„Zu viel Anerkennung kann auch Gift sein“
19.12.2016
Interview:
Gunther Baumann
Sie haben einander während der Tonaufnahmen im Synchronstudio nie gesehen und geben doch ein hinreißendes Duo ab: Lina Larissa Strahl („Bibi & Tina“) und Pop-Star Andreas Bourani („Auf uns“) sprechen die Hauptrollen in der deutschen Fassung des Disney-Weihnachts-Kinohits „Vaiana“. Wir trafen die beiden (unabhängig voneinander) zum Interview. Lina Larissa Strahl erzählt, was sie mit der Titelfigur, dem mutigen Südsee-Mädchen Vaiana, verbindet. Und Andreas Bourani berichtet über die Parallelen zwischen seiner Filmfigur, dem Halbgott Maui, und den Erlebnissen, die man als Star-Rocker so hat.
FilmClicks: Herr Bourani, wie war Ihre Reaktion , als die Anfrage kam, Sie sollen in „Vaiana“ den Halbgott Maui sprechen?
Bourani: Ich habe mich total gefreut. Denn ich hatte schon den Trailer gesehen und fand, der Film schaut super aus – und ich fand auch diese Geschichte aus der Südsee sehr interessant, weil die ein bisschen untypisch ist für einen Disney-Weihnachtsfilm. Der Halbgott Maui, den ich spreche, ist keine glatte Figur; er ist eher einer, der Reibung erzeugt durch das große Ego und den Narzissmus, den er hat, und den er dann Schritt für Schritt aufgeben muss. Maui gegenüber steht die junge Vaiana. Die sucht ihre Identität und macht sich auf die Reise zu den Wurzeln ihres Volkes. Vaiana ist die Mutigere der beiden, wobei man ja eigentlich nur dann mutig ist, wenn man Angst hat vor etwas. Da sie dauernd neue Wege geht und Neues erlebt, muss sie auf jeden Fall smarter sein als Maui, um all diese Wagnisse einzugehen. Sie ist auch diejenige, die das Abenteuer vorantreibt, während er noch selbstgerecht und selbstverliebt auf seiner Insel sitzt.
Popstars werden von ihren Fans oft abgöttisch verehrt. Lassen sich da Berührungspunkte finden von Ihrem Leben zur Figur des Halbgotts Maui, den Sie sprechen?
Bourani: Maui hat als Halbgott Fähigkeiten, die ihn über andere stellen, weil er ihnen überlegen ist. Das ist eine Form von Macht. Da steckt dann schon die Frage mit drin, wie man mit so einer Gabe umgeht. Das ist für mich durchaus identifizierend als Rolle: Ich bekomme durch meinen Beruf viel Anerkennung und habe auch ein großes Ego. Da muss ich immer wieder reflektieren: Was passiert hier? Was sind Projektionsflächen und was sind wirkliche Erfolge, auf die ich stolz sein darf und kann? Da gibt es Parallelen zu Maui, in denen ich mich wiederfinde. Und das wiederum erleichtert das Spielen der Figur.
Weil Sie das große Ego erwähnten: Braucht man das für eine Karriere wie die Ihre?
Bourani: Nun, man muss es genießen, im Mittelpunkt zu stehen. Wenn Sie auf der Bühne sind vor 10.000 Leuten und Sie können es nicht ertragen, dass die Menschen Sie angucken, dann funktioniert das nicht. Man muss es mögen, dass man viel Anerkennung bekommt. Aber manchmal wird mir das auch zu viel. Es ist wie mit allen Dingen im Leben: In Dosierung und mit Maß machen die Dinge Spaß. Doch wenn man zu viel von einer Sache, zum Beispiel Anerkennung, bekommt, dann kann das auch Gift sein.
„Vaiana“ ist ein Film, in dem sehr viel gesungen wird. Ist dieser Stil nicht ein wenig aus der Mode gekommen?
Bourani: Nun, so viel Gesang gibt es auch wieder nicht; der Film wird nicht ständig mit Liedern zugeballert. Und er geht auch sehr humorvoll damit um, zum Beispiel in der einen Stelle, wenn Maui zu Vaiana sagt, „wenn du jetzt anfängst zu singen, muss ich kotzen.“
Ist es ein kleines Adelsprädikat für einen Künstler, wenn man in einer Disney-Produktion mitwirkt?
Bourani: Ja, na klar, das ist etwas Besonderes, so ein Angebot zu bekommen. Synchronsprecher zu sein, ist ein sehr intensiver Beruf, und es gibt viele Leute, die dafür eine Ausbildung gemacht haben. Dieses wohl wissend, habe ich mir auch einen Coach geholt, weil ich die Arbeit im Synchronstudio nicht unterschätzen wollte. Für mich war diese Rolle ein großer Traum, den ich natürlich nicht ablehnen wollte.
