Felix Herngren


„Der Hundertjährige“ im Film: „Unser Humor kommt unerwartet um die Ecke“

21.03.2014
Interview:  Peter Beddies

Auch im Kino grandios: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ © Concorde

Der schwedische Komödiant und Regisseur Felix Herngren ist in unseren Breiten praktisch unbekannt. Das ändert sich gerade: Herngren, 47, verfilmte den Weltbestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson. Im FilmClicks-Interview erzählt der Regisseur über den „dunklen Humor“ des Romans, den er auch auf die Leinwand bringen wollte – und über die Ähnlichkeiten der Story zu „Forrest Gump“.


Regisseur Felix Herngren (re.) mit Hauptdarsteller Robert Gustafsson © Concorde

FilmClicks: Könnten Sie sich vorstellen, 100 Jahre alt zu sein? Was würden Sie dann tun?

Felix Herngren: Oh ja, das wäre eine schöne Vorstellung. Wenn ich so alt werden würde, dann bitte so wie Allan. Wobei ich wahrscheinlich durch die Tür in mein neues Leben gehen würde und nicht durchs Fenster. Das Schöne an Allan ist ja, dass er noch so gesund ist. Ich merke selbst an mir, dass ich älter werde, denn ich denke ständig an meine Gesundheit.
 
So ein großartiges Buch, das Millionen Menschen auf der Welt lieben, muss eine wunderbare Aufgabe  sein. Aber war da auch ein gewisser Druck, weil Sie für den Film viele der tollen Geschichten streichen mussten?
Ja, der Druck war auf jeden Fall da. Aber diese Entscheidung musste nur einmal getroffen werden. Und der Rest der Arbeit war einfach wundervoll. Was braucht man denn für einen tollen Film? Ein gutes Buch. Es gibt sehr viele sagenhaft gute Regisseure auf der Welt aber nur wenige saustarke Geschichten. Und von dem Buch hier wussten wir, dass es einfach großartig ist. Der Druck, von dem Sie sprechen, der wurde aber immer größer, je näher die Premiere rückte.
 
War Ihnen der Autor Jonas Jonasson eine Hilfe?
Ganz und gar nicht. Er bekam den Film vor der Premiere natürlich zu sehen. Beim ganzen Prozess des Filmemachens hatte er sich ferngehalten. Jonas hatte uns die Rechte verkauft und nun sollten wir machen. Aber als er den Film sah, war seine erste Reaktion: „Ich weiß nicht so genau, ob mir der Film gefällt?!“. Das war alles andere als eine Hilfe für mich. Aber nachdem er den Film ein paar Mal gesehen hatte, gefiel er ihm doch sehr sehr gut.
 
Welche Art Film hat Ihnen vorgeschwebt?
Obwohl es vielleicht eigenartig klingt, wollte ich das ganze eher wie ein Drama erzählen. Was auch Sinn macht, denn Allan passieren ständig schreckliche bis absurde Dinge. Wenn man das als reine Komödie erzählen würde, wäre das zuviel für ein Publikum. Aber diese irre schnelle Abfolge von skurrilen Ereignissen als Komödie mit Drama-Touch zu erzählen, das war für mich der richtige Weg.
 
„Der Hundertjährige…“ war ein Bestseller weltweit. Warum sollte daraus ein schwedischer und kein Hollywood-Film werden?
Weil das Buch schon diese besondere Art von Ironie und dunklem Humor hat. Das sollte auch im Film erscheinen. Viele Gags werden nicht angekündigt, wie das in anderen Filmen aus anderen Ländern der Fall ist. Unser Humor kommt eher unerwartet um die Ecke und wirkt  daher oft viel stärker. Aber Sie haben recht. Hollywood sitzt in den Startlöchern und wartet, ob der Film ein Erfolg wird. Dann könnte es ein Remake geben.
 
Hatten Sie darüber nachgedacht, Allan auch im Film als Bruder im Geiste von Forrest Gump erscheinen zu lassen und ihn in die Flashbacks mit historischen Berühmtheiten „hineinzukopieren“?
Bei „Forrest Gump“ funktioniert das hervorragend. Die haben das Material genommen und dann die Geschichten drumherum erzählt. Aber wir haben im Film Geschichten von Personen, die filmtechnisch eher nicht dokumentiert sind. Sowohl von Stalin als auch von Franco dürfte es keine entsprechenden Aufnahmen geben, die wir hätten nutzen können. Wir mussten uns unsere eigene kleine Allan-Welt zurechtbasteln.
 
Gefällt Ihnen generell der Vergleich zu „Forrest Gump?
Wissen Sie, ich habe damit kein Problem. Aber Jonas Jonassson hat mir mal erzählt, dass er ein großes Problem damit hatte. Denn als der Film mit Tom Hanks in die Kinos kam, hatte er schon an seinem Roman geschrieben. Plötzlich saß er da und dachte: „So ein Mist, jemand hat meine Geschichte geklaut!“. Das muss ein Albtraum für ihn gewesen sein. Aber er war sowieso noch nicht so weit. Und als sein Buch erschien, zogen nur wenige Menschen diese Parallele. Ich sehe auch Parallelen in den Geschichten. Die liegen auf der Hand. Aber letztendlich sind es zwei verschiedene Stories, die beide sehr erfolgreich geworden sind.
 
Hatte Jonas Jonasson einen Film im Kopf, als er das Buch schrieb?
Das kann gut sein. Jonas hat ja auch viel fürs Fernsehen gearbeitet. Meiner Ansicht nach, sieht man es dem Buch an, das jemand sehr viel Zeit mit der Herstellung verbracht hat. Insgesamt sind 25 Jahre ins Land gegangen, bis das Buch fertig war. Jonas hat mir davon erzählt, dass keiner das Buch haben wollte, wie frustrierend das gewesen war. Und zwischendurch hat er sicher immer wieder daran gedacht, wie sich das Buch als Film machen würde Es war ja auch kein Buch-Erfolg vom Start weg. Das Buch verkaufte sich zuerst sehr schleppend in Schweden, bis es sich zum Hit entwickelte.



Kritik
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Die Verfilmung von Jonas Jonassons Bestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ ist ein sehr komisches und sehr kluges Kino-Ereignis aus Schweden. Mehr...