„Ich wollte nie Schauspieler werden"
11.05.2013
Interview:
Anna Wollner
Wotan Wilke Möhring, das behaupten wir jetzt einfach, ist einer der besten Schauspieler seiner Generation. In „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ spielt er einen jungen Familienvater, der plötzlich Witwer wird. Seine Frau, eine Kindergärtnerin, erhängt sich versehentlich beim Anbringen von Girlanden. Seine pubertierende Tochter distanziert sich immer mehr von ihm. Und seine Mutter verheimlicht eine Krebserkrankung. Wir haben ihn im Hyatt in Berlin zum Interview getroffen. Da war er noch relativ relaxet, kam gerade mit seiner Familie vom Campingurlaub in der Eifel. Eine Belastung für alle – immerhin lag noch Schnee. Mit drei kleinen Kindern campen zu gehen, finden wir mutig – und hatten sofort unser Gesprächsthema.
Herr Möhring, das Leben ist nichts für Feiglinge. Was war das Mutigste, was Sie je gemacht haben?
Vater zu werden. Ich habe es dreimal gewagt und geschafft. Bei meiner ersten Tochter wurde mir schlagartig klar, dass ich jetzt eine Generation aufrücke. Ich war nicht mehr nur der Sohn, sondern auf einmal auch der Vater. Für immer. Vaterwerden ist eine Entscheidung, die man nicht mehr rückgängig machen kann. Das war für mich sehr mutig.
Bedeutet „Mutig sein“ gleichzeitig auch, in eine neue Lebensphase zu kommen?
Unbewusst bestimmt. Für bestimmte Dinge, Kinder zu wollen zum Beispiel, braucht man einen gewissen Reifegrad. Bei mir steckt da aber keine Strategie dahinter. Es baut eher aufeinander auf. Dinge zu tun, die man sich zu traut und dann auch tut - und eben Dinge, die man sich nicht zutraut, zu lassen. Immerhin kenne ich mich schon eine ganze Weile und weiß, was ich mir zumuten kann und was nicht.
Auf der einen Seite sind Sie ein Freigeist, waren auf der Waldorfschule und dann Punk. Doch Sie gingen auch als Zeitsoldat zur Bundeswehr. Wie passt das für Sie zusammen?
Einerseits hat das sicherlich mit meinem Naturell zu tun. Andererseits habe ich schon früh gelernt, dass „Sich-Davon-Stehlen“ meistens der einfachste Weg ist. Den wollte ich aber nie gehen. Dieses „Aus dem Staub machen“ bereichert mich nicht. Für Dinge, die man durchsteht, wird man am Ende meistens auch belohnt. Das ist wie eine Gipfelbesteigung. Am Ende gibt es eine wunderschöne Aussicht. Etwaige Strapazen auf dem Weg nach oben, gilt es halt auszuhalten.
Warum haben Sie die Bundeswehr ausgehalten?
Eigentlich wollte ich verweigern. Ich hatte damals schon in Amerika mit geistig behinderten Kindern zusammen gearbeitet. Dann habe ich gemerkt, dass in meinem Umfeld viele den Weg des geringsten Widerstandes gegangen sind. Mich hat es schon immer gestört, wenn Menschen über Dinge lästern, die sie nicht kennen. Ich als Waldorfschüler kann ein Lied davon singen. Alle denken, das sei eine Bauklötzchen- und Kartoffeldruck-Schule. Keiner war aber je da und hat diese Erfahrung gemacht. Bei der Bundeswehr war das ganz ähnlich. Deswegen wollte ich mir das anschauen und habe es mir bei den Fallschirmjägern richtig gegeben.
War ihre Entscheidung, Schauspieler zu werden, mutig?
Ich wollte ja nie Schauspieler werden. Ich bin eher aus Versehen Schauspieler geworden. Ich habe weder eine Schauspielschule besucht noch auf den Beruf hingearbeitet. Diese Lockerheit hilft mir vielleicht manchmal.
Wie mutig war es, die „
Tatort"-Rolle anzunehmen?
Ich war ja schon einmal feige und habe die Rolle abgelehnt. Mir fehlte der nötige Reifegrad. Jetzt ist das mutigste daran wohl, sich bewusst diesem Kultobjekt auszuliefern. Mir ist schon klar, dass die Leute am Sonntag Abend nicht einschalten um mich als Ermittler zu sehen, sondern in erster Linie den „Tatort". Der „Tatort" ist in Deutschland eine Institution. Für mich war auch neu, dass ich auf einmal der bin, der bleibt. Früher bin ich immer gegangen, wenn der Film zu Ende war. Der „Tatort" hat aber kein Ende. Ich bleibe also. Daran muss ich mich erstmal gewöhnen.
In „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ haben Sie nicht nur die Hauptrolle gespielt, sondern auch die Funktion des Executive Producers übernommen. Warum?
Weil mir der Film unheimlich am Herzen liegt und ich ihn so besser unterstützen kann.
Wobei so ein Mitspracherecht immer zweischneidig ist. Das bedeutet gleichzeitig ja auch Mitverantwortung, aber bei einem Film wie diesem nehme ich die gerne auf mich.
Es scheint, Sie eifern doch Til Schweiger mit seinem Film-Imperium nach?
Um Gottes Willen. Bei so einem Imperium ist der Druck viel größer. Du musst bestimmte Produkte hervorbringen, du hast einen Deal, musst so und so viele Filme machen. Bei so was gibt man auch immer einen Teil seiner Freiheit ab. Und Freiheit ist für mich doch ein wesentliches Merkmal.