Freshtorge
über die YouTuber und seinen Film „Kartoffelsalat“
„Das ist kein Meisterwerk der Filmkunst“
21.07.2015
Interview:
Anna Wollner
Er ist 26 Jahre alt und Erzieher an einer Schule in Wesselburen, Norddeutschland: Torge Oelrich. Unter dem Namen Freshtorge führt er eine ganz andere Existenz. Mit seinem YouTube-Kanal „freshaltefolie“ erreicht er knapp 1,5 Millionen Follower (großteils aus der Altersgruppe von 6 bis 14 Jahren), die ihn für seine Videos mit Kultcharakter lieben. Jetzt bringt er sogar einen Film ins Kino – „Kartoffelsalat“. Der YouTube-Star aus Schleswig-Holstein sprach mit FilmClicks über die Herausforderungen des Filmprojekts und die Verantwortung gegenüber seinen Fans.
FilmClicks: Du machst normalerweise fünfminütige Comedy-Clips auf YouTube. Wie kamst du auf die Idee, deinen Stil auch im Kino auszuprobieren?
Freshtorge: Das war eine totale Schnapsidee. Der Regisseur Michael David Pate und ich sind befreundet. Wir wollten einfach mal was zusammen machen. Dann ging alles recht schnell, ich hab ein Drehbuch geschrieben, die YouTuber angerufen und gefragt, ob sie mitmachen möchten. Ein knappes Jahr später kommt jetzt der Film ins Kino.
Das Drehbuchschreiben für einen Film ist sicherlich ganz anders als dein Comedy-Format. Was musstest du da beachten?
Michael David Pate, der Regisseur, hat mir vorher einen Crashkurs gegeben, wie sich da ein Spannungsbogen aufbaut und wann die Plot Points Eins und Zwei (die Wendepunkte der Story, Anm.) und so weiter kommen müssen. Ich musste die Sache ganz anders angehen als meine kurzen Videos, ich musste Charaktere aufbauen, einen Spannungsbogen haben und halten, lauter solche Sachen, von denen ich vorher noch nie gehört habe.
„Kartoffelsalat“ ist ein echter Low-Budget-Film. Wie hat sich das auf die Dreharbeiten ausgewirkt?
Wir hatten wirklich kein Budget, wir haben Firmen angeschrieben, ob die nicht was sponsern wollen. Über Product Placement haben wir was versucht, Otto Walkes ist als Produzent dann ja noch mit an Bord gesprungen, der hat dann natürlich auch gut was dazu beigetragen fürs Budget, aber der Film hat weit unter einer Million gekostet, das ist sehr günstig.
Dafür ist die Gagdichte ist recht hoch. Wie habt ihr das Tempo für den Film gefunden?
Das war eigentlich gar nicht so schwer. Ich wollte, wenn ich schon einen Film drehe, nicht diesen typischen deutschen Comedy-Film machen. Die haben nämlich meistens 10 Minuten Leerlauf, dann kommt die Pointe und alle lachen sich schlapp. Das heißt, du hast in einem Kinofilm vielleicht sieben oder acht grandiose Gags, wo sich alle kaputt lachen. Bei „Kartoffelsalat“ ist das so, dass du alle 15 Sekunden einen Gag hast, der auch nicht offensiv ist, der im Hintergrund passiert. Das ist mal ein Spruch, da verspricht sich mal jemand, hier was, da was, also viele kleine Gags. Das heißt, man sitzt eher so da und lacht leise in sich hinein. Denn man hat gar nicht die Luft, die ganze Zeit zu lachen, weil so viele Gags hintereinander kommen.
Ein Problem, das der Film haben könnte, ist, dass die junge Zielgruppe gar nicht ins Kino geht, sondern nur am PC hängt. Habt ihr das mit einkalkuliert?
Da haben wir natürlich drüber diskutiert, machen die das, bewegen die sich, die sitzen ja sonst nur am Handy oder am Rechner, das ist ein großes Experiment. Aber wir sind da ganz positiv gestimmt. Wir haben allein auf Instagram über 200.000 Follower, die den Film begleiten und die sicherlich ins Kino gehen werden.
Du hast mit deinem YouTube-Kanal eine große Fanbase. Wie gehst du mit dieser Verantwortung?
Jeder, der in der Öffentlichkeit steht, hat eine gewisse Verantwortung. Gerade ich, ich bin Erzieher, hab‘ da eine Zielgruppe, die eben Kinder und Teenager anspricht, da ist es natürlich wichtig, dass ich aufpasse, was ich mache und sage. Andererseits denke ich mir, wenn man sich das Nachmittagsprogramm von einigen bestimmten Fernsehsendern anguckt, da findet man schlimmere Dinge als das, was bei YouTube passiert. Also YouTube ist da noch relativ harmlos. Trotzdem hinterfragen wir uns auch immer wieder. Beim LeFloid-Interview mit Angela Merkel wird viel darüber diskutiert, ist das sinnvoll gewesen oder nicht. Wir sind halt in der Öffentlichkeit und müssen das einfach aushalten.
Kannst du dir deinen Erfolg als YouTuber erklären?
Man merkt ja, dass sich die Teenager und Kinder vom Fernsehen abwenden. Es wird immer weniger und weniger, die gucken kaum noch Fernsehen. Viele Dinge haben damit zu tun, dass die Leute bei YouTube abhängen. Du siehst dort jemanden, der ist erreichbar, könnte dein Nachbar sein. Der dreht zuhause bei sich mit einer einfachen Kamera. Im Fernsehen hast du ein großes Studio und da ist ein Star, der unerreichbar ist. Für Teenager ist das uninteressant. Einem YouTuber allerdings kannst du Feedback geben, kannst kommentieren, bewerten, deine Meinung dort lassen. Er antwortet dir vielleicht mal, er macht Telefonspiele, er macht Fan-Treffen in Städten. Das sind alles Dinge, die im Fernsehen kaum noch stattfinden. Im Fernsehen gibt es ein vorgesetztes Pogramm. Du kannst zwar zwischen den Sendern entscheiden, aber das war‘s. Bei YouTube bist du als Zuschauer dein eigener Chef.
Bei „Kartoffelsalat“ gilt das aber nicht. Da ist das Publkum 90 Minuten an den Kinosessel gefesselt.
Das stimmt, aber da haben die Zuschauer ja eine Entscheidung getroffen und haben gesagt, ich möchte mir den Film gerne mal angucken. Wir YouTuber haben alle gesagt: YouTube bleibt das, was wir immer machen möchten. Und dieser Film, „Kartoffelsalat“, ist wie eine Art Ausflug. Ein Ausflug ist immer mal schön, aber im Klassenzimmer fühlt man sich dann am wohlsten, das kennt man und da wird man auch weitermachen.
Ist „Kartoffelsalat“ ein Angriff von euch auf die Filmindustrie?
Nein. Das ist ja kein Meisterwerk an Filmkunst wo wir sagen, wir wollen jetzt das Kino neu erfinden. Wir sind uns durchaus unserer Fähigkeiten bewusst und haben deswegen den Film mit einem Augenzwinkern gemacht und das alles nicht so ernst genommen.