Helena Bonham Carter über Heldinnen, Riesen, Geister und ihren Film „Eleanor & Colette“


„Das Gefühl, dass man kämpfen muss, kenne ich sehr gut“

06.05.2018
Interview:  Peter Beddies

Helena Bonham Carter: „Meine Filmfigur Eleanor Riese war eine unglaubliche Kämpferin“ © Bernd Spauke

Helena Bonham Carter berührt das Kinopublikum derzeit in „Eleanor & Colette“, der wahren Geschichte einer psychisch kranken Frau, die um ihre Rechte kämpft. Im FilmClicks-Gespräch  erzählt die Engländerin, warum ihr Rollenvorbild Eleanor Riese eine Heldin für sie ist. Und dass sie sich mit der realen, aber längst verstorbenen Eleanor während des Drehs ganz nah verbunden fühlte: „Ich glaube an Welten, die jenseits von unserer existieren.“


FilmClicks: Miss Bonham Carter, Sie spielen in „Eleanor & Colette“ eine psychisch kranke Frau. Wie war das für Sie?
Helena Bonham Carter: Es fühlte sich manchmal so an wie eine Autobiografie, wissen Sie.
 
Mit dem Unterschied, dass Sie gesund sind und Ihre Filmfigur Eleanor war krank.
Auch wieder wahr. Aber dieses Gefühl, dass einen die anderen nicht verstehen, dass man darum kämpfen muss, anerkannt zu werden, das kenne ich sehr gut.
 
Ist die Kämpferin Eleanor also eine Heldin für Sie?
Ohne jede Frage. Sie war eine unglaubliche Kämpferin. Sie wollte, dass man ihr zuhörte. Sie wollte, dass sie eine Stimme bekam. Deshalb ist sie auch ein Vorbild für all jene, die keine Stimme haben. In dem Zusammenhang: Wissen Sie, es ist ja schon mal ein Wunder, dass es diesen Film, den kaum ein Produzent wollte, überhaupt gibt. Und dass wir ihn vor zwei Jahren innerhalb von sechs Wochen in Köln gedreht haben und dabei so taten, als wären wir in San Francisco.

Drehort Köln - Schauplatz San Francisco:Helena Bonham Carter & Hilary Swank © Spauke

Macht man so etwas im Filmgeschäft nicht häufiger?
Na ja, hin und wieder. Aber nicht so extrem wie in diesem Fall. Auf jeden Fall wohnte ich in Köln im Hotel Savoy für die Zeit der Dreharbeiten und an einem der letzten Tage sah ich in der Stadt das Wort Riese. So heißt ja Eleanor mit Nachnamen, Eleanor Riese. Aber ich wusste nie, dass das Wort Riese im Deutschen die Bedeutung eines übergroßen Menschen hat.
 
Kann man von Giant ja auch schlecht ableiten.
Sie sagen es. Auf jeden Fall habe ich gleich zu meiner Freundin gesagt, mit der ich unterwegs war und die mir das Wort gezeigt hat, das ist ein Hinweis auf Eleanor. Sie heißt nicht nur so. Sie ist auch ein Giant, eine Riesin. Eine unbekannte, eine unsichtbare Riesin. Aber eine, die es verdient, dass wir jetzt ihre Geschichte erzählen.
  
Die wahre Eleanor Riese ist schon lange tot. Aber Sie sagten bei der Welt-Premiere des Films 2017 in Toronto, dass sie während des Drehs bei Ihnen war. Wie geht das? 
Ich werde versuchen, es Ihnen zu erklären. Wenn man Menschen spielt, die nicht mehr am Leben sind, dann lädt man eine Energie zu sich ein. Wenn man dann diesen Menschen um Hilfe fragt, kann es passieren, dass dieser Mensch reagiert. Eleanor war mir jedenfalls während des Drehens sehr nahe. So, als wollte sie unbedingt, dass ihre Geschichte erzählt wird.
 
Und dass Sie sie spielen?
Das weiß ich natürlich nicht. Aber irgendetwas hat mich an ihrer Geschichte nicht losgelassen. Ich sollte bei einem anderen Filmprojekt  über Eleanor schon einmal mitspielen, vor 18 Jahren. Damals allerdings die Colette. Kam nicht zustande. Dafür jetzt. Und Eleanor war an meiner Seite. Klingt vielleicht eigenartig. Aber mir passiert so etwas hin und wieder.
 
Glauben Sie an Geister?
Na klar. Wobei Geister so eigenartig klingt. Das reduziert es auf eine Person. Ich glaube an Welten, die jenseits von unserer existieren.
 
In ein paar Wochen wird man Sie schon wieder im Kino sehen können, im Sommer-Blockbuster „Ocean`s 8“. Was war Ihr erster Gedanke, als man Ihnen das anbot – dass es schon genug „Ocean’s“-Filme gibt?
Nein, das auf keinen Fall. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als das Angebot kam. Das war vor zwei Jahren – genau in den Wochen, als wir in Köln „Eleanor und Colette“ drehten. Damals wurde ich 50. Und es flatterte das Angebot ins Haus. Ich habe das Drehbuch gelesen und fand es sehr lustig. Da Eleanor auch sehr lustig sein konnte, fand ich das irgendwie passend.

Ab 22. Juni im Kino: Helena Bonham Carter (ganz rechts) in „Ocean‘s 8“ © Warner

Wie wurde dann der Dreh zu „Ocean’s 8“ – mit acht Damen, von Sandra Bullock und Cate Blanchett bis Anne Hathaway und Rihanna, die auch schon mal zu Diven werden können: War das sehr anstrengend?
Überhaupt nicht. Bei dieser Art von Film gibt es jede Menge Menschen, die peinlich genau darauf achten, dass jeder und jede genau das tut, was zu tun ist. Wenn wir zum Drehen gingen, gab es immer jemanden, der „Check“ rief. Das bedeutete, es musste alles kontrolliert werden – Kostüme, Haare, Schminke. Da wuselten dann plötzlich ganz viele Menschen um einen herum. Mal abgesehen davon, dass alle Kolleginnen echt nett sind und Profis dazu; bei so einem Dreh bleibt so gut wie keine Zeit, die Diva raushängen zu lassen.           



Kritik
Eleanor & Colette
Regisseur Bille August erzählt im Dokudrama „Eleanor und Colette“ die Geschichte der Psychiatrie-Patientin Eleanor Riese (Helena Bonham Carter), die mit Hilfe der Anwältin Colette Hughes (Hilary Swank) ihre Rechte gegen das US-Gesundheitssystem durchsetzen konnte. Mehr...