Ein Film-Flirt wurde zur Trilogie
07.06.2013
Interview:
Matthias Greuling
Richard Linklater hat seine „Before"-Trilogie fertiggestellt. Celine (Julie Delpy) und Jesse (Ethan Hawke), die sich 1995 in „Before Sunrise" im nächtlichen Wien verliebten und die sich 2004 bei „Before Sunset" in Paris wiedertrafen, sind jetzt, in „Before Midnight" ein Ehepaar. Regisseur Linklater spricht im Interview über die Entstehung der Filme, die Magie der Serie - und darüber, ob es vielleicht auch einen vierten Teil geben wird.
FILMCLICKS: „Before Sunrise“, „Before Sunset“ und jetzt „Before Midnight“: Das scheint ja eine echte Lebensaufgabe von Ihnen zu sein.
RICHARD LINKLATER: Sieht ganz so aus, ja! Als wir 1994 den ersten Film drehten, hätte wohl niemand gedacht, dass es irgendwann mal zwei Fortsetzungen davon geben würde. Wir haben zwar nach dem ersten Film darüber gewitzelt, dass man die Geschichte fortsetzen könnte, aber niemand meinte das ernst. Ethan, Julie und ich haben mittlerweile eine langjährige Beziehung, in der sich das dann einfach ergeben hat.
Wie entwickeln Sie den Fortgang dieser Filmreihe?
Es geht immer auf die gleiche Weise los: Wir machen Witze darüber, wie es wäre, einen weiteren Film zu machen. Dem voran gehen aber sechs, sieben Jahre, in denen wir gar nicht darüber sprechen, weil wir einfach keinen Bezug dazu finden. Die Ideen, die wir uns dann erzählen, haben allesamt etwas Witziges, sind aber nicht ernst gemeint. Dann treten wir in eine Phase ein, in der es ernst wird. Wir setzen uns zusammen und entwickeln eine Geschichte. Wir sind ja auch privat befreundet, das funktioniert immer sehr ungezwungen.
Warum ist das Pärchen Celine und Jesse mittlerweile drei Filme wert?
Ich glaube, das liegt stark an Julie Delpy und Ethan Hawke. Das sind zwei sehr gute Schauspieler, die auch Freunde sind und eine sehr gute Chemie zueinander haben. Es liegt wahrscheinlich sehr an ihren Persönlichkeiten, dass sich die Zuschauer noch immer für sie interessieren. Wenn Julie und Ethan jemals etwas miteinander gehabt hätten, wären wir wohl heute nicht hier. Wir sahen uns immer mehr als künstlerische Paarung, als künstlerisch verheiratet.
Ist „Before Midnight“ nun der Schlusspunkt?
Viele Menschen denken, die Trilogie ist nun abgeschlossen. Aber wir haben das nie gesagt. Denken Sie nur an Truffauts „Antoine Doinel“-Filme, die hörten auch nicht nach dem dritten auf. Das Problem wird nur: Uns gehen langsam die Filmtitel aus. Ich glaube, wir werden künftig die Jahreszeiten einsetzen. „Before Spring“ oder „Before Winter“ vielleicht. Oder wir wechseln zu „After“. Nach diesem Film nun haben wir erst mal keinerlei Idee, wie die Geschichte weitergehen könnte. Das ist ja das Geheimnis dieser Zusammenarbeit: Es braucht sehr lange Zeit, bis wir wieder zu einem neuen Anlauf ansetzen können.
Wie haben sich Julie und Ethan über die Jahre für Sie verändert?
Als wir 1995 begannen, war meine Tochter ein Jahr alt, heute geht sie ins College. Wir drei haben insgesamt acht Kinder mittlerweile, das Leben vergeht sehr schnell. Aber haben wir uns verändert? Das ist ein bisschen das Thema des Films: Verändern wir uns wirklich? Viele würden sagen, äußerlich haben wir uns nicht wirklich verändert, außer, dass wir ein wenig älter sind. Aber innerlich haben wir uns sehr wohl verändert. Wir haben mehr Erfahrung, mehr Wissen, mehr Beziehungen.
Gleich zu Beginn des Films werden wir Zeuge einer minutenlangen, ungeschnittenen Autofahrt der Protagonisten. Wie improvisiert sind die Dialoge in „Before Midnight“?
Die Improvisation findet bei uns während des Drehbuchschreibens statt. Wir sitzen um den Tisch herum und gehen Szene für Szene durch, lachen viel, probieren neue Dialoge aus und so weiter. Während des Drehs ist es dann damit vorbei. Auch, wenn die Dialoge zufällig und spontan wirken – ich kann mich bei allen drei Filmen nicht an einen einzigen Dialogsatz erinnern, der nicht auf dem Papier stand
War es für Sie einfach, die Produzenten von „Before Midnight“ zu überzeugen?
Es ist über die Jahre viel schwerer geworden, Filme wie diesen zu machen. Man muss als Regisseur immer einfallsreicher werden, um die Budgets noch weiter zu drücken, denn die Studios ziehen nicht mehr mit. Mein Film „Bernie“ (2011) zum Beispiel, in dem Jack Black seine beste Rolle spielt und dafür sogar für den Golden Globe nominiert wurde, hatte auch noch Shirley MacLaine und Matthew McConaughey mit an Bord. Das sind alles große Stars, und trotzdem konnte ich den Film zuerst nicht finanzieren. Vor zehn Jahren wäre das noch ein kleiner Studiofilm gewesen, aber heute – keine Chance für kleine Filme.
Machen Sie bei Ihren Filmen auch technische Abstriche, um das Budget klein zu halten?
Nein, ich habe ohnehin nie die groß budgetierten Filme gedreht. Ich habe immer sparsam gedreht, und alle drei Filme mit Ethan und Julie haben – sogar inflationsbereinigt – dasselbe gekostet. Nie mehr als drei Millionen Dollar.
Jetzt, da Sie eine Trilogie haben: Haben Sie wirklich noch keine Idee, wie die Geschichte von Jesse und Celine weitergehen könnte? Vielleicht, wenn beide in Pension sind?
Ja, eine Trilogie klingt nach etwas Großem, Wichtigem. Endlich! Ich habe schon eine Idee: Wir machen einen Film mit ihnen, 40 Jahre in der Zukunft, wenn sie 80 sind. Nur, dass der Film schon in drei Jahren rauskommt und wir sie digital altern lassen. Wenn das passiert, dann können Sie sagen: Sie waren dabei, als diese großartige Idee entstand. Eigentlich war es ja Ihre Idee. (lacht).
Die Printversion dieses Interviews ist in unserem Partner-Magazin „celluloid“ (Ausgabe 3/2013) erschienen.
www.celluloid.at