Marie Kreutzer
über ihren Film „Gruber geht“
„Kontrolle ist eine Illusion“
30.01.2015
Marie Kreutzer machte 2011 bei der Berlinale Furore. Mit dem Drama „Die Vaterlosen“ legte die Grazer Autorin und Regisseurin einen fulminanten Erstlingsfilm vor, der das alternative Leben in einer Kommune aus einer ungewöhnlichen Perspektive betrachtete: Aus jener der Kinder. Mit ihrem zweiten Spielfilm „Gruber geht“ begibt sich die 37-Jährige nun in die Mitte der Gesellschaft. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Doris Knecht dreht sich um einen sehr überheblichen und schnöseligen Werbe-Mann, der eines Tages mit einer Krebs-Diagnose konfrontiert wird. FilmClicks-Autorin Katharina Sartena hat Marie Kreutzer interviewt.
FilmClicks: Marie Kreutzer, Ihr neuer Film „Gruber geht“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Doris Knecht. Wie hat Sie dieses Buch für eine Verfilmung geködert?
Marie Kreutzer: Die Buch-Vorlage hat mich interessiert, weil es darin um eine Art von Kontrollverlust geht, oder besser gesagt: Darum, dass man herausfindet, dass es Kontrolle über das Leben eigentlich nicht gibt. Kontrolle ist eine Illusion. Und diese Illusion versucht man auf verschiedenen Ebenen aufrecht zu erhalten, sei es nun mit einer Alarmanlage im Einfamilienhaus, oder mit dem Irrglauben, bei bestimmter Ernährung oder nach einem Rauchstopp sicher nicht sterben zu müssen. Wir glauben, die Dinge im Griff zu haben. Andererseits geht es in dem Roman auch um das Funktionieren. Gesellschaftlich wurde schon immer von den Menschen einiges erwartet, aber inzwischen geht das so weit, dass man ständig erreichbar und verfügbar sein sollte. Man ist nicht nur einem beruflichen, gesundheitlichen und ästhetischen Druck ausgesetzt, sondern auch einem sozialen.
Gruber widersetzt sich letzterem aber immer wieder.
Genau das mochte ich an der Figur so gern: Dass er sehr ehrlich und sehr autark ist.
Ein Sympathieträger ist der schnöselige Gruber aber nicht.
Mich hat Gruber gereizt, weil ich so eine Figur vermutlich nie selbst erfunden hätte. Eine wichtige Frage war in der Vor-Produktion immer, ob man sich als Zuschauer für Gruber wirklich erwärmen kann, weil er oberflächlich betrachtet nicht sehr sympathisch ist. Er hat eine offene, ziemlich harte Art, und seine Ehrlichkeit schmerzt manchmal. Aber das lernte ich auch schätzen an ihm.
Gruber bekommt im Film eine Krebs-Diagnose. Haben Sie sich im Zuge der Vorbereitung Gedanken gemacht, was dies für einen jungen Menschen, der mitten im Leben steht, bedeutet?
Ich selbst setze mich schon immer sehr intensiv mit Krankheitsbildern auseinander, weil ich hypochondrisch veranlagt bin. Es ist zwar etwas besser geworden, aber ich habe mir viel zu oft selbst vorgestellt, wie es ist, schwer krank zu sein. Ich war während der Recherche mehrmals im AKH, und dort hat mich sehr überrascht, wie Menschen mit der Krankheit Krebs im Alltag umgehen. Wie man mit dem Rhythmus, den einem die Chemotherapie aufzwingt, umgeht und wie man lernt, einfach damit zu leben. Da bekommt die Krankheit eine gewisse Alltäglichkeit. Viele Patienten, mit denen ich gesprochen habe, meinten, die Diagnose Krebs mache das Leben von einem Tag auf den anderen sehr einfach - was natürlich nicht positiv gemeint ist. Aber es geht dann nur mehr um eine Sache: Um das Gesundwerden, alles andere wird nebensächlich.
Es heißt, Manuel Rubey, der die Titelrolle spielt, soll gar nicht Ihre erste Wahl gewesen sein. Wieso nicht?
Marie Kreutzer: Es gab in diesem Fall keine erste Wahl, weil ich beim Schreiben des Drehbuchs an niemand bestimmten gedacht hatte. In einer frühen Phase gab es Überlegungen, ob Gruber, die Hauptfigur, mit einem deutschen Schauspieler besetzt werden sollte, weil „Gruber geht“ ursprünglich als Koproduktion gedacht war. Das hat sich dann aber wieder in eine andere Richtung entwickelt. Als wir schließlich mit dem Casting begannen, dachte ich von Manuel eigentlich, er wäre viel zu typisch für diese Rolle, viel zu nahe liegend. Aber beim Casting hat er mich restlos überzeugt, weil er sich auf vieles einlässt und vor der Kamera nicht zu viel macht, nicht übertreibt. Er spielt sehr subtil.
Wenn Sie ein Drehbuch schreiben: Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie die Geschichte selbst erfinden oder ob Sie eine Roman-Vorlage adaptieren?
Beim Schreiben denke ich immer darüber nach, wie ich Bilder für das finden kann, was ich erzählen will. Da ist es kaum ein Unterschied, ob die Erzählung eine eigene Geschichte oder ein Roman ist. Letzterer hat natürlich den Vorteil, dass schon vieles da ist, was man sich bei einer originalen Geschichte erst erarbeiten müsste. Generell gilt für mich: Man darf beim Schreiben nicht zu sehr ans Publikum denken. Damit meine ich nicht, dass mir das Publikum egal wäre, sondern, dass ich mich in diesem Prozess selbst als Referenz heranziehen muss. Ich kann keinen Film machen, der allen gefällt. Das würde nicht gelingen.