Paul Dano
über seine Rolle als Beach-Boys-Chef in „Love & Mercy“
„Mir war nicht klar, wie sehr Brian Wilson gelitten hat“
12.06.2015
Interview:
Peter Beddies
Er ist der Mann für gewisse geschundene Seelen. Wenn in Hollywood so eine Rolle besetzt werden muss, wird häufig Paul Dano gefragt. In „Little Miss Sunshine“ oder „There Will Be Blood“ hat er geglänzt. Nun spielt er in „Love & Mercy“ den genialen Musiker Brian Wilson, den von Depressionen und Psychosen gebeutelten Bandleader der Beach Boys. FilmClicks sprach mit Paul Dano bei der Europa-Premiere von „Love & Mercy“ während der Berlinale.
FilmClicks: Mr. Dano, wahrscheinlich sind Sie – wie die meisten Menschen unserer Zeit – mit den Songs der Beach Boys aufgewachsen.
Paul Dano: Stimmt. Aber ich wusste kaum etwas über die Hintergründe der Band oder der Musik. Das war auch einer der Gründe, warum ich Brian Wilson spielen wollte. Jeder pfeift die Musik mit, aber wer weiß denn bitte, dass deren Hintergrund so überhaupt nicht „Fun and Sun“ ist, wonach die Musik der Band ja klingt.
Brian Wilsons Geschichte – hier der Star-Glamour, dort die psychischen Probleme - kannten Sie nicht?
Überhaupt nicht. Kann sein, dass es bei der Generation vor mir anders war. Dass man da wusste, wie sich Brian Wilson entwickelt hat. Aber mir war nicht mal im Ansatz klar, wie sehr Brian Wilson gelitten hat. Diese Geschichte möchte ich gern erzählen, damit wir seine Musik künftig besser schätzen können.
Wie sind Sie in den Kosmos des Brian Wilson eingestiegen?
Mit dem Kauf extrem guter und damit nicht preiswerter Kopfhörer. Solche Entschuldigungen liebe ich an meinem Beruf. Musste mir das und das kaufen, gehört zur Vorbereitung auf die Rolle. Zum Glück hatte ich Zugang zu allem möglichen Studio-Material der Beach Boys. Und ich konnte Stunde um Stunde hören. Denn – was mir recht schnell klar wurde - der Kosmos von Brian Wilson lässt sich nur erschließen, wenn man seine Musik hört. Beziehungsweise, wenn man ihn spielt, dass man dann auch noch seine Instrumente und das Singen lernt.
War es schwer, all das zu lernen?
Es war schwer – aber so schwer auch wieder nicht. Wenn ich weiß, dass ich die Essenz des Menschen, den ich spielen soll, in seiner Musik finde, dann nehme ich das gern auf mich. Ich habe für ein paar Monate jeden Tag ein bisschen geübt. Wirkliche Qual sieht anders aus. Außerdem entdeckt man Dinge fürs Leben. Mir war nie klar, dass ich mich über ein Klavier ausdrücken kann. Jetzt weiß ich es, spiele regelmäßig und werde mir sogar ein Klavier zulegen.
Was haben Sie in Brians Beach-Boys-Hits entdeckt?
Dass sie eine Welt für sich sind. Sie scheinen im ersten Moment ganz einfach zu sein. Sie laden Dich ein und Du hörst ihnen gern zu. Aber wenn Du Dich mit ihnen wirklich beschäftigst, dann wirst Du bald merken, dass sie unendlich komplex sind.
Und dann haben Sie Brian Wilson irgendwann mal treffen wollen oder müssen.
Ich wollte schon. Aber erst, nachdem ich mich mit seiner Musik vertraut gemacht hatte.
Wenn man jemanden kennenlernt, dessen Kunst einem so vertraut ist, kann das schnell zu einer Enttäuschung werden.
War es bei mir aber zum Glück nicht. Brian Wilson ist ein so starker Geist, dass man allein durch seine Anwesenheit merkt, dass sich etwas im Raum verändert.
Wie war die erste Unterhaltung mit ihm?
Ich versuche immer, das Ganze sehr menschlich anzugehen. Indem ich den Leuten sage, wer ich bin und woher ich komme. Das lockert die Atmosphäre auf. Ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen und unendlich viele Detail-Fragen zu Brians Musik stellen. Oder ihn zum Verhältnis zu seinem Vater befragen. Mir war klar, dass wir darüber später reden würden.
War Brian Wilson während des Drehs am Set von „Love & Mercy“?
Ja. Zum Beispiel, als eine Szene gedreht wurde, in der wir einen Song im Studio aufnehmen. Das war mir nicht einerlei. Da steht der berühmte Brian Wilson und sieht mir zu, wie ich versuche, wie er zu klingen und auszusehen. Da war ich schon etwas nervös. Auf der anderen Seite war das so cool. Wir waren in dem Studio, in dem er „Pet Sounds“ aufgenommen hat. Dort hat er uns besucht. Sehr großer und eigenartiger Moment.
Können Sie jetzt nach den Dreharbeiten sagen, was seine Musik ausmacht?
Das habe ich beim Drehen gespürt. Seine Musik sollte zum einen Menschen glücklich machen. Und ihnen helfen, wenn sie Probleme haben. Er spricht darüber, dass seine Musik heilen kann. Und diesen Gedanken finde ich faszinierend.