Der „Percy Jackson“-Regisseur: Ein Deutscher in Hollywood
15.08.2013
Interview:
Anna Wollner
Deutsche in Hollywood: Da fallen einem automatisch Roland Emmerich oder Wolfgang Petersen ein. Aber Thor Freudenthal? Klingt nach einem neuen Comichelden, aber nicht nach großem Glanz aus der Traumfabrik. Doch Thor Freudenthal gibt es wirklich. Der Berliner, der seit 17 Jahren in Los Angeles lebt, inszenierte das Fantasy-Abenteuer „Percy Jackson: Im Bann des Zyklopen". FilmClicks traf den Wahl-Kalifornier in Berlin zum Interview. Freudenthal kam zum ersten Mal seit fünf Jahren in die deutsche Hauptstadt. Und sprach zur großen Überraschung - vor allem seiner eigenen - deutsch mit amerikanischem Akzent.
Haben Sie sich früher jemals vorstellen können, in Hollywood Filme zu drehen?
Das ging schrittweise voran. Der Traum hat sich mit meiner Arbeit langsam entwickelt. Schon als Vierjähriger habe ich viel gezeichnet. Man konnte mich zehn Stunden lang alleine lassen und ich habe Bilder und Charaktere gezeichnet. Ich war sehr schnell an Comics interessiert, habe am Gymnasium sogar ein paar Arbeiten an große Verlage verkauft und dachte eigentlich, dass ich Comiczeichner werde.
Was kam dazwischen?
Die Leidenschaft für den Film. Mein Interesse an der Animation hat mich nach Kalifornien geführt. Wobei ich gleich feststellte, dass das kein Job für mich ist, weil das sehr langwierig und sehr fokussiert ist. Ich habe dann erst als Konzeptdesigner in Hollywood gearbeitet, bei Filmen wie „Stuart Little“. Dadurch bekam ich die ersten Regie-Engagements in der Werbung. Nebenher habe ich Drehbücher geschrieben und sogar verkauft. Aber das war eine meiner ersten Lektionen in Hollywood: Alles, was man hier macht, braucht sehr viel Zeit und funktioniert nicht zwangsläufig. Denn verfilmt worden sind meine Drehbücher nie. Als dann die ersten Regiegespräche kamen, dachte ich wirklich, dass das schon längst überfällig sei.
Ist ein Filmset denn sehr anders als ein Werbeset?
Die Werbung hat mich gut auf den Schritt vorbereitet. Vor allem, was das technische und organisatorische Können angeht. Bei meinem ersten Spielfilm war ich im Umgang mit den Kameraleuten, den Drehplänen und der Zeit sehr routiniert. Das war nichts Neues. Neu waren allerdings die Drehzeit von zweieinhalb Monaten und die Länge der erzählten Geschichte. Zwischen 30 Sekunden Werbespot und 90 Minuten Film liegen Welten. Diesen Zeitraum auszufüllen, zu prägen und bedeutsam zu machen, ist die eigentliche Aufgabe des Regisseurs. Jedes Projekt hat neue oder andere Herausforderungen an die Geschichte, an die Stilmittel. Jedes Mal fühlt man sich wieder wie ein blutiger Anfänger.
Wie behält man bei einer großen Produktion wie „Percy Jackson“ als Regisseur den Überblick?
Da hilft das Training in der Animation und der Comiczeichnerei. Filme wie „Percy Jackson“ werden vorvisualisiert. Mit Storyboards und sogar Animation. Die ist zwar recht primitiv, aber sehr hilfreich. Alle Sets und Schauspieler werden als digitale Avatare erschaffen, Szenen schon in kleinen Sequenzen erstellt. Jeder technische Aspekt kann so genau untersucht werden. Ich als Regisseur kann mir mit einer simplen Computeranimation Dinge vorstellen und ausprobieren. Überlegen, wo der Schauspieler steht, wo er hingucken oder wie hoch er springen muss. So habe ich alle Elemente im Griff und muss sie beim Dreh noch nur ausführen.
Zusammen mit den Schauspielern?
Ja, denn die sind trotz der ganzen Technik noch immer das Wichtigste. Der Zuschauer guckt immer in die Augen des Schauspielers. Selbst bei einem sehr technischen Film darf man die nie aus dem Blick verlieren. Wenn die Schauspieler nicht das Interesse halten, hat man am Ende gar nichts.
Mussten Sie sich für den Film in die griechische Mythologie einarbeiten?
Nicht allzu viel, da mein Vater mir früher immer die Mythologien auf kindgerechte Art und Weise vorgelesen hat. Sozusagen die jugendfreie Ausgabe der griechischen Mythologie, wo die Emphase auf die Monster und die Welten und die Abenteuer gelegt wurde. Als ich dann älter geworden bin, habe ich gemerkt, dass in der griechischen Mythologie alle Götter menschliche Schwächen haben und extrem eifersüchtig sind. Das in den Film einzuarbeiten, war reizvoll; besonders, was die Götter und ihre Eigensinnigkeit und Selbstsucht angeht. Wir haben einen Gottvater, der sich vollkommen von seinem Sohn abgekehrt hat, der auf die dunkle Seite gewechselt ist.
Fühlen Sie sich in Los Angeles zuhause?
Ja. Wobei L.A. sehr speziell ist. Es ist die uramerikanischste aller Städte: weit, groß und man ist immer aufs Auto angewiesen. Für mich ist die Stadt wie eine surreale Traumlandschaft, die mich immer noch reizt. Auch wenn es Tage gibt, an denen ich mich nach einem funktionieren Straßencafé oder einer U-Bahn sehne. Aber ich mag L.A.. Besonders weil es eine nicht enden wollende Anzahl von übertalentierten Leuten, die sehr intelligent sind, gibt. Die alle auch sehr engagiert sind und ehrgeizig. Inspiration gibt es überall.
Gibt es Dinge, die Ihnen in Kalifornien fehlen?
Vollkornbrot. Gerade heute Morgen hatte ich welches. Es war ein wundervoll nostalgisches Wiederbeleben meiner Geschmacksnerven. In Amerika findet man das nicht. Wobei sich Amerika kulinarisch weiterentwickelt hat. Es gibt sogar deutsche Bäckereien, auch wenn die mit den hiesigen nicht mithalten können.
Sie sind mit Comics groß geworden – da liegt natürlich eine Superhelden-Verfilmung nahe. Würde Sie das reizen?
Es kommt auf die Geschichte und Herangehensweise an. Es gibt mittlerweile so viele Superhelden-Filme, dass es immer schwieriger wird, etwas Neues daraus zu machen. Mit einer normalen Comic-Verfilmung kann man mich nicht hinter dem Ofen hervorlocken. Nur dann, wenn es einen aufregend neuen Charakter gibt. Aber Fliegen, Laserstrahlen und Explosionen alleine reizen mich nicht.