„Früher war Fußball meine Leidenschaft - heute ist es der Film“
19.06.2014
Interview:
Peter Beddies
Wer wäre prädestinierter, über Film und Fußball zu reden als Eric Cantona? Der Franzose, mittlerweile 48, war auf dem Rasen ein Weltstar. Die Fans seines Clubs Manchester United wählten ihn zum Spieler des 20. Jahrhunderts. Nach seinem Karriere-Ende 1997 wollte Cantona nicht Trainer oder TV-Experte werden, sondern Schauspieler. Seit 1995 hat er 25 Filme gedreht. Der große Durchbruch gelang ihm 2009 mit Ken Loachs Komödie „Looking for Eric“. Am 10. Juli läuft in Deutschland (leider nicht in Österreich!) sein neuer Film, das Erotik-Drama „Begegnungen nach Mitternacht“, an. Aber Cantonas Herz gehört nach wie vor – nicht nur jetzt während der WM – dem Fußball.
FilmClicks: Wie oft hören Sie heute noch den Satz, „Eric die Fußball-Legende“?
Eric Cantona: Keine Ahnung, interessiert mich aber auch nicht. Vom Begriff Legende kann ich mir nichts kaufen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich eine Legende bin. Vielleicht war ich ein ganz akzeptabler Fußballer. Und wohin mich mein Weg als Schauspieler führt, das weiß ich noch lange nicht. Aber ich hoffe, dass noch ein langer Weg vor mir liegt.
Wie lange hat es eigentlich gedauert, bis man den Fußballer Eric Cantona auch als Schauspieler ernst genommen hat?
Eine ganze Weile. Ich war ja auch als Fußballspieler keiner der Angepassten. Man dachte wohl, ich hätte jetzt Langeweile und würde ein neues Hobby suchen. Viele Journalisten dachten wohl auch, ich würde mich mit irgendwem anlegen und sie hätten nun sicher über Skandale zu schreiben. Ich wollte jedoch keine Skandale liefern. Also dauerte es eine ganze Weile, bis man mich ernst nahm. Aber das mit dem Kampf kenne ich ja vom Platz.
Als Experte im Fernseh-Studio hätten Sie es sicher leichter gehabt.
Ja, und irgendwann wäre ich vor lauter Langeweile gestorben. Nichts gegen meine Ex-Kollegen, die das machen. Aber ich suche die Herausforderung.
Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie WM und Brasilien hören?
Brasilien ist ein herrliches Land, das den Fußball liebt wie kaum eine andere Nation. Seit ich 1997 aufgehört habe, Fußball zu spielen, reise ich mindestens einmal im Jahr dorthin. Ich genieße es jedes Mal. Auch während der WM fliege ich hin. Aber nicht, um zu arbeiten. Ich will möglichst viele Spiele schauen.
Und wird Deutschland den Titel holen?
Auf jeden Fall. Besonders weil sie die Hilfe der Schiedsrichter haben.
Wie bitte?
Ach, das war nur so dahin gesagt. Deutschland könnte schon weit kommen. Aber es gibt bei diesen Titelkämpfen so viele Favoriten wie selten zuvor. Wissen Sie, was mir am besten gefallen würde? Wenn es – wie bei der Fußball-EM 2004 – eine Mannschaft wie Griechenland geben würde, die vor der WM niemand auf dem Zettel hat und die dann durchmarschiert und gewinnt.
Zurück zum Film: In Cannes hatten Sie an der Seite von Mads Mikkelsen mit dem Western „The Salvation“ Premiere. Und noch vor dem WM-Finale am 13. Juli läuft Ihr nächster Film in Deutschland an. In „Begegnungen nach Mitternacht“ kann man Sie ab 10. Juli an der Seite von Béatrice Dalle erleben – in einer Orgie, die sehr schief geht.
Ja, Béatrice ist eine sehr nette und interessante Frau. Ich will nicht zu viel verraten, aber es gibt eine außergewöhnliche Szene mit uns beiden in einem Käfig. Habe ich so in einem Film noch nicht gesehen.
Man hat auch nicht so häufig einen Schauspieler in einem Film, der mit der Größe seines Penis angibt.
Ach wissen Sie, an der Stelle sind die Jahre auf dem Fußballfeld eine sehr gute Schule. Auch dort wird ständig behauptet, dass man sich bloß nicht mit einem anlegen soll und dass man sonst was in der Hose hat. Also war diese Rolle nicht sonderlich skandalös für mich.
Ist dieser erotische Film ein Risiko?
Warum sollte das ein Risiko ein? Habe ich als Fußballer immer dasselbe Spiel gespielt? Nein! Also muss ich auch als Schauspieler die Herausforderung suchen. Im Januar war ich zum Beispiel in einem französischen TV-Film zu sehen, in dem ich einen Unfall mit dem Auto verursache und nicht anhalte. Der Kerl verstrickt sich nun laufend in Lügen. Solche Kerle zu spielen, auch wenn sie nichts mit mir zu tun haben, das macht mir Spaß. Früher war der Fußball meine Leidenschaft, heute ist es die Schauspielerei.
Warum gibt es eigentlich von Ihnen noch keine Autobiografie zu lesen? Sie hätten garantiert genug zu erzählen.
Stimmt, das hätte ich. Und mir ist Geld, sehr viel Geld angeboten worden, wenn ich meine Autobiografie schreibe. Vielleicht werde ich es auch mal eines Tages tun. Mich mit einem Menschen zusammentun, der gut schreiben kann, und meine Geschichte erzählen. Aber was mich bisher davon abhält: Diese Menschen, die einem Geld zahlen, die machen auch gleich klar, dass sie auf Kontroverse aus sind. Hauptsache Schlagzeile und Skandal. Das interessiert mich nicht.
Als Fußballer nannte man Sie King Eric. Wenn Sie einen Spitznamen als Schauspieler wählen dürften…
…dann wäre das Gott Eric. Natürlich!
Eigenartig, warum nur habe ich mit dieser Antwort gerechnet?
Keine Ahnung. Aber auf so eine Frage kann es nur diese Antwort geben
(grinst).
Eine beliebte Frage an Fußballer ist, welche Ihrer Spielszenen oder welches Tor das schönste war. Aber welches Spiel hat Sie am besten aufs Leben vorbereitet?
Das kann ich Ihnen genau sagen. Ich war zehn Jahre alt. Unsere Mannschaft war sehr gut. Wir nahmen am Regional-Finale teil und kurz vor Ende lagen wir mit einem Tor hinten. Ich passe den Ball toll vors Tor und renne hinterher. Der Schiedsrichter pfeift die Szene ab. Warum? Weil mein Trikot nicht in der Hose war. Kurz danach war das Spiel vorbei und ich wusste zwei Dinge: Schiedsrichter werden nicht meine Freunde. Und für Gerechtigkeit – nicht nur auf dem Feld – musst Du kämpfen.