Danny Boyle
über „T2: Trainspotting“ und das Vergehen der Zeit
„Männer haben ein Problem mit dem Alter!“
07.03.2017
Interview:
Peter Beddies
Die Fans hätten es wohl gern schon vor vielen Jahren gesehen: Das Sequel zum Kultfilm „Trainspotting“. Aber erst jetzt - mehr als 20 Jahre nach dem Original – schafft es „T2“ auf die große Leinwand. Warum hat es mit der Fortsetzung so lange gedauert und wie geht die Geschichte nun nach dem zweiten Teil weiter? FilmClicks hat mit Regisseur Danny Boyle bei der Berlinale darüber gesprochen.
FilmClicks: Mr. Boyle, waren Sie in den letzten Jahren zu stark mit anderen Projekten beschäftigt, um Zeit für einen zweiten „Trainspotting“-Film zu finden?
Danny Boyle: Nun ja, zunächst musste ich eine ziemlich wichtige Frage beantworten. Und die lautete: Warum? Wieso soll man ein Projekt wie „Trainspotting“ noch einmal auflegen? Dafür muss es verdammt gute Gründe geben. Vor zehn Jahren schauten wir uns an, ob sich Irvine Welshs Roman „Porno“, der literarische Nachfolger von „Trainspotting“, als Film eignen würde. Doch das war irgendwie zu konventionell. Grauenhaft! Also, nicht der Text – der Film wäre nicht gut geworden. Eine einzige Enttäuschung, um ehrlich zu sein. Was jetzt in „T2“ vom Roman übrig geblieben ist, das ist der Anfang. Jemand kommt nach vielen Jahren zurück in die Heimat.
Was hat dieses Mal gestimmt, was war anders?
Ich glaube, das hat hauptsächlich mit John Hodges zu tun, der auch schon das Drehbuch für „Trainspotting“ schrieb. Er hatte gerade etwas erlebt, dass er dann für „T2“ verwenden konnte. John wurde schwer krank. Er muss so Ende 40 gewesen sein. Als er wieder gesund wurde, hatte er mit einem Mal das Gefühl, dass sich etwas grundlegend in seinem Leben geändert hatte. Die Jugend war weg und es war noch so viel Zeit zu leben da. Aber niemand hatte ihm je gesagt, wie man ohne diese Jugend lebt. Was man jetzt in der Mitte seines Lebens macht. Davon handelt unser neuer Film ganz grundsätzlich.
Es gibt zwischen den beiden Teilen so etwas wie eine emotionale Brücke – wenn Ewan McGregor als Mark Renton über „Choose Life“ reflektiert.
Es war mir sehr wichtig, das in beiden Filmen zu haben. Während im ersten Film noch die Hoffnung überwiegt, dass sich etwas ändern könnte, ist der Tonfall nun ein ganz anderer. Alles, was sich Renton erträumt hat, ist nicht eingetreten. Das große Gefühl in ihm ist also Enttäuschung. Kein Job, keine Familie, die eigene Mutter ist gestorben. Er war nicht mal auf ihrer Beerdigung. Sicher gibt es auch Hoffnung in diesem Film. Aber viel weniger als vor 20 Jahren.
Wie sehr haben sich Ihre Hauptfiguren in den letzten zwei Jahrzehnten verändert?
Naja, sie sind Männer und hängen nach wie vor der Idee nach, für immer jung bleiben zu können. Männer haben ein Problem mit dem Alter! Bei Frauen ist das anders. Ihr Körper spricht viel mehr zu ihnen. Sie hören die biologische Uhr in sich ticken. Frauen altern mit Würde – Männer eher nicht. Männer leugnen das Alter so lange, bis es schon peinlich wird. Jeder von uns kennt das. Väter, die sich plötzlich auf die Tanzfläche begeben und so tun, als wären sie 20. Denen möchte man doch am liebsten zurufen: Hört auf damit! Benehmt Euch nicht wie Teenager! In „T2“ sehen wir unsere Helden. Das ist manchmal komisch und fast immer schwingt ein Hauch der Melancholie mit.
Wie halten Sie es mit dem Altern? Zulassen oder dagegen kämpfen?
Alles, was ich dazu sagen kann: Es ist ein sehr persönlicher Film. Vielleicht sogar der persönlichste, den ich je gemacht habe. Im Nachhinein muss ich sagen, dass „T2“ ein Film über das Thema Zeit ist. Auch beim Drehen haben wir ständig darüber gesprochen. Wie die Zeit vergeht - nämlich in Ellipsen und nicht geradlinig - und was das für jeden von uns bedeutet. Als ich den Film vor ein paar Monaten zum ersten Mal auf einer großen Leinwand gesehen habe, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Ich hatte ja alle Personen besetzt und auch Regie geführt. Aber plötzlich sah es so aus, als wären überall Kinder. Da wurde mir bewusst, worum es in diesem Film im Kern geht: Um Vater und Kinder und wie schlecht sich die ältere Generation der jüngeren gegenüber benimmt. Und dann geht das Kopfkino los: Auch ich war viel beruflich unterwegs. Wie haben meine drei Kinder das wahrgenommen? Bin ich ihnen gerecht geworden?
Für viele Menschen ist „Trainspotting“ mehr gewesen als ein Film, viel mehr. Hat der Film diesen Ikonen-Status auch für Sie?
Nein, auf keinen Fall. Man macht Filme und hofft, dass sie die Zeit gut überdauern. Einige tun das und dann kann es passieren, dass es Filme wie „Trainspotting“ gibt. An den erinnern sich die Leute heute noch mit einer Intensität, dass es mich jedes Mal verblüfft. Manchmal werde ich in der U-Bahn auf den Film angesprochen. Dann reden die Leute über die Charaktere, deren Namen sie alle noch wissen – was nur extrem selten passiert, außer vielleicht bei „Titanic“ – und sie verwickeln einen in erstaunliche Diskussionen. Diese Treffen waren unter anderem dafür verantwortlich, dass es „T2“ jetzt gibt. In solchen Momenten merke ich natürlich, dass uns da etwas Außergewöhnliches gelungen ist. Aber eine Ikone ist der Film für mich nicht.
Wie geht es jetzt weiter? Ist „T3“ schon in Sicht?
(lacht) Keine Ahnung. So etwas kann man nicht planen. Jeder Film hat, wenn er Glück hat, die richtige Zeit, zu der er fortgesetzt wird. Oder eben auch nicht. Was ich mir sehr gut vorstellen kann, ist ein Umzug ins TV: „Trainspotting – Die Serie“. Irvine Welsh hat wesentlich mehr über diese Charaktere geschrieben. Nicht nur über die, die wir jetzt schon aus den Filmen kennen. Da wartet ein ganzes Universum darauf, entdeckt zu werden.