Christian Berger Über Angelina Jolie, Brad Pitt und den gemeinsamen Film „By The Sea“


Auf dem Set mit Brangelina

08.12.2015
Interview:  Gunther Baumann

Beim Dreh von „By The Sea“ Kameramann Christian Berger (li.) mit Angelina Jolie und Brad Pitt © Universal

„Ich muss nicht nach Hollywood“, sagt Kameramann Christian Berger. Nun ja: Der Tiroler aus Wien ist arbeitsmäßig längst dort. Erst brachte ihm „Das weiße Band“ 2010 eine Oscar-Nominierung ein (das Drama war einer seiner fünf Filme mit Michael Haneke). Und jetzt baten ihn Angelina Jolie und Brad Pitt bei ihrem Film „By The Sea“ als Director of Photography an Bord. Das Ehe-Melodram (Buch & Regie: Jolie) ist der erste gemeinsame Film von Brangelina seit ihrem Hit „Mr. & Mrs. Smith“. Als er den Anruf von Angelina bekam, erzählt Berger im FilmClicks-Interview, glaubte er erst einmal an einen Scherz: „Sie sagte, guten Tag, hier ist Angelina Jolie. Und ich antwortete, guten Tag, ich bin der Kaiser von China.“ Doch sie war’s wirklich. Und „By The Sea“ mit den eleganten Bildern von Christian Berger läuft ab 10. Dezember im Kino.


FilmClicks: Herr Berger, Sie haben viele Wochen mit Brangelina, dem größten Glamour-Paar Hollywoods, gearbeitet. Nach landläufiger Ansicht gehört zum Star die Allüre. Was hat sich denn diesbezüglich beim Dreh getan?
Christian Berger:
Ich erwartete und befürchtete am Anfang durchaus, dass es da etwas geben könnte. Aber, und das gilt auch für das europäische Kino: Wenn jemand wirklich gut und ein Star ist, dann hat er keine Allüren. Belastend ist die sogenannte Mittelklasse. Die Leute, die ständig betonen, ja wisst ihr denn nicht, dass ich eigentlich ein Star bin? Bei Angelina Jolie und Brad Pitt gab’s in Sachen Allüren überhaupt nichts. Sie waren total geradlinig, offen, warmherzig, und sie trafen sehr schnelle Entscheidungen. Wenn, dann gab es vielleicht einmal Konzentrationskrisen. Noch dazu, wo die beiden ja wirklich ein Ehepaar sind. Da ist das Spielen von Ehekrisen nicht einfach. In solchen Momenten haben wir uns mit großem Respekt in Wartestellung begeben, bis die beiden ihren Weg gefunden hatten. Aber das ist ganz normal.

Wie entstand Ihr Kontakt zu Angelina Jolie und Brad Pitt für den Film „By The Sea“?
Der erste Kontakt war anonym – ich hatte keine Ahnung, wer das ist. Meine Frau, die mich managt, hatte ständig jemand am Apparat, der wissen wollte, ob ich frei wäre für einen Dreh im Sommer oder im Herbst letzten Jahres. Wir fragten: Für wen und wofür? Ein Drehbuch wäre nicht uninteressant (lacht). Und wer macht den Film? Das wäre auch nicht uninteressant. Es dauerte dann relativ lang, bis wirklich Angelina Jolie angerufen hat. Da habe ich es immer noch nicht geglaubt: Es gab nämlich schon Kollegen, die versuchten, mich mit dem Schmäh „Hollywood is calling“ zu ärgern – oder zu unterhalten. Doch Angelina Jolie war wirklich am Apparat, und dann ging alles Schlag auf Schlag.
 
Kannten Sie Jolie und Pitt schon aus den USA? Zum Beispiel von der Oscar-Verleihung, als Sie als Kameramann von „Das weiße Band“ nominiert waren?
Nein. Abgesehen von dieser Nominierung war Hollywood für mich nie existent. Und auch nie ein Traum. Das klingt vielleicht arrogant, aber das war wirklich in meiner Filmwelt kein Ziel. Ich muss nicht nach Hollywood. Und das hat die Sache eher entspannt und die Kommunikationsmöglichkeiten verbessert, denn das mögen die beiden auch. Ich wollte nicht etwas „für Hollywood“ tun, sondern ich habe mich für die Geschichte von „By The Sea“ interessiert und versucht, die Intentionen von Angelina Jolie zu bedienen und zu unterstützen.
 
Ich nehme an, Sie werden Angelina Jolie und Brad Pitt gefragt haben, warum sie Sie als Kameramann für „By The Sea“ haben wollte.
Ja. Das war natürlich meine erste Frage: Wie kommt’s ihr auf mich? Sie haben mir dann erzählt, dass sie für  diesen Film, der in den 1970er Jahren in Südfrankreich spielt, einen europäischen cineastischen Stil haben wollten, der aus jener Zeit kommt. Deshalb schauten sie sich in Europa nach einem Kameramann um. Im Internet fanden sie Interviews und Statements von mir über meine Auffassung von Beleuchtung sowie über meinen Zugang zu Schauspielern und Regisseuren. That was the hook – da haben sie angebissen. Dann haben sie sich näher über mich erkundigt, und dann ging es los.