Wenn Sie selbst Filme anschauen: Bevorzugen Sie den Originalton oder die Synchronfassungen?
Bourani: Das ist gemischt. Bei Animationsfilmen ist die Frage, Original oder Synchron, nicht so wichtig, weil die Stimme ja auf die animierten Figuren draufgesetzt wird. Bei Spielfilmen kann es aber schon so sein, dass die Synchronfassung den Darstellern ihr Spiel wegnimmt. Weil der Synchronsprecher möglicherweise ganz anders spielt. Ich habe mich da nie auf eine Seite geschlagen: Es gibt Filme, die ich mir sehr gern im Original anschaue, und andere, die mir auch auf Deutsch sehr gut gefallen.
Lina Larissa Strahl, Ihre Filmfigur Vaiana entwickelt magische Kräfte. Hat es für Sie etwas Magisches, in einem großen Disney-Film die Hauptfigur zu sprechen?
Strahl: Ja. Disney-Produktionen versprechen immer Magie, auch wenn es in dieser Produktion nicht um Hexen oder Zauberer geht. Es ist total aufregend, so eine Synchronisations-Rolle spielen zu können.
Wie unterscheidet sich die Arbeit in einem Synchronstudio von jener vor der Kamera?
Strahl: Das Synchronisieren ist ziemlich schwer. Man muss im Tonstudio versuchen, zu interagieren und einen richtigen Dialog darzustellen, obwohl man dort keinen Ansprechpartner hat. Man richtet sich ziemlich genau nach der englischen Version, das ist auch gewünscht. Und dann muss man trotzdem schauspielern, als ob man auf einem Filmset sein würde. Wenn ich wütend bin, muss ich rumschreien, wenn ich traurig bin, dann muss ich mehr oder weniger weinen. Man kommt sich da ein wenig komisch vor, weil man allein in diesem Raum steht – aber so ist es.
Haben Sie „Vaiana“ komplett im Original gesehen, bevor die Synchronisation begann?
Strahl: Ich habe den Film in einer Version gesehen, in der mehr als die Hälfte der Story noch nicht aus Computeranimationen bestand, sondern gezeichnet war. Wir haben meinen Text dann weitgehend chronologisch aufgenommen – außer bei der Eröffnungsszene. Denn im Studio musste ich ja erstmal in die Atmosphäre des Films reinkommen, und da wäre es blöd, wenn man beim ersten Bild merken würde, oh, das war aber ihr erster Tag. Insgesamt war ich neun oder zehn Tage im Studio, immer sechs Stunden am Stück.
Wollen Sie auch in Zukunft Animationsfilme synchronisieren?
Strahl: Total gern. „Vaiana“ ist ein megacooler Film – und so in das Synchrongeschäft einzusteigen, ist ideal. Es war eine megatolle Erfahrung.
Können Sie sich mit dem Südsee-Mädchen Vaiana identifizieren?
Strahl: Ziemlich gut, auch wenn ich ganz woanders aufgewachsen bin. Von der Persönlichkeit sind wir einander ähnlich: Wir sind beide ziemlich willensstark und kämpfen für das, was wir wollen. Wir haben viel Humor, auch wenn Vaiana ein bisschen optimistischer ist als ich. Ich bin nicht so optimistisch. Ich glaube immer, alles geht schief. Außerdem ist sie extrem mutig. Das bin ich auch nicht.
Sie haben gerade Ihr Abitur gemacht. Gibt es ein Fach, das Sie gerne studieren würden?
Strahl: Ich habe vor, ab dem nächsten Wintersemester Geschichte zu studieren. Nicht, um dann Lehrerin oder Archäologin zu werden: Ich interessiere mich einfach für Geschichte – für das Dritte Reich zum Beispiel, das wir auch in der Schule sehr ausführlich durchgenommen haben, oder für die römische Geschichte. Rom war eigentlich meine Lieblingsepoche, und ich hätte mir so gewünscht, dass das beim Abitur in der Klausur drankommt. Als das dann nicht der Fall war, habe ich fast geweint.
Ende Februar kommt „Bibi & Tina 4“ ins Kino. Wachsen Sie aus der Rolle der Bibi nicht langsam raus?
Strahl: Ja. „Bibi & Tina 5“ wird es nicht geben. Jetzt will ich mir erst einmal ein halbes Jahr Zeit nehmen und nachdenken, was ich als Nächstes tun möchte. Aktuelle Filmpläne habe ich nicht – musikalische Pläne sehr wohl.
Wenn Sie mit Freundinnen zusammen sind, die nicht in der Filmszene aktiv sind – prallen da Welten aufeinander?
Strahl: Nö. Alle meine Freundinnen haben nichts mit Film zu tun, doch da hat es nie Neid oder so etwas gegeben. Ich bin halt viel unterwegs. Seit meinem Abi, also mehr als vier Monate, habe ich die meisten meiner Freunde nicht mehr gesehen. Das finde ich schade.