waren Sie in die Entstehung des Films involviert?
Nein. Ich bin immer wieder informiert worden, aber ich wollte nicht mitarbeiten. Natürlich habe ich das Drehbuch in mehreren Fassungen gelesen und ein bissl meinen Kren dazugegeben.
„Gut gegen Nordwind“ hat ja als Buch, wie Sie schon sagten, mit „Alle sieben Wellen“ eine Fortsetzung. Wird es auch eine Film-Fortsetzung geben?
Das ist noch nicht angedacht. Wenn „Gut gegen Nordwind“ jetzt ein Erfolg wird, kann ich mir vorstellen, dass die Produzenten eine Fortsetzung machen wollen. Und dann muss ich selber erst nachdenken, ob ich das will.