„Ein Film in europäischem Stil“: Christian Berger am Set © Universal

Kann es sein, dass Ihre Oscar-Nominierung für „Das weiße Band“ dazu beigetragen hat, dass Sie das Engagement bekamen?
Die Nominierung war sicher nicht schädlich, aber anscheinend nicht der Aufhänger für die beiden. Sie haben wirklich etwas von mir zum Thema Licht gefunden, und dann erst, bei der Frage „wer ist denn das?“, haben sie sich näher mit mir beschäftigt.
 
Ganz abgesehen von Angelina Jolie – hat die Oscar-Nominierung im Jahr 2010 dazu geführt, dass Sie mehr Angebote bekamen?
Es gab relativ kurzfristig viele Angebote – aber das war wirklich nur Schrott. Das hat mich nicht sehr überrascht, denn ich habe in meiner ganzen Karriere die Erfahrung gemacht, dass es drei bis vier Jahre dauert, bis ein Erfolg wirklich Folgen hat. Bei diesen Schrott-Angeboten wiederum spürte ich zum Beispiel, dass man da versuchte, einen Namen dazu zu bekommen, um ein Projekt weiterfinanzieren zu können. Oder es waren völlige Missverständnisse: Ich kann keinen Actionfilm drehen. Warum also sollte ich einen machen?
 
Können Sie schon während eines Drehs sehen, ob ein Film gut wird oder nicht?
Wenn das jemand könnte, wäre er ziemlich stark beschäftigt (lacht). Es kommt vor – zum Beispiel bei „Das weiße Band“ -, da weiß man bei einer Szene gleich, das ist ein Meisterstück. Das berührt einen dann auch sehr stark. Ob aber der ganze Film so gut wird, weiß beim Dreh nie jemand. Und bei einem Film wie „Das weiße Band“ kommt hinzu: Kein Mensch hätte an diesen Erfolg geglaubt. In Cannes? Ja. Aber dass die Amerikaner auf den Film so eingestiegen sind: Der Film erfüllt überhaupt keine amerikanische Regel. Die Geschichte nicht, es gibt keine Stars, keine Musik, kein Happy-end, und dann ist der Film auch noch Schwarz-Weiß. Doch genau das hat scheinbar gegriffen.
 
Und wie war das bei „By The Sea“?
Auch da gab es Momente, in denen man wusste, das ist jetzt eine tolle Szene geworden. Es gibt ja viele sehr emotionale Szenen in „By The Sea“. Aber wie das alles zusammengeht, weiß man beim Dreh einfach nie. Da dies erst Angelina Jolies dritter Film als Regisseurin ist, war auch die Handschrift nicht so klar. Die mir übrigens jetzt sehr gefällt: Ich finde, dass Angelina Jolie eine sehr feminine Handschrift gefunden hat. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch. Aber ihre Art, den Weg oder den Ausweg zu suchen für die Geschichte,  war ganz anders als die klassisch männliche. Es gab viele Up and Downs, und das führte zu einer Emotionalität, die jetzt ein Teil ihrer Handschrift ist. Und das versuche ich zu unterstützen. Da ist man oft ein bisschen Hebamme. 
 
„By The Sea“ ist ein Drama über ein Ehepaar in der Krise: Kann es sein, dass da auch ein paar eigene Erfahrungen von Jolie und Pitt hineinspielen?
Gegen diese Vermutung wehren sich die beiden mit Händen und Füßen. Ich hatte auch überhaupt nicht den Eindruck, dass dies der Fall war. Jeder unterstellt ja fast zwangsläufig, dass die Story des Films eine autobiografische Schilderung ist. Aber das ist es überhaupt nicht. Es waren auch die Kinder der beiden beim Dreh dabei, und es gab strikte Regeln: Freitag Nachmittag ist die Arbeit fertig, die Wochenenden gehören den Kindern.

Es gibt schon ein neuen gemeinsames Projekt: Berger mit Jolie & Pitt © Universal

Sie haben viel mit Michael Haneke gearbeitet. Wenn Sie sich jetzt entscheiden müssten, als Nächstes lieber mit Jolie oder mit Haneke zu drehen – wie würden Sie sich entscheiden?
Das ist eine unfaire Frage (lächelt). Kurze Antwort: Ich bin sowohl mit Angelina Jolie als auch mit Michael Haneke im Gespräch für ein nächstes Projekt.



Kritik
By The Sea
Angelina Jolie und Brad Pitt treten im Ehe-Melodram „By The Sea“ erstmals seit ihrer Action-Komödie „Mr. & Mrs Smith“ gemeinsam auf. Der Kassenerfolg des Vorgängers dürfte dem elegischen Film, der von Angelina Jolie auch geschrieben und inszeniert wurde, versagt bleiben.       Mehr...